Die Beobachtung, die Fisherman gemacht hat bzgl. Alter/Reife und Liebe zur Musik von Bach, trifft zumindest bei mir voll zu.
Obwohl ich als Kind zu Hause ständig mit Schallplattenmusik der Herren Händel, Bach und Mozart beschallt wurde und als Kind und Jugendlicher auch ein paar 2- und 3stimmige Inventionen später auch ein paar Präl.und Fugen aus dem WTK im Klavierunterricht eingetrichtert bekam, hatte ich zu der Zeit keine besondere Zuneigung zur Musik Bachs gehabt.
Aber so peut a peut hat sich das geändert und keine 30 Jährchen später ist es so, dass ich praktisch ausnahmslos nur noch Bach auf der Orgel spiele (und ca. 2 Stunden dafür täglich übe), teilweise auch auf dem Klavier (nehme gerne ein oder zwei P&Fs aus dem WTK1 zum Einspielen, ansonsten liegen die Vorlieben bei Chopin).
An Bach fasziniert mich vor allem die Polyphonie, das konsequente Prinzip der Führung mehrerer gleichzeitiger Stimmen, in Verbindung mit reichhaltiger Harmonik. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Übung und Gewöhnung und damit gewonnener Hörschulung, um zunehmenden Gefallen am Durchhören mehrerer gleichzeitiger Stimmen zu finden, vor allem natürlich beim selber musizieren. Wenn das zusammenkommt mit Melodielinien in allen Stimmen, die so wunderbar scheinbar zwanglos ineinanderfließen und immerwährende neue Harmonien ergeben, grenzt das für mich nahezu an ein Weltwunder. Insbesondere die Orgelfugen finde ich so dermaßen überwältigend, dass ich mich regelrecht bremsen muß, ein neues großes Orgelstück von Bach in Angriff zu nehmen (damit ich am besten noch ein oder 2 Jahrzehntchen das wunderbare Gefühl erhalten kann bzgl. Erarbeitung einer neuen Orgelfuge...).
Ich wette auch, wer z.B. einmal die Matthäuspassion live erlebt hat (am besten mit musiziert hat, z.B. mitgesungen), und den Eindruck zweier Orchester und zweier Chöre mit Solisten, wird diese Wucht einerseits und die Eindringlichkeit (z.B. der "Oh Haupt voll Blut und Wunden"-Choräle) sein Leben lang nicht vergessen können, egal wie man vorher zu Bach stand.
Bzgl. der Diskussion hier über die Präambel, die Bach seinen Inventionen vorneweg gesetzt hat, sehe ich den Schwerpunkt bzgl. "kantabler Spielweise". Weil es leider nur wenige Zeitzeugendokumente gibt und Dokumente von Bach selbst noch viel, viel rarer sind, die Auskunft bzgl. seiner eigenen Spielweise geben.
Was mich allerdings hier interessieren würde, wie man denn damals gesungen hat, bzw. welches Sangesideal Bach vorschwebte, was also genau "kantabel" ausdrückt. Man kann z.B. mit oder ohne Vibrato singen, mit oder ohne Rubato usw., Sangesbögen können viele Formen haben etc...