Viel hinzuzufügen gibt es für mich nun auch nicht. Es sind in meinen Ohren eben auch die beiden Aspekte, eben die Ungewohntheit im Vergleich mit heutiger Musik und der technisch-geistig-manuelle Aspekt.
Der Grund, warum insbesondere romantische Musik so beliebt ist, sehe ich auch darin, dass die moderne Popmusik in mancher Hinsicht in der Tradition der Romantik steht, vielleicht kann man auch sagen, man hat es hier mit einer gewissen Art der Neoromantik zu tun. Natürlich auf einer ganz anderen Art, Weise und Ebene als jetzt zum Beispiel Stravinskys Neoklassizismus, aber der starke Fokus auf die Melodik, der Hang zum Überschwänglichen, Dramatischen, Eingängigen und Pompösen, den hat man aus der Romantik genommen, die natürlich ihrerseits noch viel vielfältiger ist und ganz andere Farcetten haben kann, keine Frage.
Und dagegen wirkt Bach verständlicherweise bei vielen einfach öde. Mir geht es so, dass ich bei einem unbekannten Bachstück im Konzert nach einigen Minuten den Anfang nicht mehr weiß, da es alles so gleichförmig und ähnlich klingt, einen richtigen Zugang kann ich zu Bach auch (noch) nicht finden. Aber, ohne jetzt die nötige Erfahrung zu haben, ich glaube, dass es bei Bach bei mir ähnlich wie bei neuer Musik der Art Cage oder Stockhausen ist. Natürlich gibt es viele Ausnahmen, aber viele Stücke, die ich im Konzert höre, versteh ich nicht, ich sehe auf den ersten Blick keine Zusammenhänge, erkenne die seriellen, aleatorischen oder wie auch immer geformten Strukturen nicht, und das Stück wirkt für mich teils sogar willkürlich. Ganz anders ist es allerdings, wenn ich sowas selber spiele, das ist unglaublich interessant, sich da durchzuarbeiten und wenn man so ein Stück verstanden hat, macht es total viel Spaß es zu spielen und oft versteh ich dann gar nicht, wieso andere damit nichts anfangen können, obwohl es mir selber so erging. Und bei Bach vermute ich (darüber hinaus bräuchte ich einfach mehr Erfahrungswerte), dass es ähnlich ist, eine 5-stimmige Fuge ist nun mal unglaublich komplex und wenn man mit polyphoner Musik nichts am Hut hat, wird man vom reinen Hören meistens wohl nicht schlauer.
Und technisch...ist es halt unglaublich fordernd. Ein großer Unterschied zwischen Bach (aber auch Beethoven) und der meisten romantischen Literatur besteht darin, dass man es sich in der Romantik mehr erlauben kann, in gewissen Arten unsauber zu spielen, ohne dass das Ergebnis all zu schlecht klingt. Es versinkt oft alles ein wenig im Halb- bis Ganzpedal und viele Läufe sind oft entweder recht langsam oder sehr schnell, wo man dann Unsauberkeiten weniger wahrnimmt als bei dem "typischen" Bach-Tempo, was irgendwo dazwischen liegt. Das ist zwar immer noch schnell, aber noch gerade so langsam, dass man unglaublich akkurat spielen muss, wenn man es gut haben will, weil man eben alles hört.
Was man mal ausprobieren kann, falls man ein Digi besitzt: Eine schnelle rechte Hand eines romantischen Stücks aufnehmen, und dann (was moderne Digis ja können) per Knopfdruck im extremen langsamen Tempo abspielen. Da merkt man erst, wie das alles holpert und unsauber gespielt ist, aber es schadet dem Stück nicht unbedingt...bei Bach hingegen schon.
Alles Liebe