Guten Abend (bzw. gute Nacht, mei ist es wieder spät...)
@Tastenscherge
Kenne diesen Thread schon, beteilige mich an "Hörgeräte Träger" Diskussionen traditionell aber eher nicht, da ich keiner bin, und da hat
@Marlene recht, in die Hörwahrnehmung eines Menschen mit Hörbeeinträchtigung kann auch ich mich trotz jahrzehnte langer Berufserfahrung als Hörgeräteakustiker nicht vollständig reinfinden, wenn ich einen Menschen nicht gut kenne, oder gar nur ein paar Zeilen Text als Information vorliegen habe.
Und da liegt auch der grundsätzliche casus knactus bei Diskussionen (nicht nur in Foren!) zum Thema Hörgeräte überhaupt.
Niemand kann das! Leider auch
nicht andere Hörgeräteträger, weil
alle andere Grundvorraussetzungen mitbringen:
- Hörverlust selbst (kann dramatisch unterschiedlich sein in Grad und Ursache sowie Auswirkungen)
- Lebenssituation (Schule/Ausbildung, berufstätig, Ruhestand, etc)
- Alter (extrem wichtig für die auditive Verarbeitung)
- Anatomie der Ohrmuschel und des Gehörgangs (von Laien gar nicht einzuschätzen bei anderen Personen)
- Hier ausserdem: Affinitiät zu Musik (selbst Musiker?)
- andere "Baustellen" (physischer wie psychischer Natur)
- persönliche unterschiedliche Hörwahrnehmung / Hörgeschmack wie bei jedem Menschen
- und noch einiges mehr...
Die Versorgung eines schwerhörigen Menschen mit Hörgeräten ist im Detail dermassen komplex, das schnell nur einzelne Teilbereiche beleuchtet werden und es da häufig zu Fehleinschätzungen kommt, da niemand alle Grundvorrausetzungen der jeweils anderen Person kennt, insbesondere in Foren meist nicht...
Die exakte Erfassung dieser Vorrausetzungen ist im Übrigen der wichtigste Teil unserer Arbeit (für die eine mehrjährige spezialisierte Ausbildung erforderlich ist) und Voraussetzung für eine erfolgreiche Hörgeräteanpassung.
Auch Preisdiskussionen/Wertigkeit von Hörgeräten sind immer schnell da(hier auch schon...) und beim Thema Hörgeräte
äusserst beliebt.
Dazu nur ein kurzer (thematisch hier nachvollziehbarer) Vergleich:
Welchem Klavierbauer/Händler würde hier jemand vorwerfen, das er beispielsweise vom
Kawai K15 über K200 bis K800, die
flügel vom Kawai GL 10 bis zum Shigeru SK-EX alle anspielbereit im Laden stehen hat, und anbietet diese einmal in Ruhe über mehrere Stunden anzuspielen??? (Hersteller darf bei Bedarf ausgetauscht werden....)
Würde keiner, oder?
Als Hörakustiker wird man teilweise beinahe geteert und gefedert, wenn man es wagt nach 1 bis 1,5h Beratungsgespräch/Anamnese ein Hörgerät einer mittleren Leistungsklasse zu kostenfreien Ausprobe über mehrere Wochen zu überlassen um sich in Ruhe ein Bild davon im Alltag zu machen...
Und genau wie ein (breit aufgestellter) Klavierbauer hat
jeder Akustiker(Kette oder Einzelunternehmen) Hörgeräte in allen Leistungsklassen im Portfolio, so dass sich im Teamwork ein genau passendes Gerät finden lässt, das auch im Preisleistungsgefüge genau das Passende ist! Im Übrigen sind 70% des Hörerfolges Erfahrung und Fähigkeiten des Akustikers und nicht irgendein Markenname! (vergleichbar Stimmung und Intonation eines Instrumentes...)
Und das es Menschen gibt, die nur ein gutes "Kaufgefühl" haben, wenn diese verschiedene Akustiker mit unterschiedlichsten Hörgeräten über Monate vergleichen können und am Ende dann nochmal "beim Preis" das beste rausholen können, ist mir bekannt!
Man sollte dabei nur bedenken, das ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zum Akustiker vor Ort für jeden Hörgeräteträger langfristig deutlich mehr wert ist als das letzte Prozent Skonto (siehe hier auch die Fäden über Qualität und Preis von Stimmungen...) Akustiker sind auch nur Menschen, und wenn mir jemand am Ende einer schwierigen, langdauerenden aber erfolgreichen Anpassung dann mitteilt, das meine Arbeit ja eigentlich doch nur 10% weniger wert ist, und er andernfalls zum Mitbewerber geht, ist das mit dem Vertrauen so eine Sache...
Und ja, Marlenes Beispiel passt: Teurer als eine Stange Zigaretten im Monat wird auch selbst das teuerste Hörgerät nicht in der Anschaffung (über Nutzungsdauer von 6 Jahren gerechnet...) Beim Shigeru müsste die Nutzungsdauer dann etwa bei 150 Jahre liegen...
Zum Abschluss:
Hier im Forum beschränke ich mich übrigens meist auf die technischen Themen, und habe da schon einiges gelernt in den vergangenen Jahren, ich bin aber gerne bereit bei speziellen Anfragen auch persönlich über dern Briefumschlag "Unterhaltungen" mit Rat zu speziellen audiologischen Fragen auszuhelfen, insbesondere die Hörgerätemarke "Phonak" kenne ich ziemlich gut, auch beim Thema Gehörschutz für Musiker kenn ich mich aus.
Gilt auch gerne für Fragen, die eventuell hier im Thread noch fachlich unbeantwortet sind, schreibt mich dazu einfach an.
@Henry und
@Tastenscherge
das "unsaubere" Klingen von Stimmungen liegt in den meisten Fällen wohl nicht an den Hörgeräten selbst(kann aber unter Umständen, muss man im Einzelfall prüfen) sondern daran, das ab einem bestimmten Grad von Innenohr Schwerhörigkeit die Frequenzdekodierung im Hochtonbereich abnimmt (Verlust von inneren Haarsinneszellen). Durch die "Stimulanz" des Hörgerätes werden zwar die übrig gebliebenen mehr gereizt, aber dann unter Umständen halt auch die falschen... nicht schön... Mit so einem Grad des Hörverlustes ist an das Durchführen von Stimmungen per Gehör dann auch nicht mehr zu denken.
VG, Malte (Universaldilettant)