Was sind musikalische Erlebnisse wert?

Ihr habt die 1100 Mäuse ja vermutlich fair unter Euch aufgeteilt, insofern war im Ergebnis alles OK; aber ich hoffe, Ihr habt die Veranstalter darauf hingewiesen, dass solch eine Gagenaufteilung eine absolute Frechheit ist?

In dem Fall war das egal - die Gesamtsumme hat ja gepasst und wir werfen unsere Einnahmen ohnehin zusammen, weil wir in den USA nur ein Konto haben. Der Veranstalter ist auch kein richtiger Veranstalter, sondern ein sehr netter Musikfan, der es bestimmt nicht böse gemeint - er weiß es einfach nicht besser. Er lädt regelmäßig zu Hauskonzerten ein und lässt sich das auch immer einiges kosten - neben den Musikern engagiert er nämlich auch einen tollen Koch, der dann für alle Gäste (ca. 80 immerhin) ein mehrgängiges Essen zubereitet. Insofern: alles bestens! Wir würden da jederzeit wieder spielen, egal, wie die Gage aufgeteilt ist.
 
Klar, man beißt nicht die Hand, die einen füttert etc. pp. - aber trotzdem fühlt es sich doch falsch an, dem Herrn nicht mal zu stecken, dass ein Pianist nicht nur 1/10 einer Sängerin wert ist.
 
Eine kuriose Sache ist uns kürzlich passiert. Meine Freundin wurde zu einem Hauskonzert eingeladen, sie hatte dort im Frühjahr schon mal gespielt - ein reines Soloprogramm. Damals wurde sie ziemlich großzügig bezahlt, deshalb wurde in gutem Glauben keine Gage vereinbart. Irgendwie würde es schon passen, dachten wir. Nach dem Konzert bekam jeder von uns einen Umschlag. In dem einen waren $1.000 ("With heartfelt thanks to the great soloist") und in dem anderen $100 ("Thank you very much for your sensitive piano accompaniment"). So viel zum Thema gender pay gap! :lol:

Unwissenheit des Gastgebers schützt natürlich vor Strafe (Aufklärung über Unangemessenheit) nicht. Aber vielleicht war das auch ein bisschen ein Kommunikationsproblem: ich musste deinen Beitrag zweimal lesenum zu kapieren, dass du und deine Freundin zusammen aufgeführt habt, weil du zunächst schreibst, dass SIE eingeladen wurde und nicht ihr beide und anschließend von reinem Solo—Programm sprichst. Auf Ihre Einladung hätte sie darauf hinweisen können, dass sie nicht Solo sondern ihr beide als Ensemble eingeladen werden könnt; dann hätte es einen fetten Umschlag oder zwei gleichwertig gefüllte Umschläge gegeben. Und dann hätte die Gastgeber und vielleicht auch andere dem Klavierpart die angemessene Aufmerksamkeit zugewendet und nicht nur als sensiblen Begleiter wahrgenommen, wie ich es entsprechend der Anmerkung zur Gage interpretiere.

Zum Begriff reines Soloprogramm: das liegt natürlich an meiner mangelnden Fachkenntnis im klassischen Bereich, aber in anderen Musikbereichen habe ich den Begriff so kennengelernt, dass man da alleine auf der Bühne ist, wie es bei Bachs Cellosuiten z. B. auch der Fall ist.
 
Denn wenn ich jemanden beauftrage und der bringt Assistenten mit, muss der die Assistenten selbst bezahlen, wenn es nicht anders vereinbart ist. Sogesehen könnte der Gastgeber den Briefumschlag an Mick auch als großzügiges Trinkgeld betrachtet habe. Ich versuche nur die Perspektive des Gastgebers zu verstehen und möchte damit nicht ausdrücken, dass ich das so richtig finde, wie er es gehandhabt hat, aber ich schließe ein Kommunikationsproblem wie gesagt nicht aus.
 
@mick Wenn du zu den Gastgebern so ein gutes Verhältnis hast, würde ich es irgendwie mal geschickt anstellen, sie nach ihrer Ideensfindung zu fragen. Wenn man einen Koch für 80 Gäste engagiert, kann es am Geld wahrlich nicht mangeln. Ganz ehrlich die Frage: Wie kommen sie darauf, dass die Geigerin 10 mal mehr Arbeit hat oder aus anderen Gründen 10 mal mehr verdient, als die (vermeintliche) Begleitung? In was wurde gemessen - Zeitaufwand? Talent? Musikalische Präsenz? Mir scheint, alle diese Gründe könnten mit musikalisch sehr laienhaftem, doch gesunden Menschenverstand widerlegt werden. Irgendeinen scheinen sie aber ja zu haben, das würde mich echt brennend interessieren.
 
Rechtlich betrachtet: Wenn eine Gage erwartet wurde, ist es bereits irreführend, von Einladung zu sprechen: die Geigerin wurde für eine Dienstleistung beauftragt, bei der die Gage nicht klar vereinbart wurde, aber nach der Erfahrung des letzten Auftritts erwartet werden konnte. Wenn das Vertragsverhältnis nur zwischen Geigerin und Gastgeber besteht, ist er auch nur ihr gegenüber zur Zahlung verpflichtet. Insofern wären die von @Stilblüte aufgefühten Kriterien nicht von Bedeutung und die Gage für @mick wäre tatsächlich „nur“ ein Trinkgeld.


Mein Fazit: hier lag ungeschickte Kommunikation vor zwischen allen Parteien und hinzu kam ungeschicktes Verhalten des Gastgebers, weil ihm klar sein müsste, dass die unterschiedlichen Umschläge blöd aussehen müssen, egal wie die Verhältnisse auf der tatsächlichen vertraglichen Ebene aussehen, die hier wahrscheinlich von allen Parteien nicht wirklich bewusst wahrgenommen werden, weil das ganze einen etwas privaten, familiären Charakter hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab auf einem Hauskonzert in New York bei einem stinkreichen Mann mal (mit ein paar anderen Musikern) gespielt und keinen Cent gesehen. Es war nichts vereinbart, ich habe damit schon gerechnet und hatte für meine Mitwirkung andere triftige Gründe, die ich auch nicht bereue.
Die bloße Tatsache, bei so offensichtlichem Reichtum nicht auf die Idee zu kommen, dass wir uns über ein bissschen Kohle gefreut (und sie verdient) hätten, schockiert mich trotzdem bis heute.
 
Ich hab auf einem Hauskonzert in New York bei einem stinkreichen Mann mal (mit ein paar anderen Musikern) gespielt und keinen Cent gesehen. Es war nichts vereinbart, ich habe damit schon gerechnet und hatte für meine Mitwirkung andere triftige Gründe, die ich auch nicht bereue.
Die bloße Tatsache, bei so offensichtlichem Reichtum nicht auf die Idee zu kommen, dass wir uns über ein bissschen Kohle gefreut (und sie verdient) hätten, schockiert mich trotzdem bis heute.
Da wäre es meiner Meinung nach nicht unangemessen, selbstbewusst den Hut rundgehen zu lassen.
 
dass wir uns über ein bissschen Kohle gefreut (und sie verdient) hätten, schockiert mich trotzdem bis heute.
Mich schockiert eher die Erwartungshaltung und unausgesprochene Gagenforderung oder soll ich sagen Almosen, da nur weil einer reich ist, eine freiwillige Gabe erwartet wird, eine Geschenk quasi? Wenn ich für eine Leistung, die ich anbiete Geld haben will, dann muss ich das klar kommunizieren und einfordern, sonst gibt es eben auch mal nichts und sich dann darüber zu beschweren, finde ich naiv. Reiche Leute sind oft auch geizig, denn reich wird man nicht von Geld geben, sondern von Geld behalten.
 
Micks Beispiel zeigt aber auch ein anderes Dilemma: normalerweise ist man nicht bereit, als Eintritt einen Betrag zu zahlen, der proportional der Anzahl der Musiker ist, obwohl die sich das Geld am Ende aufteilen müssen, das für sie übrig bleibt.

Ich gehe gelegentlich auf Konzerte, wo um Spenden gebeten wird und wenn fünf Musiker auf der Bühne stehen, gebe ich dem Bewusstsein meistens auch mehr Geld als wenn es ein Solokünstler ist, aber eher gebe ich das doppelte anstatt das fünffache.

Aus Sicht des Zuhörers ist die Qualität des Erlebnisses ja nicht direkt abhängig von der Anzahl der Musiker, besonders, wenn man z. B. auf Solo-Klavierabende steht oder Jazz in kleineren Besetzungen (Duo, Trio) und Sinfonieorchester oder Bigbands nich so toll findet. Auf Seiten der Künstler steht dem aber bei größerer Anzahl der Musiker auch eine höhere Summe an Einzelleistungen gegenüber, weil mehr Musiker während des Auftritts Arbeit verrichten, auch wenn der Druck tendenziell abnimmt, wenn die Aufmerksamkeit des Publikums mit mehr Musikern geteilt werden kann und man als Solo-Künstler allein für das Ergebnis verantwortlich ist und die alleinige Aufmerksamkeit hat.

Bei der Frage, was einem selbst individuell ein Konzerterlebnis Wert ist, in das man Zeit und Geld für hoffentlich schön empfundene Musik investiert und was objektiv - soweit man das beurteilen kann - als Wert für die Leistung von einer bestimmten Anzahl von Musikern, die für eine bestimmte Zeit nach einer bestimmten Vorbereitung Musik auf einem bestimmten Niveau aufführen, bewertet werden muss, sind also unterschiedliche Ergebnisse vorprogrammiert.

Natürlich wird das etwas dadurch abgefedert, dass Sinfonieorchester in Einrichtungen auftreten, wo sehr viel Publikum Platz nehmen kann und sich so das Eintrittsgeld auch summiert und wer hier als Solokünstler die Halle füllt, hat einen entsprechenden, idR internationalen Bekanntheitsgrad.
 
Zuletzt bearbeitet:

Die bloße Tatsache, bei so offensichtlichem Reichtum nicht auf die Idee zu kommen, dass wir uns über ein bissschen Kohle gefreut (und sie verdient) hätten, schockiert mich trotzdem bis heute.
Aus Sicht eines "Normalos" scheint es ja so, dass Reiche (oder gar Stinkreiche) so drauf sein müssten: "Vielen Dank, Eure Darbietung hat mir sehr gut gefallen, hier habt Ihr nicht nur die vereinbarte Gage, sondern ich leg mal einfach noch kräftig was drauf."
Zumal wenn es ein besonderer Anlass ist, z.B. Auftritt bei deren Geburtstag oder Jubiläum.
Denn für die ist das ja quasi, was für unsereiner "aus der Portokasse" ist.

Tatsache ist aber, dass dies fast immer NICHT so ist. Sondern deren Verhalten und Zahlungsbereitschaft unterscheidet sich nicht von Mäßig-Verdienern.

Zwei Beispiele aus dem Nähkästchen: Ein Unternehmenschef - sehr netter Typ - hat uns schon 3x zu seiner Sommerparty engagiert. Immer für erstmal 5 Stunden, 100 Euro pro Mann und Stunde. Verlängerung aber, so war seine Bedingung stets am Telefon, nur 60 Euro pro Mann und Stunde. (Wir haben da immer 9-10 Stunden gespielt.)

Er war jedesmal völlig begeistert von uns, und auf der Party gab's nur das Feinste vom Feinsten, und der Schampus floss in Strömen. Für uns "Normalos" würde das heißen, dass man natürlich auf diese bescheuerte Einschränkung auf nur noch 60 Euro ab der 6. Stunde verzichtet und 100 Euro durchbezahlt, eventuell wegen Begeisterung noch ein schönes Trinkgeld obendrauf.

Aber nein, so sind diese Reichen nicht. Da wird alles sorgfältigst abgezählt.

Und dann war da noch die Millionärsgattin (Mann Inhaber eines sehr bekannten Unternehmens, von dem viele von Euch auch Produkte besitzen), die bei mir Klavierstunden genommen hat. Wirklich nette Person. Wollte meinen Preis wissen, ich nannte ihn (meinen üblichen günstigen Preis!!), und daraufhin kam: "Ja... (zöger)... OK, das nehmen Ihre Kollegen ja wahrscheinlich auch mindestens, ne?"

Reich wirst Du nur, wenn Du Geben vermeidest und NIMMST, NIMMST, NIMMST.

Weil die Reichen aber oft innendrin merken, was sie für Arschlöcher sind, gründen sie zur Gewissensberuhigung so Pseudo-Organisationen wie Stiftungen, mit denen sie sich ganz ostentativ als "wohltätig" gerieren. Dass das oft nur Steuersparmodelle sind bzw. das Ganze genutzt wird, um sehr teure "Charity-Events" mit großer Fresserei und Sauferei zu veranstalten (bei denen dann z.B. niedrigbezahlte Musiker spielen, denn "es ist ja ein Charity-Event"...), wird dabei natürlich nicht erwähnt.

Ein tatsächlich wohltätiger Reicher, so es ihn denn gäbe, würde einfach die Leute, die für ihn arbeiten oder mit denen er zu tun hat, großzügig entlohnen.
 
Tja Hasi, Geld- bzw. Habgier ist in der Menschheit und nicht nur bei den Reichen fest verankert. So z.B. die Black Friday Manie (für Schnäppchen Jäger), die viele Geschäfte auf den Rand des Ruins treiben.

Viele sind fast gezwungen da mitzumachen, da diese und jene diesen amerikanischen Unsinn übernommen haben. Kleinere Geschäfte, die durch knappe Kalkulation solche Rabatte nicht gewähren können, werden ignoriert -> Lohndruck, Konkurs, Arbeitsplatz Verlust etc.
 
Als Student habe ich Kulturveranstalltungen organisiert. Das war immer eine Mischkalkulation. Aus den Eintrittspreisen kann man nur bedingt schließen wie hoch die Gage der Künstler ist. Es ist damals durchaus vorgekommen, dass wir bei einzelnen Veranstalltungen den Eintritt so festgelegt haben, dass eine positive Bilanz für diese Veranstalltung so gut wie ausgeschlossen war. Dafür hatten wir andere Veranstalltungen mit denen wir das wieder ausgeglichen haben.
 
Um mal etwas Gleichgewicht herzustellen: Ich kenne auch viele großzügige Leute. Ich weiß es nicht von allen, aber viele davon verdienen sogar "nur" obere Mittelklasse.
Ich habe in meinem Leben schon viel geschenkt bekommen und bin diesen Leuten auch sehr ehrlich dankbar.

Übrigens war ich bei einer Stiftung Stipendiatin, die absolut nicht dem Steuersparmodell entspricht. Der Stiftungsgründer selbst war mehrfach in freundlichem E-Mail Kontakt mit mir, und meine Bewerbung dort war die einzige unter sehr vielen, bei der ich mir nicht insgeheim wie eine Bittstellerin vorkam. Sondern ich habe wirklich gespürt, dass diese Leute dort sich für ihre Bewerber persönlich interessieren und sich freuen, Projekte und junge Menschen mit besonderen Ideen oder Talenten ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten.
 
Um mal etwas Gleichgewicht herzustellen: Ich kenne auch viele großzügige Leute. Ich weiß es nicht von allen, aber viele davon verdienen sogar "nur" obere Mittelklasse.
Ich spreche nicht von "obere Mittelklasse"-Leuten oder so 8000-Euro-Verdienern.

Das sind ja oft Leute, die auch wirklich hart und/oder qualifiziert und/oder verantwortungsvoll arbeiten und deshalb viel verdienen. Die haben deshalb auch oft genauso eine gesunde, mitmenschliche Einstellung wie wir.

Sondern ich spreche von Reichen - also den Leuten, deren Vermögen nicht in Relation zur Arbeitsleistung steht. Reich wird man nicht durch Viel-und-Hart-Arbeiten, sondern durch Finanztricks (wozu ich auch die ganzen "Kapitalmarkt"-Dinge zähle), Geiz und Ausbeutung.
 
Viele junge Musiker suchen Bühnenerfahrungen, Bekanntwerden mit der Hoffnung auf einen Durchbruch. Da ist das Geld (die Gage) vorerst nicht so wichtig.
 
Um das aufzuklären: Im Mai hat meine Freundin tatsächlich ein Programm für Violine allein gespielt (Solosonaten von Bach, Bartok, Ysaÿe und Schulhoff). Das Konzert im November war ein Duo-Konzert.

Ganz ehrlich die Frage: Wie kommen sie darauf, dass die Geigerin 10 mal mehr Arbeit hat oder aus anderen Gründen 10 mal mehr verdient, als die (vermeintliche) Begleitung? In was wurde gemessen - Zeitaufwand? Talent? Musikalische Präsenz? Mir scheint, alle diese Gründe könnten mit musikalisch sehr laienhaftem, doch gesunden Menschenverstand widerlegt werden. Irgendeinen scheinen sie aber ja zu haben, das würde mich echt brennend interessieren.
Ich glaube, die haben sich einfach gar keine Gedanken darüber gemacht. Die haben gefragt, ob sie im Herbst nochmal spielen möchte und sie hat gesagt, dass sie dann nur mit Klavierbegleitung spielen will, weil sie nicht genügend Solorepertoire für ein komplettes zweites Programm hat.

Inzwischen hat sich das ohnehin erledigt - im Februar spiele ich bei den Leuten ein reines Klavierrecital. Und nochmal: die sind überaus nett und großzügig, bei denen muss man wirklich kein Reichen-Bashing betreiben.

Im übrigen hat meine Freundin auch nur deshalb eine wirklich tolle Geige, weil
ihr das finanziert hat. Ganz ohne irgendwelche Steuervorteile. Es gibt solche und solche...
 
Dass Ihr "Klassiker" wenig geneigt seid, "Reichen-Bashing" zu betreiben, ist klar - denn die Klassikszene lebt in ganz besonderem Maße vom Sponsoring der Reichen und hat in besonderem Maße Reiche als Publikum. Wie gesagt, die Hand, die einen füttert etc.
 

Zurück
Top Bottom