Werktreue

...ich frage mich gerade, wer dich mit vorgehaltenem Revolver zwingt, diesen Unsinn zu schreiben --- oder tust du das etwa freiwillig??? :-D:-D:-D
IHR seid das... nur ihr... :-D:-D:-D:-D

Aber, ich denke, mir ist eine Sache endgültig klargeworden: Theoretisieren über Dinge wie Werktreue, Leistung verschiedenartiger Interpretationen usw., all das ist zur Ergebnislosigkeit verdammt...

Warum? Weil es um Musik geht. Eine Diskussion darüber ist genau so indeterministisch wie eine Diskussion über den Begriff "Gott" (die gerade, mal wieder, woanders geführt wird. Der Unterschied: beim Begriff "Gott" könnte eigentlich jedem klar sein, worauf die Diskussion hinausläuft, und wie sie endet).

Mit Musik kann man nur wenige Dinge tun: sie produzieren, und sie konsumieren, und: ihre Wirkung auf einen selber zu beobachten bzw. zu ergründen versuchen.

Bei all diesen Dingen kann man sich individuell und nach Belieben mal mehr, oder mal weniger Mühe geben.

Und das war's, schrumm-aus... gut und geschickt gemachte Musik (eben: "schöne") wird Aufmerksamkeit erregen oder in die Geschichte eingehen, die andere wird auf kurz oder lang wieder vergehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
mal eine provokante "These":
Werktreue ist für alle diejenigen, die es nicht wie notiert hinkriegen, ein Reizwort

Man sollte für das, was man spielt, oder spielen will, die notwendige Technik besitzen, oder sich erarbeiten (können). Nur, auch da steckt das Teufelchen wieder im Wörtchen "notwendige".

Denn "notwendig" ist diejenige Technik, die ich brauche, um (schöne) Musik zu machen.

Oder wie hat Liszt es gemeint, als er sagte:

...?
 
Mensch, man begibt sich doch nicht unter die Diktatur des Notentextes, wenn man anfängt, ein Klavierstück zu spielen. Noten sind ein Mittel der Kommunikation. Wie ist es denn im Theater? Dort scheint der Werktreue absolut genüge getan, wenn die Schauspieler wenigstens den Text Wort für Wort wiedergeben. Was die szenische Umsetzung anbelangt – das steht auf einem anderen Blatt. Und die „Regieanweisungen“ sind ja oft recht spärlich, vor allem in den klassischen Dramen. Ich denke, man darf sich ähnliche Freiheiten bei der Umsetzung des Notentextes in Musik nehmen. Und doch halten sich die meisten Pianisten fast sklavisch an den Notentext, so dass es mir oft unbegreiflich ist, dass manche Interpretationen von den Kritikern in den Himmel gehoben werden, andere verissen. (Das haben wir ja schon in einem anderen Thread diskutiert.) Wirkliche Freiheiten nimmt sich ja kaum ein Pianist. (Zwei der wenigen, die den Mut haben Klavierstücke (gelegentlich) völlig anders als andere interpretieren, sind Ivo Pogorelich und Tzimon Barto.)

Aber es scheint mir noch ein anderes „Missverständnis“ in diesem Thread aufzutauchen: wenn jemand aus technischem Unvermögen her dem Notentext nicht treu ist, ist das was ganz anderes, als wenn ein Spieler, der ein Werk technisch „vollkommen“ beherrscht, sich Freiheiten in der Gestaltung lässt. (Schließlich kann ich ja auch nicht Molière spielen, wenn ich nur gebrochen französisch kann.) Ich glaube nicht, dass es eine Idealinterpretation für jedes Klavierstück gibt.
 
Aber, ich denke, mir ist eine Sache endgültig klargeworden: Theoretisieren über Dinge wie Werktreue, Leistung verschiedenartiger Interpretationen usw., all das ist ganz, ganz wichtig!
Warum? Weil es um Musik geht. Indem man sich mit dem Urtext des Komponisten beschäftigt und auseinandersetzt, indem man das Wissen über die Aufführungspraxis und die eigenen Vorstellungen und Ideen dazu in Beziehung setzt, gewinnt man Erkenntnis über Musik und der Erkenntnisgewinn war schon immer eines meiner vorrangigen Ziele. Unter anderem deshalb habe ich mich ja hier im Forum angemeldet.

Lieber Dreiklang,

ich freue mich sehr, solche Worte, besonders die (von mir) fett gedruckten, zu lesen!!! Auch wenn ich dir zustimme, dass Werktreue wirklich völlig überbewertet wird!

Liebe Grüße :bye: :herz:

chiarina
 
aber wenn wir bestimmte Dinge eben erkennen (wie dieses oder jenes musikalisch eben einfach schöner klingt, wenn man es anders macht, als notiert), dann müssen wir schon das tun, was die Musik einfach verlangt.
Du drehst mir ja nicht nur die Worte, sondern gleich auch die Zähne und die Zunge im Mund um... :-D

Aber lieber Dreiklang,

weißt du, ich fand es einfach schöner so! *unschuldig guck*

:love: :schweigen: :-)

Liebe Grüße

chiarina
 
Hm, aber ich glaube, in einer Sache sind wir uns alle einig: es ist schon lohnenswert, sich mal verschiedene Interpretationen zu Gemüt zu führen. Wenn jemand z.B., der am Anfang seines Weges in die Klaviermusik steht, Horowitz' Träumerei mit der eines durchschnittlichen Klavierschülers vergleicht, so kann er eben schon einiges darüber lernen, über gutes Klavierspiel, gute Klaviermusik etc.

Stimmt schon, oder? Durch den Vergleich gut-schlecht, hochwertig-durchschnittlich, lernt man entsprechende Sachverhalte (besser) einzuschätzen.
 
Und was tun wir, wenn der Komponist gar nicht beabsichtigt hat, dass eine Stelle "schön" klingt? In Beethovens op. 109 gibt es (im 2. Adagio-Einschub des 1. Satzes) beispielsweise ein C-Dur-Arpeggio, welches eine auskomponierte Banalität ist. Das zu "verschönern" würde die Wirkung dieses Arpeggios vollkommen zerstören, und vor allem den Weg, den Beethoven anschließend erfindet, um dieser Banalität zu entkommen.
man muß natürlich immer wissen, was man macht.
Du sprichst sehr oft davon, dass Musik immer schön sein muss. Das ist ein großes Missverständnis. Das Leben ist auch nicht immer schön - manchmal ist es langweilig, manchmal banaler Alltag, manchmal lässt es einen verzweifeln, manchmal ist es auch brutal und gewalttätig. All diese Facetten - und noch viel mehr - kann Musik zum Ausdruck bringen. Aber ganz sicher nicht allein durch oberflächliche Schönheit.
Wenn Musik nicht schön ist, wird sie vergessen (werden). Und Schönheit ist weder eindimensional noch oberflächlich, in keiner Kunstform.
Nein? Große Pianisten können Dimensionen eines Kunstwerks aufzeigen, von denen du vorher nicht mal ahntest, dass sie darin verborgen sind. Den Notentext müssen sie dazu allerdings nicht abändern.
Mir kommt es immer so vor, als sei dies eine Ausrede für "nicht jeder Pianist kann halt ein Horowitz (oder Lang Lang) sein".
Tja, wenn das für dich so einfach ist ... Ich muss manchmal monatelang darüber nachdenken, warum eine Stelle jetzt so komponiert wurde und nicht anders. Manchmal bekomme ich dann eine Idee davon, manchmal bleibt aber auch einiges rätselhaft. Eine große Sonate so zu verstehen, dass letztlich keine Fragen offen bleiben, kann meiner Meinung nach nur fantasielosen Menschen gelingen.
Es hat wenig mit Phantasie zu tun (die ich übrigens durchaus besitze), ein Werk einfach gut und musikalisch fehlerlos zu spielen. Phantasie und Erfahrung kommen aber ins Spiel, wenn man Aufnahmen beurteilt: nämlich wie (und was) muß und kann man ggf. besser machen, als es dort gemacht wurde.
Nein! Eine tolle Komposition bleibt eine tolle Komposition, auch wenn sie nicht perfekt wiedergegeben wird.
Sicher - daß 2 mal 2 vier ist, wußte ich auch schon ;-)
Perfektion kann es ohnehin nicht geben. "Perfekt" bedeuted "vollendet" - eine Interpretation kann aber immer nur eine subjektive Sicht auf ein Musikwerk sein. Und demzufolge auch niemals alle Aspekte einer Komposition ausleuchten.
Es genügt, eine Komposition einfach blendend in Musik umzusetzen - damit wäre der Sache schon genüge getan.
Und mit allzuviel "Subjektivität" wäre ich sehr vorsichtig: eine Komposition sagt nämlich schon selber aus, was sie ist, und was sie darstellen will. Das muß man erspüren (können) - und dem muß man sich dann unterordnen. Und bisweilen sagen die Töne selbst etwas anderes, als der Komponist hinschrieb, etwa bei Tempoangaben. Dann heißt es: in dubio pro Musica.
Man kann vielleicht (aber auch das bezweifle ich) technisch perfekt spielen.
Tipp: gewisse Sachen von Lang Lang hören ;-)
Nur ist das alleine überhaupt nichts wert. Ohne sehr gute Technik geht es allerdings auch nicht, dass ist klar. Ich kann noch so eine gute Idee von einem Stück haben - wenn ich nicht in der Lage bin, das in Klang umzusetzen, nützt es nichts.
sehr richtig (Eulen nach Athen tragend ;-)). Allerdings fehlt(e) es den Pianisten in aller Regel nicht so sehr an der Technik - sondern wenn, dann eher am musikalischen Verständnis.
 
Wenn Musik nicht schön ist, wird sie vergessen (werden).
nein nein nein!!!

(es ist schwer, freundlich zu bleiben)
erst mal ein Exempel: Chopin, Prelude op.28 Nr.2 a-Moll (anhören, selber spielen (ist leicht), nachdenken)

dann bissel recherchieren: "schwarze Romantik", "Ästhetik des Häßlichen, des Bösen"

und dann nicht mehr sowas unreflektiert hinschreiben!
 

erst mal ein Exempel: Chopin, Prelude op.28 Nr.2 a-Moll (anhören, selber spielen (ist leicht), nachdenken)
ich sehe nichts schlimmes, abstoßendes, an dem Prelude, insbesondere, wenn Sokolov es wie hier spielt.

Ich sehe "Schönheit" keineswegs so, als ob ein Musikstück stets in fröhlichem, sonnenscheinigen Dur geschrieben sein, und sich stets entsprechend anhören müßte. Wieso auch...

Es ist vermutlich einfacher, zu sagen, was nicht schön ist, als, was schön ist.

Nicht schön in der Musik (auch Kunst) sind z.B.: grobe Fehler. Wenn man z.B. den ersten Satz von Beethovens Op. 27 Nr. 2 "Mondschein" in Presto agitato, und den dritten in Adagio sostenuto spielen würde, also umgekehrt wie notiert. Ich glaube, unser aller Musikgefühl sagt uns, daß das so nicht paßt: Beethoven hat völlig richtig notiert.

Des weiteren, ist "nicht schön", wenn man nicht über die angemessenen technischen Mittel verfügt, am Beispiel vom Op.27 Nr. 2: wenn man im dritten Satz viele Noten nicht trifft.

Und ich würde sagen, die beiden von mir genannten Beispiele fielen dann in die Kategorie "häßlich", also dem Gegenteil von "schön".

Vielleicht ist das schon alles, was man über "Schönheit" von Musik sagen kann. Der Rest muß wohl durch Erfahrung mit Musik, mit ihrer Ästhetik, ihren Mechanismen, ihren Möglichkeiten, entschieden werden.

Und keinesfalls möchte ich ausschließen, daß z.B. auch dodekaphonische Werke nicht auch schön sein, bzw. schön gespielt werden, könnten. Auch die "schwarze Romantik" lehne ich keineswegs ab.

Ist Salome "schön"? Oder gar Elektra? Ganz sicher nicht. Trotzdem werden diese Opern auf der ganzen Welt gespielt. Wie erklärst du dir das?

Ich kenne beide Opern nicht näher, und was eben auch immer wichtig ist: man muß auch eine konkrete Interpretation betrachten. Man kann sowohl eine erstklassige Oper so miserabel aufführen, daß sie wohl "häßlich" erscheinen wird, als auch, eine durchschnittliche so aufführen, daß sie "schön" wird.

An der konkreten Umsetzung, der Interpretation, hängt sehr viel.
 
wie neckisch... du findest Robert Stolz ganz gefällig... ...das wäre dann eventuell die Ästhetik des Kitschs (falls es sowas gibt) ;-):-D
Vielleicht ist es "schöner Kitsch"...? :konfus::-D Klingt in meinen Ohren ein bisschen wie "Klassik als Gebrauchsmusik". Würde gut in ein Kaufhaus passen: als Ersatz für das sonst dort übliche Musikgeplätscher vielleicht durchaus geeignet.
 
entre nous: die Interpretation eines Musikstücks entscheidet nicht, ob es sich um ein "schönes" Werk handelt (darüber mal nachdenken)

ansonsten erweiterst du deinen Gebrauch des Adjektivs "schön" nun derart, dass da fast alles (außer einem atomaren Angriffskrieg) darunter subsummiert werden kann....

lies mal aus Infogründen, was Heine über den letzten Satz der Berliozsinfonie geschrieben hatte - überleg einfach mal, ob ein abgrundtief tragisches Musikstück wie der Letzte Satz von Tschaikowskis Pathetique mit "schön" zureichend charakterisiert ist (ist depressive Tragik "schön" oder schrecklich?)
 
entre nous: die Interpretation eines Musikstücks entscheidet nicht, ob es sich um ein "schönes" Werk handelt (darüber mal nachdenken)
ich stimme natürlich zu. Aber die Interpretation entscheidet, ob ich letztlich schöne Musik, oder nicht, vor mir habe.
ansonsten erweiterst du deinen Gebrauch des Adjektivs "schön" nun derart, dass da fast alles (außer einem atomaren Angriffskrieg) darunter subsummiert werden kann....
Ich sehe kaum eine andere Möglichkeit. "Schön" ist für mich das Synonym zu "hörenswert", "künstlerisch wert- bzw. anspruchsvoll". Im Gegensatz zu dem vielen anderen, das es so gibt.
lies mal aus Infogründen, was Heine über den letzten Satz der Berliozsinfonie geschrieben hatte - überleg einfach mal, ob ein abgrundtief tragisches Musikstück wie der Letzte Satz von Tschaikowskis Pathetique mit "schön" zureichend charakterisiert ist
Sicher findet man auch noch weitergehende, treffende, ausführlichere Beschreibungen, die das Werk genauer umreissen.
(ist depressive Tragik "schön" oder schrecklich?)
Gut, und genial, tief, dargestellte Tragik ist für mich eindeutig: "schön". Möchtegern-Tragik, oberflächliche Effekthascherei usw. usf. dagegen aber nicht.
 
"Schön" ist für mich das Synonym zu "hörenswert", "künstlerisch wert- bzw. anspruchsvoll".

Gut, und genial, tief, dargestellte Tragik ist für mich eindeutig: "schön".
ah ja --- und woher soll man wissen, was du so alles unter "schön" verstehst? (du nimmst doch nicht etwa an, dass dein privater (und etwas beliebiger) Wortgebrauch allgemein verbindlich ist?...)

irgendwie erinnert mich das an Hüsch:
"jetzt lass´ ihn doch Saladette sagen, wenn er Sinfonie meint" ;-)
 
Hallo,

ich sag es mal so: halten sich denn auch alle Dirigenten (auch unser!!!) immer an die Werktreue ?

Bei manchen Stücken sind Dirigenten wie Bernstein und Co warscheinlich nicht immer treu geblieben. (leider fällt mir das Stück von Bernstein nicht ein wo er es auch nicht Werkstreu gelassen hat). Warum sollte man nicht ein Stück nach seinem empfinden spielen dürfen ? Manches kann man übertreiben oder auch untertreiben. Man kann natürlich alles werkstreu machen , aber ob das immer so richtig ist, ich weis nicht.

Mein Motto ist ja eigentlich immer: Man darf alles ! :-D

das passt jetzt zwar vllt. nicht so ganz, aber was ich damit sagen will ist, jeder soll seine "eigene künstlerische Freiheit" haben und soll sie auch zeigen dürfen. Klar gibt es Leute die sich dann darüber auslassen, das etwas nicht "so" oder "so" gespielt worden ist. Na und ? Wenn sie es für falsch halten und meinen das man das dann schlecht machen müssen Bitte, sollen sie doch. Aber wer sagt denn das es den Zuhörern auch gefällt, wenn es immer zu 100% Werksgetreu gespielt wird. Oft sind auch kleine Veränderungen gerade das "Salz in der Suppe". Ich finde die Veränderungen sollten aber auch nicht übertrieben werden.;-)

Gruss trombonella
 

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