Hallo miteinander,
vielen Dank für die zahl- und hilfreichen Erklärungen, Tipps und mitgeteilten Erfahrungen zu dem von mir geschildertem Problem. Ich glaube mittlerweile, dass es wahrscheinlich eine Erfahrung ist, die jeder, das Klavierspielen ernsthaft erlernen möchte, einmal machen wird. Wichtig ist es eben, aus solch einer Erfahrung die richtigen Schlüsse zu ziehen, um zukünftig sinnvoller und zielgerichteter üben zu können. Von all den vielen Hinweisen, die ihr mir gegeben habt, werde ich mir insbesondere folgendes "hinter die Ohren" schreiben:
Solche Situationen kenne ich und vermeide sie, indem ich direkt vor der Klavierstunde nicht mehr als sonst auch übe. ... Für mich ist es furchtbar wenn ich direkt vor der Stunde noch Stellen habe die plötzlich nicht mehr gehen.
Da hast du sicher recht Chrissi, dass eine ungewohnt lange Übeaktion nur einige Stunden vor der Klavierstunde eher ungünstig ist und Fehler herausfordern kann.
Liebe Debbie digitalis,
Du hattest endlich mal 3 Stunden Zeit, Dich mit Deinen Stücken auseinanderzusetzen. Ich kenne dieses Gefühl nur zugut. Fast ist man wie im Rausch, diese Zeit für sein wichtigstes Interessen nutzen zu können. Innerlich schleicht sich aber schon ein Druck ein....
Gerhard Mantel, der Retter in der Not in "Einfach üben", Seite 50, Rezept 32: "Massierte Wiederholen einer fehlerhaften Version vermeiden! Dies prägt nicht nur die Fehler, sondern auch die Ängste unauslöschlich ein." Auch bei konzentriertem Üben wird bei zunehmender Wiederholzahl des gleichen Musters der Übegewinn pro aufgewendeter Arbeitszeit immer geringer. Schließlich flacht die ansteigende Lernkurve ganz ab und man befindet sich auf einem so genannten "Übeplateau", auf dem kein weiterer Lerngewinn stattfindet...
kulimanauke
Genauso ist es, kulimanauke! Es ist bei mir wirklich die absolute Ausnahme, dass ich mal 3 Stunden Zeit am Stück zum Klavierüben habe. Daher sollten sie auch unbedingt genutzt werden und ich habe das "Überplateau" wahrscheinlich unbewusst überschritten und mich dann schnell in absteigenden Bereich der Lernkurve begeben.
Hallo, Debbie,
das Problem ist gar keins!
Du darfst nur nicht erwarten, dass sich der Erfolg von 3 Stunden üben am selben Tag einstellt. Das nächste Mal nimmst Du frühestens am nächsten oder übernächsten Tag auf, wenn mindestens eine Mütze Schlaf dazwischen liegt.
Klavirus
Das ist wahrscheinlich ebenfalls entscheidend, Klavirus, sich zu vergegenwärtigen, dass sich der Lernerfolg einer längeren Übeeinheit nicht mehr am gleichen Tag einstellt. Leider denkt man nicht immer daran, wenn man es in Alltag und Beruf gewohnt ist, Arbeiten immer direkt und zügig abzuschließen und möglichst nichts liegen zu lassen.:mrgreen:
Das ist eine große Chance! Bloß jetzt das Stück nicht liegenlassen!...
Wenn man nicht gewohnt ist, so lange an einem Stück zu arbeiten, kann man natürlich erstmal super weiterkommen, doch irgendwann ist der "Speicher voll". Ich persönlich habe nur ein bestimmtes Kontingent an Kraft und Konzentration pro Stück und und allgemeiner Übezeig am Tag, und wenn das ausgeschöpft ist, hat es nur noch wenig Sinn, weiterzuarbeiten. Ich bin dann unkonzentriert und der Erfolg stellt sich viel langsamer und geringer ein..,..Wenn es aber soweit ist, kann es natürlich passieren, dass sich ungewohnte Fehler einschleichen. Wenn man eine Stunde lang ein Bild anstarrt, entdeckt man auch plötzlich irgendwelche komischen Sachen darauf...
Man braucht dann vor allem eines: Schlaf... Am nächsten Tag kann man dann altes auffrischen und vertiefen und darauf aufbauen.
Das würde ich dir raten - Fehler genau untersuchen, verbessern, schlafen, nochmal verbessern ;)
Stilblüte, das ist ebenfalls ein wichtiger Hinweis: Mein Lernspeicher war mit Sicherheit vor Ablauf der 3 Stunden voll und wahrscheinlich kam ich dann auch irgendwann an den Punkt wo ich "komische Sachen gesehen bzw. gehört habe". Der Hinweis auf den Schlaf und ist auch ganz wichtig; leider habe ich normalerweise nur 5 bis 6 Stunden täglich davon, vielleicht ist das auch etwas zu wenig.
Hallo Debbie!
Das von dir beschriebene Phänomen kenn` ich und hab`s zuerst auch nicht verstanden....
wenn ein Stück "technisch" sitzt, wenn die Bewegungsabläufe automatisiert sind, was durch Wiederholung gesichert wird, dann fängt ja die eigentliche Arbeit an der Musik erst an (ohne dass diese vorher ganz ausgeschlossen wäre). Durch die gelungene Automatisierung der Bewegungsabläufe scheinen also jetzt, da die Motorik selbst kaum mehr bewusste Aufmerksamkeit beansprucht, sozusagen Aufmerksamkeitsressourcen frei zu werden, die sich "plötzlich" der Musik, dem Klang, dem differenzierten Hören zuwenden können. Und dieses "neue Hören" wirft einen aus der Bahn, denn natürlich folgen aus dem Höreindruck auch Veränderungen der Spielweise, die letztlich aber nicht kompatibel mit den zig-malig wiederholten Bewegungserfahrungen sind.
Was kann Abhilfe verschaffen? Meiner Meinung nach ein zu jedem Zeitpunkt sehr bewusstes Üben, also Töne nicht nur nach Bewegungssequenzen lernen, was in massierten Wiederholungen Ausdruck findet, sondern immer auch die Flexibilität der klanglichen Gestaltung mitüben, eine konkrete Vorstellung haben, was wie klingen soll, also vor allem das gleichzeitige Nach- und Voraushören üben. ..
LG, Sesam
Diese Erfahrung mit den neu freigewordenen Aufmerksamkeitsressourcen habe habe ich auch schon gemacht, Sesam. Je differenzierter das Hören wird, um so leichter kann die bisherige Spielweise befremdlich klingen und das Spiel noch mal verunsichern. "stets gleichzeitig Nach- und Vorraushören" ist ein guter Tipp, aber ich glaube bis mir wird das noch dauern, bis das mal zur Routine wird.
D.h. man sollte jeden Aufnahme-Take ohne jegliche Erwartung oder Hoffnung, das solle jetzt "der" Take werden, spielen!
Auch wenn man schon viele Takes gemacht hat!
In Deinem Fall hast Du wahrscheinlich gedacht: So, verdammt, jetzt habe ich schon so viele Aufnahmeversuche gemacht, beim nächsten Take muß es jetzt aber klappen - ich möchte auch nochmal was anderes machen heute. Richtig? Und genau deswegen wurde der letzte Take so schlecht, nicht deswegen, weil Du "über-übt" hast oder so.
Jeden Take so spielen, als wäre es das allererste Mal. Und gute Dinge aus anderen Takes nicht "nochmal genauso" machen wollen.
Hasenbein
Hasenbein, da hast du ganz richtig vermutet. Ich hatte endlich mal Zeit und das Stück war ja auch schon einigermaßen weit gediehen und so wollte ich es nun fertigmachen und möglichst fehlerfrei aufnehmen. Aufnehmen ohne irgendeine Erwartungshaltung ist sicher sinnvoller.
Hallo Debbie digitalis,
Ich persönlich glaube, dass der einzige Fehler, den du begangen hast, der war, dass du, nachdem du akribisch und wunderbar alle Stellen etc. geübt hast, noch einmal alles durchgespielt und auch noch aufgenommen hast!
Durch das Herausgreifen einzelner Stellen hast du - vorbildlich - die Zahl der zu verarbeitenden Informationen verkleinert - du konntest dich auf bestimmte, von dir ausgewählte Elemente konzentrieren. Dabei hast du vermutlich deine Klangvorstellung und die damit verbundenen Bewegungsabläufe verbessert. Diese Dinge sind dann aber noch keineswegs automatisiert, sondern noch ganz neu und frisch! Wenn du nun anschließend das ganze Stück durchspielst und das auch noch im Tempo, zwingst du dich, diese gerade mit gewisser Mühe an einzelnen Stellen neu gewonnenen Erkenntnisse sofort abzurufen! Wie soll das gehen?! Das braucht seine Zeit! Nur weil du eine Stelle nach einiger Zeit guten Übens und nahezu ausschließlicher Konzentration auf diese Stelle spielen kannst, heißt das nicht, dass diese Stelle wenig später auch im Kontext klappt, wo du auf so viele andere Dinge achten musst und viel weniger Konzentration und Zeit auf
diese Stelle verwenden kannst! Und dann gibt es ja auch noch viele solcher Stellen! Und auch noch alle hintereinander! Kein Wunder, dass dann alles durcheinanderkommt! Im Kontext, auch noch im Tempo gespielt, kann die Realisierung von Klang und motorischen Abläufen meist erst nach einer gewissen Automatisierung klappen....
Übrigens finde ich es grundsätzlich oft kontraproduktiv, ein Stück im Tempo durchzuspielen, nachdem man erst mal akribisch bestimmte Stellen geübt hat ( vorher ist immer gut). Meist hat man doch Klänge und Bewegungsmuster verändert (grob gesagt). Im Kontext werden dann diese Stellen meist wieder mit den alten, verkehrten Mustern gespielt und dann hat man das vorher so gut Geübte wieder ver-übt. Lieber die Nacht drüber schlafen und darauf vertrauen, dass die Zeit es schon bringen wird.
Die 3 Stunden waren auf keinen Fall umsonst!!! :)
chiarina
Chiarina, das sind für mich zwei ganz wichtige neue Aspekte! Es war mir bisher nicht bekannt, dass man nach dem gewissenhaften Üben einzelner Stellen am besten nicht alles auch noch im Zusammenhang durchspielt. Ich
habe mich auch schon oft gefragt, warum dies dazu führt, die Stellen zwar einzeln genommen gut klappen, aber danach im Gesamtdurchgang dann doch wieder haken. Wahrscheinlich muss ich hier geduldiger vorgehen.
Liebe Grüße
Debbie digitalis