Beim Klavier lernen steht ein Lernen von Fertigkeiten im Vordergrund. Lernen von Fertigkeiten gibt es in den verschiedensten Bereichen.
Im schulischen Mathematikunterricht geht es darum, bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln. Dazu muss eine bestimmte Reihenfolge eingehalten werden (in den technischen Sportarten nennt man so was eine methodische Reihe).
Z. B. müssen meine Schüler erst Potenzrechenregeln lernen und einüben. Erst dann können wir an Exponentialgleichungen und Logarithmus gehen (Im Bodenturnen muss der Übende erst mit ausgestreckten Armen in der Verlängerung des Rückens in den Handstand schwingen können, bevor er überhaupt mit einem technisch zufrieden stellenden Handstützüberschlag anfangen kann usw.). Der Matheschüler kann das ganze Kapitel Exponentialfunktionen verstehen lernen und einüben und so lange bei Polynomfunktionen grottenschlecht sein.
So gibt es bei allen Fertigkeiten Sparten, die für sich eingeübt und beherrscht werden können, ohne dass die benachbarten Sparten zeitgleich beackert werden müssen.
Kann sich ein Klavierlehrer seinen privaten Lehrplan erstellen, von dem er überzeugt ist?
Was mache ich mit Kindern und kleinen Händen? Was mache ich mit den heranwachsenden jungen Leuten?
Oktaven, Doppeloktaven, Griffsicherheit bei Akkorden, kleine und große Arpeggien sind weitgehend unabhängig von Tonleitern, Terztonleitern u.ä.
Ganz ähnlich wie im Matheunterricht kann im Klavierunterricht eine gute Zeit zugebracht werden mit Oktaven und verwandten Spieltechniken (s.o.), die ein entsprechendes Stück zum Ziel haben. Empfiehlt sich vielleicht, um die herangewachsenen Kinder und Jugendlichen mit Oktavenlärm bei der Stange zu halten. (hat bei mir geholfen).
Die Suzuki-Violinschule ist nach dem Prinzip der methodischen Reihe aufgebaut. Dem bekannten a-moll Violinkonzert von Vivaldi (Op.12) gehen Musik-Stücke voraus, die dieselbe Spieltechnik zum Thema haben. Eines dieser Stücke ist dann sogar der erste Satz des Konzerts in abgekürzter Form. Spielen und spielen nach Gehör ist hier am Anfang dran, Noten lernen kommt erst später. (Wie bei der Muttersprache … wird argumentiert.)
Bei der Klavieranfängerliteratur eignen sich z.B. die Kinderstücke von Kabalewksi für so was.
Bei diesen Stücken sagt jeder Klavierlehrer: spiele die Akkord-Zerlegungen erst mal als Akkorde. Damit ist ein Schüler im Anfängerstadium überfordert.
Ich habe früher (habe mal 10 Jahre Kl.Unterricht gegeben) meinen Klavierschülern eben diese Akkorde rausgeschrieben, auf größere Notenzeilen als im Druck. Genau das Gleiche beim berühmten C-Dur Präludium von Bach. Ganz nach dem Vorbild der Suzuki-Schule, erst die Vorübungen als komplette Musikstücke, dann das Originalstück hinterher.
Fehlt in der Klavierschulenlandschaft ein Gegenstück zu der Suzuki-Schule?
Ein Klavierlehrer könnte ja so was entwickeln.
(Ein guter Mathelehrer entwirft Übungsblätter ohne Ende, wenn er merkt, dass seine Lieben noch Zusatzübungen brauchen. Auch die Lehrer anderer Fächer erarbeiten sich ihr eigenes Übungsmaterial.)
Es gibt da als Klavierlehrer-Beispiel Klaus Flashar von der Musikschule Spandau:
Kostenlose Noten - free music scores - Gratis Bladmuziek
Er hat viele Stücke für seine Schüler selbst bearbeitet. Die Schüler können die Noten herunterladen und müssen sie nicht erst besorgen oder warten, bis sie jemand besorgt hat. Mit dem Urheberrecht haben sie auch keine Probleme. Die Stücke können auch im Internet nachgehört werden. – Ein Riesenaufwand der seine Zeit gekostet hat, aber genial!
Vor Beginn der Instrumentallehrertätigkeit kann man sich ein Repertoire von Schülerliteratur zulegen und diese Stücke evtl. sogar einspielen.
Man kann Vorstellungen über die gewünschte Entwicklung von Schülern entwickeln und eine Abfolge von Schülerliteraturstücken für diese Entwicklung auflisten (Lehrplanarbeit). Wie steht es mit Vorübungen zu diesen Stücken? Gibt es andere Stücke, die auf ein Zielstück hin gut vorbereiten? Braucht es eine Bearbeitung?
Wie wäre es mit einer Streicher-Begleitung von Unterrichtsliteratur? Ein gutes Keyboard könnte diese Streicher-Begleitung liefern. – Motiviert vielleicht das eine oder andere Kind.
Man kann sich dann mit Kommilitonen oder auch Dozenten über diese Vorstellungen unterhalten und z.B. Literaturvorschläge austauschen.
Walter