Wie Bedeutsamkeit der Gehörbildung im Klavierunterricht klar machen?

Hallo miteinander,

nun mal ein post von einer Forums-Teilnehmerin, die weder zu den Klavierpädagogen, noch zu den Klavierprofis noch zu den hochambitionierten und -talentierten pianistischen Amateuren zählt.

Ich habe erst als Späteinsteiger im Erwachsenenalter angefangen, das Klavierspielen zu erlernen. Vorkenntnisse hatte ich in klassischer Gitarre als Kind (mein damaliger Lehrer verpflichtete mich und andere Gitarrenschüler regelmäßig zusammen mit den Klavierschülern der damaligen Musikschule zum Notendiktat - am Klavier wurden Töne, kleine Melodien, Akkorde vorgespielt und wir Schüler mussten es richtig notiern).

Dies nur als Randbemerkung.
Meiner Einschätzung nach ist das Klavier ein Instrument, das das Gehör seines Spielers nicht zwingend erzieht. Ein schlecht oder falsch gestimmtes Saiteninstrument würde niemand spielen (wollen). Ein Klavier ist meistens (einigermaßen) gestimmt und fordert daher das Gehör - bevor man sich überhaupt mit dem Instrument befassen kann - erst mal gar nicht heraus.
Des weiteren gibt es keine Möglichkeit, Töne falsch zu greifen und damit falsch zu spielen (d.h.: greife ich ein c, erhalte ich auch ein c).
Man kann sich daher, sofern man die richtigen Tasten trifft, hinsichtlich der Töne nicht vertun. Diese "Gehörerziehung" bieten allerdings die Saiteninstrumente. Da diese beim Klavier fehlt, sollte man sich umso mehr bemühen, auch in den Klavierunterricht Gehörbildung einzubringen.

Ich weiss um die Bedeutung der Gehörbildung aus einem a-capella-Chor.
Wie schnell passiert es, dass ein Stück, vom richtigen Ausgangston startend durch unsicheren oder rhytmisch nicht exakten Gesang am Ende einen Viertel-oder sogar einen Halbton zu tief endet! Auch hat mir meine KLin mal erzählt, dass sie für die Aufnahmeprüfung zu ihrem Musikstudium einen vierstimmigen Klaviersatz notieren musste! Das ist zumindest für all die jungen Klavierspieler von Bedeutung, die ihre berufliche Zukunft in der Musik sehen.

Ich selbst arbeite hin und wieder ganz gerne mit Üungen aus dem Buch "Gehörbildung im Selbststudium" aus dem Bärenreiter-Verlag.

Beste Grüße

Debbie digitalis
 
Klang der 4 Arten des Dreiklangs

Also Leute, wenn ein Klavierlehrer schreibt, dass er froh ist, im Unterricht früher nicht mit Gehörbildung genervt worden zu sein (mit Lachsmiley) und auch heute noch schlecht darin ist (ohne Smiley), dann darf es wohl erlaubt sein, zu antworten, dass Einsicht der beste Weg zur Besserung ist (mit Augenzwinker-Smiley geschrieben) .

Gefolgt mit der Bemerkung, dass ich mich selber ebenfalls als schlecht in Gehörbildung fühle. Nur die Konsequenz ist völlig anders: ich finde Gehörbildung sehr wichtig und brüste mich nicht, als Kind kaum Gehörbildung bekommen zu haben. Im Gegenteil, ich bedaure das, halte Gehörbildung für sehr wichtig und halte es für total daneben, wenn ein Klavierlehrer sich geradezu damit brüstet, im Klavierunterricht nicht mit Gehörbildung "genervt" worden zu sein.

Nun zurück zum Thema. Es wurde hier die Bedeutung des Dreiklangs angeschnitten. Ich finde, dass ist ebenfalls ein hervorragender Ausgangspunkt:

Nämlich den Klang der 4 Arten des Dreiklangs zu verinnerlichen: wie klingt ein verminderter Dreiklang, wie ein übermäßiger, und natürlich wie ein Moll- und Dur-Dreiklang.
Also anders geschrieben, wie hören sich die verschiedenen Kombinationen aus 2 kleinen oder großen Terzen übereinandergestapelt an.

Daran anschließen könnte sich dann der Klang der Umkehrungen der 4 Arten des Dreiklangs. Hier ist allerdings das Ende von dem erreicht, was z.B. im C-Kurs verlangt wird - dort wurden in meinem Kurs nur die Umkehrungen des Dur-Dreiklangs abgeprüft.

Außerdem könnte sich daran anschließen, dass man eine weitere Terz darüberstapelt, womit man beim 4-Klang wäre.

Meiner Einschätzung nach ist das Klavier ein Instrument, das das Gehör seines Spielers nicht zwingend erzieht. Ein schlecht oder falsch gestimmtes Saiteninstrument würde niemand spielen (wollen). Ein Klavier ist meistens (einigermaßen) gestimmt und fordert daher das Gehör - bevor man sich überhaupt mit dem Instrument befassen kann - erst mal gar nicht heraus.
Des weiteren gibt es keine Möglichkeit, Töne falsch zu greifen und damit falsch zu spielen (d.h.: greife ich ein c, erhalte ich auch ein c).
Man kann sich daher, sofern man die richtigen Tasten trifft, hinsichtlich der Töne nicht vertun. Diese "Gehörerziehung" bieten allerdings die Saiteninstrumente. Da diese beim Klavier fehlt, sollte man sich umso mehr bemühen, auch in den Klavierunterricht Gehörbildung einzubringen.

Genau das deckt sich auch mit der Aussage unseres Gehörbildungsdozenten, der meinte, dass die besten Klavierspieler bei ihm noch lange nicht gut in Gehörbildung seien, gute Sänger hingegen waren meist auch gut in Gehörbildung.

Im Umkehrschluß könnte man dann natürlich sagen, dass man auch als Gehörbildungsniete es weit auf dem Klavier bringen kann. Spätestens, wenn man Ambitionen hat, selber zu komponieren oder zu improvisieren, sieht es aber meiner Meinung nach ganz anders aus.

Weiterhin habe ich manchmal den Eindruck, dass offensichtlich jeder Klavierspieler erstmal der Meinung ist, ein toller Hecht in Gehörbildung zu sein (mit Ausnahme von Haydnspaß und mir, die die eigenen Beschränkungen darin zugegeben haben). Das schöne ist, man kann das ganz einfach objektiv testen, durch eine Person seines Vertrauens, die z.B. eben mal Intervalle und Akkorde in beliebigen Tonarten auf dem Klavier anschlägt, und man benennt diese Intervalle/Akkorde dann blind. Könnte ja sein, dass man dann schnell von seinem hohen Ross herunterkommt?
 
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Haydnspaß wohlauf; da bin ich aber froh! :D

Zum Thema (aus der Sicht des Amaterurs):

Wo ist das Problem?

Unbestritten wird der Profi um Ausbildung in "Gehörbildung " nicht herumkommen. Der Amateur kann auch ohne entsprechende Ausbildung ordentlich das Klavierspiel erlernen, wobei Ausbildung sicher nicht hinderlich ist :D, sondern eher von Vorteil. Die Methoden der Ausbildung sind vielfältig werden wohl kaum auf "einen Nenner" zu bringen sein.

Aber vielleicht sieht mein schlichtes Gehirn das ja viel zu simpel...:D
 
... will aber noch etwas Grundsätzliches beisteuern. Ich finde nämlich schon den Begriff "verwählt", wenn man von Gehörbildung spricht anstatt von allgemeiner technischer Musiklehre oder ähnlichem.

Wenn man Gehörbildung braucht, impliziert das definitionsgemäß, dass man nichts hört bzw. ein schwach funktionierendes Organ hat.
Du weiß doch, Klaviermacher, die Deutschen sind sprachlich anders geprägt. In einem Land, in dem sich Deine österreichische Berufsbezeichnung an der Landwirtschaft orientiert. Wegen des hohen Holzanteils würde ich ja sprachliche Nähe zur Forstwirtschaft noch verstehen...
Für alle, die das Klavierspiel als schönes Hobby mit viel Freude betreiben, ist jeder vermeintliche fachliche Zwang nicht nötig (niemand "muss" Akkorddiktakte etc bewältigen können, wenn das Ziel und die Freude darin besteht, mittlere Klavierstücke schön zu spielen ...).
Nun mal wieder zurück zur Ernsthaftigkeit. Wie verhalten sich die Dinge, wenn ich in ein paar Jahren "Stücke" spielen möchte, die aus meiner heutigen Sicht zur schwereren Kost gehören? Beispielsweise
  • Mussorgsky, Bilder einer Ausstellung
  • Beethoven, 6. Symphonie
  • Alle Schubert Impromptus D.899, D.935
  • Kammermusikalisches von Schubert mit Begleitung
Harmonielehre fand ich bisher furchtbar. Inwiefern überschneiden sich Harmonielehre und Gehörbildung?
 
Harmonielehre fand ich bisher furchtbar. Inwiefern überschneiden sich Harmonielehre und Gehörbildung?

Musiktheorie (Allgemeine Musiklehre, Harmonielehre, Formenlehre, Gehörbildung) wird meistens als "furchtbar" empfunden, wenn sie ohne Bezug zur musikalischen Praxis vermittelt wird.

Wie hast Du denn bisher Harmonielehre gelernt?

Selbstverständlich überschneiden sich die Theoriefächer. Für mich ist Gehörbildung, nennen wir es vielleicht besser mal "Hörausbildung" das übergeordnete "interdisziplinäre" Fach, das alle anderen unter sich vereint. Wie ich das in meinem Unterricht mache, würde ich später ausführen, wenn wirkliches Interesse besteht.
 
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Wie hast Du denn bisher Harmonielehre gelernt?
Ich hab mal hier mitgemacht: https://www.clavio.de/forum/musiktheorie-workshop/

Nach ziemlich kurzer Zeit habe ich dieses Buch nicht mehr gemocht. Die Musikbeispiele darin treffen nichtmal annähernd meinen Geschmack. Für mich sieht die Harmonielehre nach dem legitimen, aber eben doch verzweifelten Versuch aus, Regeln für Komposition aufzustellen, zumindest kamen bei mir die Ausführungen dieses Buches so an. Dort wird häufig von "verbotenen" Konstrukten geschrieben.

Das ganze erinnert mich an Versuche, fotografische Komposition in Regeln zu formulieren. Gute Fotografen handeln intuitiv, aus der Situation heraus finden sie die für ihre Bildauffassung beste kompositorische Lösung, die oft diese Regeln bricht.

Ich verstehe bisher nichts von musikalischer Komposition, aber ich könnte mir hier starke Parallelen zur Fotografie/zum Film vorstellen. Liege ich da falsch?
 
Nun mal wieder zurück zur Ernsthaftigkeit. Wie verhalten sich die Dinge, wenn ich in ein paar Jahren "Stücke" spielen möchte, die aus meiner heutigen Sicht zur schwereren Kost gehören? Beispielsweise
  • Mussorgsky, Bilder einer Ausstellung
  • Beethoven, 6. Symphonie
  • Alle Schubert Impromptus D.899, D.935
  • Kammermusikalisches von Schubert mit Begleitung
Harmonielehre fand ich bisher furchtbar. Inwiefern überschneiden sich Harmonielehre und Gehörbildung?

lieber Hans Borjes,

da Du um Ernsthaftigkeit ersuchst (und Deine Zitierweise scheint zu suggerieren, diese fehle meinen Bemerkungen zum Thema) und nach Deinen eigenen Worten in ein paar Jahren u.a. Mussorgskis Zyklus spielen können willst: da wirst Du Sorge tragen müssen, die manuellen, musikalischen und damit auch implizit musiktheoretischen Voraussetzungen für dieses große und schwierige Stück parat zu haben!

Wer Fortschritte über die Jahre hin im Klavierspiel dank guten Unterrichts macht und allmählich in "virtuose Gefilde" gelangt, der müsste normalerweise zumindest "praktisch" auch bzgl des Hörens (Gehörbildung kann man das nennen, wenn man will) und Verstehens (Harmonik, Technik, Kontext und Art der Expression) mehr und mehr Erfahrung und Kenntnis und INTERESSE angehäuft haben. Wem allerdings die harmonischen Zusammenhänge innerhalb eines Klavierstücks bzw. die Notwendigkeit, diese zu "begreifen" als "furchtbar" erscheint, der macht es sich unnötig schwieriger, als es sein müsste...

Für leichte bis mittelschwere Klaviermusik und bei einer eben "hobbymäßigen" Haltung dem Klavierspielen gegenüber (und das ist keine Kritik!!!) genügt es, wenn man Tonarten erkennen und Akkorde benennen kann (also das hier ist A-Dur und das hier ist E-Dur, hoppla was macht denn B-Dur da? usw) - für spätromantische virtuose Klaviermusik wird man um das "Begreifen" der chromatischen Harmonik nicht herumkommen. Der Grund dafür ist ein ganz einfacher: wer die eigenwillige Harmonik etwa der "Baba Yaga" begreift, der kann sich diesen Abschnitt in Zusammenhängen sinnvoller merken - wer das nicht tun mag, wird sich anstelle der Zusammenhänge eine fürchterlich große Menge an Einzelheiten merken müssen (so, als buchstabiere man einen Text beim Lesen, anstelle gleich die Wörter zu erkennen und auszusprechen!)

je höher die Ambition, umso höher der Aufwand - aber je weiter man schon ist, umso mehr KANN man schon mitbringen.

das mag sich vielleicht etwas streng und herb anhören - aber Klavierspielen oder besser gesagt Musik machen lernt sich nicht so rasch und einfach wie Fahrrad fahren. Und Musik selber ist auch nicht so "einfach", wie etwa die Regeln des Skatspiels.

Gruß, Rolf
 
Ich hab mal hier mitgemacht: https://www.clavio.de/forum/musiktheorie-workshop/

Nach ziemlich kurzer Zeit habe ich dieses Buch nicht mehr gemocht. Die Musikbeispiele darin treffen nichtmal annähernd meinen Geschmack.

Das kann ich gut nachvollziehen, hier fehlt wie schon vermutet der praktische Bezug zum Klavierspielen, es wird ein "theoretischer" Chorsatz gelehrt. Das hilft Dir nicht direkt beim Studieren Deiner Stücke.

Ich habe oft Schüler übernommen, auch Späteinsteiger, die trotz langjährigem Klavierunterricht keinerlei Ausbildung in Harmonielehre, Formenlehre usw. bekommen haben. Dem Schüler einfach ein Buch in die Hand zu drücken ist keine Lösung, wenn überhaupt kann es nur als Nachschlagewerk dienen.

Ich gehe in meinem Unterricht nur von der Praxis aus. Sicher müssen Fachbegriffe zunächst erklärt werden. Fachbegriffe müssen aber vor allem in der Praxis verwendet werden. Ich versuche aber immer dem Stand des Schülers/Studenten gerecht zu werden.

Du hast sehr schön die Fantasie d-moll von Mozart eingespielt.
Wie der "Titel" schon sagt, steht das Stück in d-moll. D. h. die Tonika ist d-moll. Eine erste kleine Harmonielehreaufgabe könnte sein: Finde alle Stellen wo die Tonika steht. In einer weiteren Lektion wird dann die Dominante durchgenommen usw. Im Unterricht rede ich mit meinen Schülern "fachchinesisch". Nach kurzer Zeit reden wir dann über Tonika, Subdominante und Dominante mit ebensolcher selbstverständlichkeit wie über "Sonnenschein" und "Biergarten".

Was hilft Dir jetzt, wenn Du weißt wo die Tonika steht?
Die Tonika erzeugt gerade in klassischen Werken (Haydn, Mozart, Beethoven) dieses Gefühl, jetzt bin ich wieder "zu Hause". Das kann man hören, spüren, das hat auch einen Einfluss auf das Spielen.

Meinen Schülern erzähle ich oft folgende kleine Anektote:
Der kleine Mozart wollte morgens nicht aufstehen. Der strenge Vater geht daraufhin ans Tasteninstrument und spielt einen Dominantseptakkord. Daraufhin springt der Bub aus dem Bett und spielt die Auflösung.

Für mich sieht die Harmonielehre nach dem legitimen, aber eben doch verzweifelten Versuch aus, Regeln für Komposition aufzustellen, zumindest kamen bei mir die Ausführungen dieses Buches so an. Dort wird häufig von "verbotenen" Konstrukten geschrieben.

Das ganze erinnert mich an Versuche, fotografische Komposition in Regeln zu formulieren. Gute Fotografen handeln intuitiv, aus der Situation heraus finden sie die für ihre Bildauffassung beste kompositorische Lösung, die oft diese Regeln bricht.

Regeln kann man nur brechen, wo Regeln vorhanden sind. Die Regeln werden aber nicht von Theoretikern aufgestellt. Viele ergeben sich aus Hörgewohnheiten, die sich mit dem Zeitgeschmack ändern, manche sind wie "Naturgesetze" z.B. die Beziehung: Dominante - Tonika. Oft haben Theoretiker "Kompositionsregeln" nachträglich formuliert um Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und die Kompositionen besser zu verstehen.

Deshalb muss man Harmonielehre anhand der Musikgeschichte untersuchen. Einen hervorragenden Beitrag dazu leistet Diether de la Motte mit seiner Harmonielehre: ... Aus einer Fülle von Musikbeispielen wird abgeleitet, was in derjeweils behandelten musikgeschichtlichen Situation die Regel war. ...

Komponisten spielen mit "Hörgewohnheiten". Der Komponist kann Hörerwartungen entsprechen oder manchmal den Hörer auch durch Brechen von Regeln in die Irre leiten, überraschen, foppen.

In der Analyse stellt sich deshalb für mich insbesondere die Frage, bleibt das Stück in der Norm, wo unterscheidet sich das Stück vom "normalen", welcher Ausdruck wird dorch das Abweichen von der Norm erreicht.

Ein schönes Beispiel ist die Sonata Facile von Mozart. Im Sonatensatz steht das erste Thema immer in der Tonika, auch in der Reprise. Was macht Mozart? Er bricht die Regel. In der Reprise bringt er das Thema in der Subdominante. Warum macht er das? Darüber kann man jetzt philosophieren.

Ich verstehe bisher nichts von musikalischer Komposition, aber ich könnte mir hier starke Parallelen zur Fotografie/zum Film vorstellen. Liege ich da falsch?

Da gibt es sicher Parallelen, eine große Sonate/Synfonie ist doch dramaturgisch aufgebaut wie ein Theaterstück oder ein Film mit Spannungsbögen, Steigerung, Höhepunkt usw.

Andras Schiff hat die c-moll Fantasie in einer Radiosendung als "Mini-Oper" bezeichnet. Auf die d-moll Fantasie trifft das mMn auch zu.
 
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Für mich ist Gehörbildung, nennen wir es vielleicht besser mal "Hörausbildung" das übergeordnete "interdisziplinäre" Fach, das alle anderen unter sich vereint. Wie ich das in meinem Unterricht mache, würde ich später ausführen, wenn wirkliches Interesse besteht.

Zumindest ich hätte Interesse daran, wie du Gehörbildung vermittelst; vielleicht gibt es da Unterschiede, je nach Altersgruppe? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Gehörbildung viel Spass macht, wenn es direkt an konkreten musikalischen Beispielen praktiziert wird. Dafür war in unserem C-Kurs leider nicht die Zeit, es wurden eben nur z.B. Akkorde, Intervalle, Cluster der Reihe nach abgefragt.

Die Frage, ob Gehörbildung das übergeordnete "interdisziplinäre" Fach ist, ist sowas wie Henne-Ei-Problem, finde ich. Weil, um einen gehörten Akkord als Sekundakkord einstufen zu können, muß man erstmal wissen, was das für eine Akkordkonstruktion ist, das es die 3. Umkehrung des Septakkords ist z.B., bevor man einen gehörten Akkord korrekt benamen kann. Wie will man einen Klang als diatonischen Cluster einordnen, wenn man nicht mal weiß, was das ist?

Das ganze erinnert mich an Versuche, fotografische Komposition in Regeln zu formulieren. Gute Fotografen handeln intuitiv, aus der Situation heraus finden sie die für ihre Bildauffassung beste kompositorische Lösung, die oft diese Regeln bricht.

Ich verstehe bisher nichts von musikalischer Komposition, aber ich könnte mir hier starke Parallelen zur Fotografie/zum Film vorstellen. Liege ich da falsch?

Gibt es nicht auch beim Fotografieren gewisse Grundregeln, die man besser erstmal wissen sollte? So wie es kompositorische Grundregeln gibt- bevor man die bricht, wie z.B. Oktav- und Quintparallelen, Regeln der Stimmführung usw., hat es sich als hilfreich erwiesen, dass man diese Regeln erstmal kennenlernt.
 
Zumindest ich hätte Interesse daran, wie du Gehörbildung vermittelst

Ich schließe mich hier ganz einfach mal an. Habe deine bisherigen Ausführungen mit brennendem Interesse gelesen, Franz, und überlege grad, das ein oder andere mal auszuprobieren. Ich gehöre nämlich - leider - auch zu der Sorte "Klavierspieler", die lapsch gesagt einfach das spielt, was da steht oder wie Heinrich Neuhaus sagte: "Das, was dabei herauskommt (oder eben auch nicht herauskommt)"
 
Gehörbildung im Klavierunterricht

Zumindest ich hätte Interesse daran, wie du Gehörbildung vermittelst; vielleicht gibt es da Unterschiede, je nach Altersgruppe? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Gehörbildung viel Spass macht, wenn es direkt an konkreten musikalischen Beispielen praktiziert wird.

Natürlich spielt die Altersgruppe eine Rolle, noch mehr aber der Stand des Schülers/Studenten.

Es wäre natürlich ein großer Aufwand, meine ganze Unterrichtsmethode hier darzustellen. Für mich wäre das durchaus interessant, meinen Lehrplan mal detailiert aufzuschreiben. Das werde ich aber heute nicht schaffen.

Ich will mal ein paar Grundprinzipin darlegen und danach auf auf ein Beispiel konkret eingehen.

Ein Bildhauer, hab leider seinen Namen vergessen, hat mir mal gesagt: "wenn ich einen Löwen mache, hau ich einfach alles weg was nicht Löwe ist, zuerst ganz grob und dann wir es immer feiner, am Ende werden nur noch Feinheiten poliert."

Der Vergleich hinkt, aber so ähnlich gehe ich bei der Hörausbildung/Formenlehre/Harmonielehre vor.
Vom "Groben" hin zum "Feinen", von einfachen, groben Strukturen hin zu feinen Details.

Schritt - Sprung - Tonwiederholung

Am Anfang lernt der Schüler nur die Unterscheidung von Schritt (Tonleiterschritte), Sprung, (alles was größer ist als ein Ganztonschritt) und Tonwiederholung.

Bei den Jüngsten muss man auch rauf und runter klar machen.

Dazu eignen sich einfache Kinderlieder. "Alle meine Entchen" besteht nur aus Tonleiterschritten. "Morgen kommt der Weihnachtsmann" beginnt sehr deutlich hörbar mit einem Sprung. "Summ, summ, summ" besteht aus Schritten und Sprüngen.

Neben dem Singen und Spielen kommt auch eine kleine Höraufgabe: "Wo ist der Sprung?" Das zu hören und zu wissen ist natürlich wichtig, wenn wir nach dem Singen und Spielen versuchen, aus dem Kopf die Noten aufzuschreiben. Bei "Alle meine Entchen" ist es leicht, es geht ja nur rauf und runter, abgesehen von ein paar Tonwiederholungen.

Die nächsten Spielstücke werden dann vor dem Vom-Blattspiel untersucht, wo sind Sprünge, Schritte, Tonwiederholungen. Manchmal, wenn nötig, lasse ich bei Sprüngen die fehlenden Tonleiterschritte mit dem Bleistift eintragen.

Zwischendrin spiele ich ein paar Töne als Hörübung: Schritt oder Sprung? Sehr junge Kinder können manchmal noch nicht erkennen wenn ich zweimal den gleichen Ton spiele, dann wird die Tonwiederholung eben bei den Höraufgaben mit dazu genommen.

Wenn das klappt, gehen wir weiter ins Detail.
Wir lernen: es gibt zwei Arten von Schritte: Halbtonschritt - Ganztonschritt

Das kann man gut an den Tasten erkennen, da wo die schwarze fehlt ist der Halbtonschritt. ... Ich will Euch nicht langweilen, es ist klar, wie das weitergeht.

Anzumerken wäre, das hörende Unterscheiden von Ganzton und Halbton kann besonders den Jüngeren Schwierigkeiten bereiten, da muss man Geduld haben, einfach dranbleiben, es wird sich entwickeln und es pressiert ja nicht, der Unterricht soll ja nicht gehörbildungslastig werden.

In ähnlicher Weise gehts weiter mit:
Terzen
kleinen, großen Terzen
Durdreiklang
Molldreiklang
Intervalle
Tonleitern (Dur, Moll)
Tonika - Subdominante - Dominante
Kadenzen
Konsonanz-Dissonanz
Dominantseptakkord
Nebenharmonien
Modulation
Chromatik
usw.

Transponieren spielt von Anfang an eine wichtige Rolle. Das klappt nur, wenn man sich die Strukturen genau anschaut. Am Anfang nehme ich natürlich nur kurze einfach Abschnitte. Manchmal nur zwei drei Töne.

Wenn der Schüler die Grundbegriffe mal beherrscht, ist es nicht mehr so wichtig, in welcher Reihenfolge der Theorie-Stoff gelernt wird. Ich bespreche einfach das, was für das aktuelle Stück wichtig, bzw hilfreich ist. Wenn der Schüler z.B mit der "enharmonischen Modulation" noch überfordert wäre, lassen wir die detailierte Analyse einfach weg. Man muss nicht immer alles analysieren. Manches kann man auch spielen und analysieren, aber vielleicht noch nicht nach Gehör aufschreiben. Man muss immer im Einzelfall entscheiden, was sinnvoll ist und berücksichtigen wie weit der Schüler gehen will.

Hier ein konkretes Beispiel:
Fast alle meiner Anfänger spielen das Menuett von Krieger. /(Russische Klavierschule Bd.1, S. 6 )
Hier eine etwas exotische Partitur: http://www.hausmusik.ch/notenregal/k/krieger/taenze/krieger-menuett/krieger-menuett.pdf

Manchmal gebe ich einen Abschnitt, (z.B. Takte 1-4, rechte Hand) zunächst als Melodiediktat.
1. Ich spiele den Abschnitt vor.
2. Der Schüler/Student singt die Melodie nach. Möglichst im Zusammenhang, nicht Note für Note.
3. Der Schüler/Student spielt die Melodie nach Gehör am Klavier nach.
4. Der Schüler/Student schreibt die Noten auf.
5. Der Schüler/Student transponiert dem Abschnitt am Klavier.

Im Rahmen dieser Arbeit wir die Struktur untersucht. Dem Schüler fällt meistens schon beim Hören auf auf, dass es im Prinzip zweimal die gleiche Tonfolge ist, beim ersten Mal in moll, beim zweiten Mal in Dur, beim zweiten Mal einen Ton tiefer. Hier kann man schön den Begriff der Sequenz einführen.

Im zweiten Abschnitt (T.6) wird die Bedeutung des Leittons in Moll besprochen (Harmonisch Moll)

Den zweiten Teil des Stückes würde ich in jetzt anders herum angehen.
Wir schauen die Noten an. Wo sind Sequenzen? Was fällt auf, wenn wir die letzen 4 Takte mit dem Ende des ersten Teils vergleichen. In welcher Beziehung stehen die beiden Schlusswendungen harmonisch? (1. Teil: Tonika 2.Teil: Tonikaparallele)

Nun versuchen wir den zweiten Teil vom Blatt zu singen, vom Blatt spielen, transponieren usw.

Was passiert nach dem zweiten Teil? Reprise: der erste Teil wird wiederholt: 3 Teilige Liedform.

Natürlich kann man auch anders herum rangehen: 1.Teil analysieren und vom Blattspielen, 2. Teil "Gehörbildung". Ich folge keinem sturen Raster. Mir ist wichtig, dass der Unterricht lebendig und abwechslungsreich bleibt.

Das Schulen der musikalischen Auffassung ist mMn sehr wichtig, deshalb ist es immer wieder gut, Melodie- Harmonie- "Diktate" einfliessen zu lassen.

Wichtig ist dabei, die Melodie oder Akkordfoge sollte im musikalischen Zusammenhang vorgespielt werden, ich diktiere nicht einzelne Noten. Die Fähigkeit größere Zusammenhänge aufzufassen und wiederzugeben wird Schritt für Schritt geschult.

Die Frage, ob Gehörbildung das übergeordnete "interdisziplinäre" Fach ist, ist sowas wie Henne-Ei-Problem, finde ich. Weil, um einen gehörten Akkord als Sekundakkord einstufen zu können, muß man erstmal wissen, was das für eine Akkordkonstruktion ist, das es die 3. Umkehrung des Septakkords ist z.B., bevor man einen gehörten Akkord korrekt benamen kann. Wie will man einen Klang als diatonischen Cluster einordnen, wenn man nicht mal weiß, was das ist?

"Henne-Ei-Problem", da kann man natürlch streiten.
Ich persönlich finde schon, dass es sinnvoll ist, den Dominantseptakkord zunächst mal als ein dissonantes Gebilde wahr zu nehmen, zu hören, das diese Dissonanz nach Auflösung strebt. Den Sekundakkord wird man dann erkennen können, wenn man hörend erfahren hat, dass die im Bass liegende Septim nach unten in die Terz der Tonika strebt. Natürlich muss man auch lernen bzw. verstehen, dass es die 3. Umkehrung des Septakkords ist.

Fazit: Völlig wurscht, was nun übergeordnet ist, ich denke die Theoriefächer sollten übergreifend, "interdisziplinär" gelehrt werden.
 
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Fazit: Völlig wurscht, was nun übergeordnet ist, ich denke die Theoriefächer sollten übergreifend, "interdisziplinär" gelehrt werden.

100% ige Zustimmung - wobei ich zu bedenken gebe, dass sich während guten Klavierunterrichts (wie Du es beschreibst) vieles davon eben automatisch, en passenet einfach ereignet und damit angeeignet wird - ohne Zwänge, "...ismen" und hochtrabende Theoriekonstrukte (die können und müssen ggf später folgen)

Gruß, Rolf
 
Franz, vielen lieben Dank für deine Darstellung, wie du bzgl. Gehörbildung vorgehst:!:

Wenn ich als Kind einen Klavierlehrer gehabt hätte, der mir im Rahmen des Klavierunterrichts im Laufe der Jahre diese Dinge so vermittelt hätte, wie du sie hier darstellst, wäre ich mit Sicherheit weiter, als ich jetzt bin. Hatte vor ein paar Jahren praktisch von Null angefangen, was Musiktheorie und Begriffe, Akkorde usw. angeht. Und das nach 13 Jahren Klavierunterricht die ganze Kind- und Jugendzeit durch.:rolleyes:

Was ich insbesondere so klasse finde, dass du die Klänge nicht anhand der Akkorde (ala "so klingt vermindert, so klingt übermäßig", wie wir es als Druckbetankung im C-Kurs vermittelt bekamen) , sondern aufbauend von Grund auf - Schritt, Sprung, usw. im Unterricht mit einbaust.

Mir fällt auch dein schönes Lehrvideo ein bzgl. "Von fremden Ländern und Menschen" - wie du den Anfangssprung, die Sexte in der Melodie, als sehnsuchtsvoll beschrieben hast. Sowas bleibt hängen, viel dauerhafter als irgendwelche theoretischen Konstrukte und der Versuch, das entsprechende akustische Pattern zu lernen. Sondern stattdessen Gehörbildung an konkreter Musik. Klasse einfach.
 
Dem Schüler einfach ein Buch in die Hand zu drücken ist keine Lösung, wenn überhaupt kann es nur als Nachschlagewerk dienen.
Das Buch hat mir ja nicht meine KL in die Hand gedrückt. Es war/ist ja Basis des Workshops hier im Forum.
Du hast sehr schön die Fantasie d-moll von Mozart eingespielt.
Wie der "Titel" schon sagt, steht das Stück in d-moll. D. h. die Tonika ist d-moll. Eine erste kleine Harmonielehreaufgabe könnte sein: Finde alle Stellen wo die Tonika steht. In einer weiteren Lektion wird dann die Dominante durchgenommen usw.
Hier ist ja schon die erste Hürde. Bei manchen Stücken steht die (Haupt-?) Tonart bereits im Namen. Wenn es nicht angegeben ist, kann man sich den Quintenzirkel nehmen (warum der so heißt, ist mir auch nicht einsichtig; ich würde ihn Tonartenkreis nennen) und nachschauen. Dort gibt es aber zwei Deutungsmöglichkeiten. Noch viel interessanter finde ich, daß meine KL an manchen Stellen in die Noten (Anna Magdalena Bach) andere Tonarten hineinschreibt und sagt: dieser Abschnitt steht jetzt in X-Dur oder y-moll. Sehr interessant. Ich hab nichtmal annähernd eine Idee, woran man das erkennen könnte, denn die Anzahl der Kreuze und Bs hat sich dort nicht verändert. Es ist auch kein lokales Kreuz oder B dazugekommen.

Noch viel weniger verstehe ich, was mir diese Erkenntnis musikalisch bringen würde. Mir scheint, diese Fakten stehen der Musik hinter den Noten nur im Weg.
Meinen Schülern erzähle ich oft folgende kleine Anektote:
Der kleine Mozart wollte morgens nicht aufstehen. Der strenge Vater geht daraufhin ans Tasteninstrument und spielt einen Dominantseptakkord. Daraufhin springt der Bub aus dem Bett und spielt die Auflösung.
;) Den kenn ich aber anders: Mozart hat gern seinen Vater, wenn der schlafen wollte, geneckt. Er hat eine Melodie bis zu einem auflösungswürdigen Akkord gespielt und dann aufgehört. Solange, bis der Vater entnervt aufstand und die Auflösung spielte.
Regeln kann man nur brechen, wo Regeln vorhanden sind. Die Regeln werden aber nicht von Theoretikern aufgestellt.
Ich behaupte mal: in der Kunst gibt es keine Regeln. Mir ist bewußt, daß diese Sicht überzogen ist. Trotzdem ist wohl ein Funken Wahrheit darin.

In der Fotografie oder Malerei gibt es Analysten, die debattieren, was das Zeug hält. Die brauchen natürlich ihre Regeln, sonst könnten sie die Werke und Stilmittel nicht "einordnen". Dann gibt es die Künstler, die reden nicht viel, die machen einfach.

Beim Anschauen von Bildern kann einem der analytische Blick ganz schön den Spaß am Bild vermiesen, finde ich. Dort sehe ich vor allem oft grobe technische Fehler und kompositorische Ungeschicklichkeiten.

Bei der Musik schaffe ich es glücklicherweise (noch), ein Stück zu hören, ohne mir über Fingersätze oder Harmonielehre Gedanken zu machen.
 
Noch viel weniger verstehe ich, was mir diese Erkenntnis musikalisch bringen würde. Mir scheint, diese Fakten stehen der Musik hinter den Noten nur im Weg.

Wenn ich mich da nochmal einmischen darf ;)

Es geht bei diesem Thema nicht mehr wirklich um Gehörbildung, sondern um Musiktheorie, genau gesagt um Harmonielehre.

Ich glaube nicht, daß die Kenntnis der harmonischen Zusammenhänge der Musik im Weg stehen :D

Also es geht mal in erster Linie darum, daß jeder Zusammenklang in einer Beziehung zu den umgebenden Akkorden und auch zu der Tonart steht, in der man sich gerade befindet. Musikalische "Regeln" oder "Gesetze" sollte man nicht dahingehend mißverstehen, daß sie willkürlich irgendetwas vorschreiben oder verbieten. Sie zeigen nur auf, wie die Kräfte in der Musik wirken.

Eine Dissonanz hat in klassischer Musik einen Drang zur Auflösung - so lange sie erklingt, wird sie an dieser Auflösung gehindert. Wie sich die Dissonanz auflösen möchte, sollte man schon wissen. Als Komponist sowieso, aber auch als Musiker. Daß sich durchaus nicht jede Auflösung auch so auflöst, wie sie es möchte, macht ja gerade das Interessante an der Musik aus. Andernfalls wäre es eine sehr vorhersehbare und langweilige Angelegenheit.

Zum Quintenzirkel:

der heißt einfach so, weil die nächstverwandten Tonarten in einem Quintabstand zueinander stehen. Die Bezeichnung Tonartenkreis ist ebenso zutreffend. Wobei es nur das Problem der enharmonischen Umdeutung gibt. Im Grunde ist es nämlich kein Kreis, sondern eine Spirale.
 
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Gut. Das gäbe ja fast ein neues Thema: Wie nimmt jemand Musik wahr, der das alles nicht weiß, im "Gegensatz" zu den musiktheoretisch "Ge/Verbildeten"?:D
 
@ Rolf und Mindenblues:
Vielen Dank für Lob und Zustimmung.

Hier ist ja schon die erste Hürde. Bei manchen Stücken steht die (Haupt-?) Tonart bereits im Namen. Wenn es nicht angegeben ist, kann man sich den Quintenzirkel nehmen (warum der so heißt, ist mir auch nicht einsichtig; ich würde ihn Tonartenkreis nennen) und nachschauen. Dort gibt es aber zwei Deutungsmöglichkeiten. Noch viel interessanter finde ich, daß meine KL an manchen Stellen in die Noten (Anna Magdalena Bach) andere Tonarten hineinschreibt und sagt: dieser Abschnitt steht jetzt in X-Dur oder y-moll. Sehr interessant. Ich hab nichtmal annähernd eine Idee, woran man das erkennen könnte, denn die Anzahl der Kreuze und Bs hat sich dort nicht verändert. Es ist auch kein lokales Kreuz oder B dazugekommen.

Das sind Fragen, die Du dringend mit Deiner KL klären solltest, (wenn es Dich wirklich interessiert). Oder schau mal hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Quintenzirkel

Noch viel weniger verstehe ich, was mir diese Erkenntnis musikalisch bringen würde. Mir scheint, diese Fakten stehen der Musik hinter den Noten nur im Weg.

Rolf hat es doch schön erklärt:
Der Grund dafür ist ein ganz einfacher: wer die eigenwillige Harmonik etwa der "Baba Yaga" begreift, der kann sich diesen Abschnitt in Zusammenhängen sinnvoller merken - wer das nicht tun mag, wird sich anstelle der Zusammenhänge eine fürchterlich große Menge an Einzelheiten merken müssen (so, als buchstabiere man einen Text beim Lesen, anstelle gleich die Wörter zu erkennen und auszusprechen!)

Ich behaupte mal: Auch wesentlich einfachere Stücke lassen sich besser, effizienter und nachhaltiger lernen, wenn man die harmonischen und formalen Zusammenhänge, die Grammatik der Sprache Musik versteht.

Aber es liegt mir fern, hier für Musiktheorie zu "missionieren". Ich sehe diese als nützliches Werkzeug, das ich benutzen kann oder eben nicht.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Gut. Das gäbe ja fast ein neues Thema: Wie nimmt jemand Musik wahr, der das alles nicht weiß, im "Gegensatz" zu den musiktheoretisch "Ge/Verbildeten"?:D

Das Witzige dabei ist: zum Wahrnehmen der Musik braucht man die musiktheoretischen Kenntnisse überhaupt nicht. Wenn die Musik gut gespielt ist, wenn also der Interpret die in der Musik enthaltenen Wirkungen plastisch herausarbeitet, dann ist die Wirkung unmittelbar.

Es gibt jetzt auch die Möglichkeit, eine gute Interpretation anzuhören und sie daraufhin zu imitieren. Auch das geht ohne Musiktheorie.

Aber wie man vom reinen Notentext zu einer verständlichen Interpretation kommt, insbesondere wenn der Notentext keine detailierten Vortragsanweisungen enthält, das ist eben das "Problem". Dafür braucht man die theoretischen Kenntnisse eben doch.
 
Dass man musikth. Kenntnisse zum Wahrnehmen nicht benötigt---klar! Nützlichkeit theoretischer Kenntnisse für die Interpretation--- unbestritten !

Doch hört der theoretisch Ge-/"VER"bildete die Musik anders?? (Wahrscheinlich aber eine dumme Frage, denn man kann sie "objektiv" wohl kaum vernünftig beantworten...;)
 
Das Witzige dabei ist: zum Wahrnehmen der Musik braucht man die musiktheoretischen Kenntnisse überhaupt nicht. Wenn die Musik gut gespielt ist, wenn also der Interpret die in der Musik enthaltenen Wirkungen plastisch herausarbeitet, dann ist die Wirkung unmittelbar.
Das ist mir letztens auch klar geworden, als ich mit meiner KL über eine Stelle diskutierte, die ich gerne anders spielen wollte als sie vorschlug. Ihre Antwort: "Egal wie man es macht, es muss logisch klingen" :)

Wenn man z.B. zu einem Höhepunkt hinarbeitet, darf man nicht übertreiben mit den Crescendi etc, weil man sonst etwas verspricht, was dann gar nicht kommt. (Natürlich kann das auch als Stilmittel vom Komponisten vorgeschrieben sein)

lg marcus
 

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