Marlene
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- 4. Aug. 2011
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Liebe Klavierliebhaber,
András Schiff hat mir schon viele Glücksmomente geschenkt aber was gestern Abend in Bonn passiert ist war derart überwältigend für mich dass ich mein Erlebnis mit Euch teilen möchte.
Am 3. Dezember 2011, ich hatte gerade seit etwa vier Monaten (bei meinem ersten Klavierlehrer) Klavierunterricht, habe ich Herrn Schiff erstmals in der Philharmonie gehört und gesehen und dieser Mann hat mich mit seiner Ausstrahlung und seinen wundervollen Klängen derart fasziniert, dass er mich seit diesem Tag fast magnetisch anzieht wenn er ein Konzert gibt.
Wie ich ja schon in dem anderen Thema geschrieben habe hat Herr Schiff, mein Lieblingspianist, am Sonntag einen im vorigen Herbst begonnenen Zyklus mit Beethoven-Sonaten fortgesetzt und was bei diesem ersten von vier Konzerten im Konzertsaal passiert ist war pure Magie. Eigentlich dachte ich dass ein solches Konzerterlebnis nicht mehr übertroffen werden kann aber gestern Abend hat mich Herr Schiff eines besseren belehrt. Dieses gestrige Konzert hat in einer Weise auf mich gewirkt die mir fast überirdisch erscheint und ich bin noch immer nicht wirklich zurück auf der Erde.
Herr Schiff ist ein in sich ruhender Mann mit fast meditativ gelassener Ausstrahlung und einer stark reduzierten Körpersprache. Wenn er zu seinem (eigenen) Flügel geht (ein etwa 90 Jahre alter Bechstein den er zum Singen bringt) dann scheint er zu schweben, es hat etwas Erhabenes wenn er über die Bühne schreitet. Er macht keine überflüssigen Bewegung um nicht seine Konzentration zu stören. Aber er „spricht“ mit seinen wenigen Gesten mehr als manch einer mit großen Worten.
Vor der „Appassionata“ legt er die Hände auf die Kante der Tastenklappe und hält kurz inne. Um dann eine Klanggewalt zu entfesseln die den Atem stocken lässt. Mit den letzten Klängen der Sonate explodiert seine ansonsten völlig gelassene Körpersprache plötzlich, er reißt den linken Arm in die Luft, schnellt von der Klavierbank hoch und ihm entfährt aus geblähten Wangen eine deutliche Geste der Erleichterung. Alle Konzentration und Anpannung löst sich in diesem Moment und ein Lächeln gleitet über sein Gesicht.
Nach den Bagatellen 126, 1 und 2 spielt Herr Schiff als dritte Zugabe Robert Schumanns Finale aus der C-Dur-Fantasie op. 17. Den wundervollen Klängen lausche ich mit geschlossenen Augen, ich tauche völlig ab in dieser schönen Musik. Während die letzten Töne erklingen schaue ich auf seine Hände. Sie verweilen auf der Klaviatur..., er hält inne..., Stille... Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Kein Räupern, keine Bewegung im Publikum. Nur: gebannte Stille.
In mir steigt ein Gefühl auf das ich bereits vor einigen Wochen hatte als ich eine Dokumentation über Claudio Abbado gesehen habe. Sie trägt den Namen „Ich höre die Stille“. In einer Szene verklingt gerade der Schlusschor von „Ein deutsches Requiem“, Ort des Geschehens ist der imposante Große Saal des Musikvereins. Claudio Abbado hält inne, den Rücken weiterhin dem Publikum zugewandt, und es herrscht Stille. Stille anstelle der die vorher genossenen Klänge zerreißenden Ovationen. Es vergehen die Sekunden und es herrscht weiterhin: Stille. Dann gab es in der Dokumentation einen Schnitt und ich habe wie gebannt auf den Bildschirm geschaut. Wie sehr habe ich mir gewünscht irgendwann einmal dieses Erlebnis zu haben. Ein von der Musik völlig in den Bann gezogener Interpret, ein von der Musik ergriffenes Publikum das geduldig aber positiv angespannt wartet bis der Interpret sich gesammelt hat...
Zurück zum gestrigen Abend. András Schiff sitzt also nach den letzten Klängen von Schumanns Finale mit geschlossenen Augen am Flügel, es herrscht sekundenlang Stille, dann löst er die Hände von den Tasten und hält noch immer inne. Er hat mir (und zahlreichen Anwesenden ebenso) gestern dieses überwältigende Glücksgefühl, dieses Geschenk, gemacht, dass Claudio Abbado dem Publikum in Wien gemacht hat (und sich und den Interpreten). Dann kann sich das Auditiorium nicht mehr zurückhalten und frenetischer Applaus und Bravo-Rufe erklingen. Und dann: Stehende Ovationen... Ich bin völlig ergriffen in Tränen ausgebrochen und es hat noch eine Weile gedauert bis ich wieder klaren Verstandes war.
Was für ein Konzerterlebnis!
Wenn ich die Suchfunktion richtig benutzt habe dann gibt es kein Thema das sich mit diesem außergewöhnlichen Künstler beschäftigt. Daher würde ich mich gerne mit Euch über ihn austauschen und wüsste gerne ob Ihr auch solch beglückende Erlebnisse bei seinen Konzerten hattet, wie Ihr zu ihm steht und welche Wirkung seine Musik auf Euch hat.
Liebe Grüße
Marlene
András Schiff hat mir schon viele Glücksmomente geschenkt aber was gestern Abend in Bonn passiert ist war derart überwältigend für mich dass ich mein Erlebnis mit Euch teilen möchte.
Am 3. Dezember 2011, ich hatte gerade seit etwa vier Monaten (bei meinem ersten Klavierlehrer) Klavierunterricht, habe ich Herrn Schiff erstmals in der Philharmonie gehört und gesehen und dieser Mann hat mich mit seiner Ausstrahlung und seinen wundervollen Klängen derart fasziniert, dass er mich seit diesem Tag fast magnetisch anzieht wenn er ein Konzert gibt.
Wie ich ja schon in dem anderen Thema geschrieben habe hat Herr Schiff, mein Lieblingspianist, am Sonntag einen im vorigen Herbst begonnenen Zyklus mit Beethoven-Sonaten fortgesetzt und was bei diesem ersten von vier Konzerten im Konzertsaal passiert ist war pure Magie. Eigentlich dachte ich dass ein solches Konzerterlebnis nicht mehr übertroffen werden kann aber gestern Abend hat mich Herr Schiff eines besseren belehrt. Dieses gestrige Konzert hat in einer Weise auf mich gewirkt die mir fast überirdisch erscheint und ich bin noch immer nicht wirklich zurück auf der Erde.
Herr Schiff ist ein in sich ruhender Mann mit fast meditativ gelassener Ausstrahlung und einer stark reduzierten Körpersprache. Wenn er zu seinem (eigenen) Flügel geht (ein etwa 90 Jahre alter Bechstein den er zum Singen bringt) dann scheint er zu schweben, es hat etwas Erhabenes wenn er über die Bühne schreitet. Er macht keine überflüssigen Bewegung um nicht seine Konzentration zu stören. Aber er „spricht“ mit seinen wenigen Gesten mehr als manch einer mit großen Worten.
Vor der „Appassionata“ legt er die Hände auf die Kante der Tastenklappe und hält kurz inne. Um dann eine Klanggewalt zu entfesseln die den Atem stocken lässt. Mit den letzten Klängen der Sonate explodiert seine ansonsten völlig gelassene Körpersprache plötzlich, er reißt den linken Arm in die Luft, schnellt von der Klavierbank hoch und ihm entfährt aus geblähten Wangen eine deutliche Geste der Erleichterung. Alle Konzentration und Anpannung löst sich in diesem Moment und ein Lächeln gleitet über sein Gesicht.
Nach den Bagatellen 126, 1 und 2 spielt Herr Schiff als dritte Zugabe Robert Schumanns Finale aus der C-Dur-Fantasie op. 17. Den wundervollen Klängen lausche ich mit geschlossenen Augen, ich tauche völlig ab in dieser schönen Musik. Während die letzten Töne erklingen schaue ich auf seine Hände. Sie verweilen auf der Klaviatur..., er hält inne..., Stille... Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Kein Räupern, keine Bewegung im Publikum. Nur: gebannte Stille.
In mir steigt ein Gefühl auf das ich bereits vor einigen Wochen hatte als ich eine Dokumentation über Claudio Abbado gesehen habe. Sie trägt den Namen „Ich höre die Stille“. In einer Szene verklingt gerade der Schlusschor von „Ein deutsches Requiem“, Ort des Geschehens ist der imposante Große Saal des Musikvereins. Claudio Abbado hält inne, den Rücken weiterhin dem Publikum zugewandt, und es herrscht Stille. Stille anstelle der die vorher genossenen Klänge zerreißenden Ovationen. Es vergehen die Sekunden und es herrscht weiterhin: Stille. Dann gab es in der Dokumentation einen Schnitt und ich habe wie gebannt auf den Bildschirm geschaut. Wie sehr habe ich mir gewünscht irgendwann einmal dieses Erlebnis zu haben. Ein von der Musik völlig in den Bann gezogener Interpret, ein von der Musik ergriffenes Publikum das geduldig aber positiv angespannt wartet bis der Interpret sich gesammelt hat...
Zurück zum gestrigen Abend. András Schiff sitzt also nach den letzten Klängen von Schumanns Finale mit geschlossenen Augen am Flügel, es herrscht sekundenlang Stille, dann löst er die Hände von den Tasten und hält noch immer inne. Er hat mir (und zahlreichen Anwesenden ebenso) gestern dieses überwältigende Glücksgefühl, dieses Geschenk, gemacht, dass Claudio Abbado dem Publikum in Wien gemacht hat (und sich und den Interpreten). Dann kann sich das Auditiorium nicht mehr zurückhalten und frenetischer Applaus und Bravo-Rufe erklingen. Und dann: Stehende Ovationen... Ich bin völlig ergriffen in Tränen ausgebrochen und es hat noch eine Weile gedauert bis ich wieder klaren Verstandes war.
Was für ein Konzerterlebnis!
Wenn ich die Suchfunktion richtig benutzt habe dann gibt es kein Thema das sich mit diesem außergewöhnlichen Künstler beschäftigt. Daher würde ich mich gerne mit Euch über ihn austauschen und wüsste gerne ob Ihr auch solch beglückende Erlebnisse bei seinen Konzerten hattet, wie Ihr zu ihm steht und welche Wirkung seine Musik auf Euch hat.
Liebe Grüße
Marlene