Was ist wichtiger: Vom Blatt spielen können oder auswendig spielen?

Ist es wichtiger vom Blatt spielen zu können oder ein Repertoire zu haben?

  • Vom Blatt spielen

    Stimmen: 6 31,6%
  • Ein Repertoire haben

    Stimmen: 13 68,4%

  • Umfrageteilnehmer
    19
Ei Guude,
so allgemein wie Du die Frage stellst kommt sie mir so sinnlos vor wie die Frage nach was wichtiger sei: Essen oder Trinken?

entscheidend ist doch, was Dir wichtiger ist. Und die Antwort darauf hast Du ja bereits längst gegeben:
....Anderseits regt es mich total auf, dass man mir nach 10 Jahren Klavierspiel nicht das Vom-Blatt-Lesen beigebracht hat.
Hoffst Du nun darauf daß hier ausreichend Leute mit "Repertoire" stimmen, so daß es Dir leicht fällt wieder in genau jenes Muster zu verfallen mit dem Du Dich 10 Jahre lang vor dem Thema "Noten" gedrückt hast?

Hasenbein hat da sicher schon recht:
...Du hast 10 Jahre Unterricht gehabt...der Lehrer hat Dir einfach ein Stück nach dem anderen vorgelegt...den Großen Schnarchpreis habt Ihr Euch beide redlich verdient
Und nu?
Einiges wurde ja bereits geschrieben. Vom Blatt spielen kann man nur was man auch technisch kann. Es geht um erkennen und wiedergeben von Mustern.

Bei mir war es so:
als Kind 3-4 Jahre KL, als Teenie Klavier aufgegeben und Rockgitarre mit Unterricht ohne Noten gelernt und dann fast 30 Jahre fest geglaubt ich können keine Noten mehr lesen.
Dann wieder mit Klavier und Klassik angefangen und erstaunt daß es viel besser geht als gedacht und folgendes bei mir bemerkt:
  • Ohne Noten lesen kann ich kein Stück lernen, das über eine einfache, gerade zu banale Melodie hinaus geht.
  • wenn ein Stück für mich schwierig ist, muß ich die jeweiligen Passagen so lange üben, daß ich sie dann auch auswendig kann. Das muß ich gar nicht einstudieren, dass kommt von allein.
  • ist ein Stück so leicht für mich, daß ich es recht schnell spielen kann, kann ich es noch so oft spielen, ich kann es mir einfach nicht merken.
  • Liegt es irgendwo dazwischen brauche ich die Noten um mich daran lang zu hangeln, wobei ich manche Passagen auswendig kann (Mein größtes Problem ist dann bei jenen Passage noch genügend mitzulesen um den Wiedereinstig in die Noten auch zu treffen)
Ist da irgendwo was schlimm dran? Nö.
Versuch Dich doch mal an was technisch einfachen, das aber so abwechslungsreich ist, daß Du es nicht auswenig spielen kannst. Z.B. das Ave Maria von Bach/Gounod. Das ist technisch so einfach das Du es nach 10 Jahren KL locker hinbringen solltest ohne es auswendig lernen zu können/müssen.
LG
Manfred
 
Ist es wichtiger vom Blatt spielen zu können oder ein Repertoire zu haben?
Die Frage halte ich für sehr unscharf gestellt - für wen ist was wichtiger?

Terminologie:
vom Blatt spielen = primavista spielen,
nach Noten spielen = die Noten stehen auch nach dem Einüben auf dem Pult, meist bei Kammermusik,
ein Repertoire haben = eine gewisse Anzahl von Stücken auswendig drauf haben.

Seit Jahrzehnten lerne ich meine Stücke auswendig und die meisten von ihnen bringe ich auch auf die Bühne, das macht mir Spaß und den Leuten gefällt es.
Für diese ganze Zeit kann ich die "Gelegenheiten", ernsthaft primavista spielen zu müssen fast an einer Hand abzählen, ausgenommen die Erfordernisse, im Gottesdienst mit spontanen Leuten ausnotierte Choräle oder auch Lobpreislieder ("Sacropop") nach Melodie und Akkordbezeichnungen mit dem Klavier ebenso spontan begleiten zu sollen. (Auch so was muss man extra üben!)
Bei mir fiel bei solchen Gelegenheiten sämtlicher Putz ab, meine beste Version kam erst in der fünften Strophe zustande, meist hörte das Lied aber vorher auf.

Es gab auch die Gelegenheiten, dass jemand sagte: "Spielen wir was zusammen, einfach so zum Spaß", gemeint ist immer primavista - da pflege ich zu sagen, das macht mir keinen Spaß: die Stücke einmal angucken und dann durchschlampen. Ich konnte das meist nicht besser, aber ich habe in den letzten Jahren in dieser Hinsicht dazu gelernt.
Ich nehme mir auch mal die Freiheit raus und lasse Mitspieler warten, schaue das Stück trocken durch - welche Tonart, Taktart, wo gibt es Wiederholungen und ich verlange ein mäßiges Tempo, auch wenn mir vorgesungen wird, wie schnell das eigentlich gehen muss!

Ein Stück musikalisch ausarbeiten - das macht Spaß!

"Vom Blatt spielen" habe ich praktisch nie gebraucht.

Es ist auch eine Frage der zur Verfügung stehenden Übezeit. Ein voll im Beruf stehender Arbeitnehmer, der vielleicht noch Familie hat, wird sein Üben auf Lieblingsstücke reduzieren (müssen), die Zeit reicht einfach nicht für mehr. Hauptsache, er hört nicht auf zu spielen!
Ein neu aufgelegtes Stück nötigt zum Noten lesen und zum Umsetzen derselben, da wird mindestens ein bisschen in Richtung primavista geübt und ein bisschen besser.

Sind mehr Stunden am Tag zur Verfügung, kann ein Stoß mit leichten Noten zum primavista durchknabbern sehr hilfreich sein - wenn man diese Fähigkeit ausbilden will.

Ich selbst habe zur Zeit keinen solchen Stoß, primavista will keiner von mir, ich auch nicht.

Zu Deiner Frage zurück, sie muss für Dich heißen: ist es für mich wichtiger vom Blatt spielen zu können oder ein Repertoire zu haben (und zu pflegen)?

Diese Frage musst Du ganz alleine für Dich entscheiden. Ich hoffe, dazu ein paar Anstöße gegeben zu haben.

Liebe Grüße

Walter
 
Ohne alles gelesen zu haben: Man sollte schon sehr gut lesen können, um sich ein großes Repertoir aufauen zu können. Daher Blattspiel, meiner Meinung nach.
Was nützt es mir, eine Beethoven Sonate mit viel Arbeit endlich auswendig zu können, wenn ich Sie dank meiner Blattspielfähigkeiten so runterspielen kann und gleichzeitig Klang mit Griffen und Noten verbinden kann - und somit schneller auswendig lernen kann?

Das Leben kann so einfach sein :party:
 
Ohne alles gelesen zu haben: Man sollte schon sehr gut lesen können, um sich ein großes Repertoir aufauen zu können. Daher Blattspiel, meiner Meinung nach.
Was nützt es mir, eine Beethoven Sonate mit viel Arbeit endlich auswendig zu können, wenn ich Sie dank meiner Blattspielfähigkeiten so runterspielen kann und gleichzeitig Klang mit Griffen und Noten verbinden kann - und somit schneller auswendig lernen kann?

Das Leben kann so einfach sein :party:

Meinst du Blattspiel (Prima-Vista) und nachfolgendes Spiel mit Noten oder reicht dir Prima-Vista zum Auswendiglernen?
 
Ich rede vom Blattspiel, nicht davon dass du es nach einmaligen Spiel auswendig oder gar perfekt spielen kannst. Aber dass du das auch beim erstmaligen Spiel halbwegs durchspielen kannst.
 
Ich rede vom Blattspiel, nicht davon dass du es nach einmaligen Spiel auswendig oder gar perfekt spielen kannst. Aber dass du das auch beim erstmaligen Spiel halbwegs durchspielen kannst.

Naja, aber bei einer schweren Beethovensonate wo (auch für Profis) viel Detailarbeit erforderlich, da ist doch (echtes) Blattspiel eher unerheblich, da man eindringlich und langzeitlich mit der Notenschrift arbeiten muss, mMn.
 
Naja, aber bei einer schweren Beethovensonate wo (auch für Profis) viel Detailarbeit erforderlich, da ist doch (echtes) Blattspiel eher unerheblich, da man eindringlich und langzeitlich mit der Notenschrift arbeiten muss, mMn.

Das stimmt schon, aber wenn man als Profi kurzfristig einen Einspringer bekommen kann, in dem es beispielsweise um die "Begleitung" einer Beethoven-Violinsonate geht (deren Klavierparts keineswegs einfacher sind als die Solo-Sonaten), dann gibt es genau zwei Möglichkeiten: entweder man kann sehr gut vom Blatt spielen oder man sagt gezwungenermaßen ab. Und wird bei der nächsten Gelegenheit gar nicht mehr angefragt. Die wenigsten Profis spielen ausschließlich lang vorbereitete Solo-Recitals in großen Sälen.
 

Das stimmt schon, aber wenn man als Profi kurzfristig einen Einspringer bekommen kann, in dem es beispielsweise um die "Begleitung" einer Beethoven-Violinsonate geht (deren Klavierparts keineswegs einfacher sind als die Solo-Sonaten), dann gibt es genau zwei Möglichkeiten: entweder man kann sehr gut vom Blatt spielen oder man sagt gezwungenermaßen ab.
Ein Profi würde diese Sonaten bei einem öffentlichen Auftritt niemals vom Blatt spielen. Die Gefahr ist viel zu groß, zu patzen und sich die Reputation zu beschädigen. Allerdings können Profis die Werke innerhalb weniger Tage (manche sogar innerhalb von Stunden) zuverlässig einstudieren.
 
Ein Profi würde diese Sonaten bei einem öffentlichen Auftritt niemals vom Blatt spielen. Die Gefahr ist viel zu groß, zu patzen und sich die Reputation zu beschädigen. Allerdings können Profis die Werke innerhalb weniger Tage (manche sogar innerhalb von Stunden) zuverlässig einstudieren.

Natürlich spielt man nicht im Konzert vom Blatt, zumindest nichts Solistisches - es geht darum, ob man sich neue Stücke in sehr kurzer Zeit aneignen kann. Und ohne sehr gutes Blattspiel kann man das eben nicht.
 
Natürlich spielt man nicht im Konzert vom Blatt, zumindest nichts Solistisches
Und eine Begleitung wie die erwähnte Violinsonate natürlich auch nicht, da muss ja zusätzlich noch Aufmerksamkeit auf den Partner gerichtet werden.
es geht darum, ob man sich neue Stücke in sehr kurzer Zeit aneignen kann. Und ohne sehr gutes Blattspiel kann man das eben nicht.
Nicht unbedingt. Man muss halt schon viele bzgl. Epoche und Kompositionsweise vergleichbare Stücke gespielt haben; das hat mit Blattspiel zunächst mal garnichts zu tun.
 
Und eine Begleitung wie die erwähnte Violinsonate natürlich auch nicht, da muss ja zusätzlich noch Aufmerksamkeit auf den Partner gerichtet werden.

Das ist keine Begleitung. Was man schon daran erkennt, dass Beethoven die Werke als "Sonaten für Pianoforte und Violine" bezeichnet hat. Die Klavierparts sind über weite Strecken solistisch und musikalisch führend; und wie ich schon schrieb, sind die Schwierigkeiten nicht geringer als in den 32 Klaviersonaten (ok. - mit Ausnahme von op. 106 und den Finalsätzen op. 57, op. 101, op. 109 und op. 111).

Dasselbe gilt übrigens für fast alle romantischen Duo-Sonaten, und für Mozarts Sonaten sogar ganz ausdrücklich - einige bezeichnete der Komponist selbst als "Clavir Sonate mit Begleitung einer Violin".

Nicht unbedingt. Man muss halt schon viele bzgl. Epoche und Kompositionsweise vergleichbare Stücke gespielt haben; das hat mit Blattspiel zunächst mal garnichts zu tun.

Je kürzer die Vorbereitungszeit, umso mehr hat das mit Blattspielfähigkeiten zu tun. Manchmal hat man so wenig Zeit, dass man nur die schwierigsten Stellen üben kann und den Rest nur lesend überfliegt.
 
Das ist keine Begleitung. Was man schon daran erkennt, dass Beethoven die Werke als "Sonaten für Pianoforte und Violine" bezeichnet hat.
Ja, mir ging es jetzt aber weniger um das konkrete Werk, sondern darum, mit dem Begriff "Begleitung" eine Abgrezung zum Solokonzert zu ziehen. Aber was wolltest du jetzt damit sagen?

Je kürzer die Vorbereitungszeit, umso mehr hat das mit Blattspielfähigkeiten zu tun. Manchmal hat man so wenig Zeit, dass man nur die schwierigsten Stellen üben kann und den Rest nur lesend überfliegt.
Du kannst z.B. der beste Blattspieler für Barockmusik sein, aber wenn du noch nie Beethoven gespielt hast, hast du keine Chance, ein entsprechendes Beethoven-Stück in kurzer Zeit gut zu spielen.
 
Ja, mir ging es jetzt aber weniger um das konkrete Werk, sondern darum, mit dem Begriff "Begleitung" eine Abgrezung zum Solokonzert zu ziehen. Aber was wolltest du jetzt damit sagen?

Ich wollte damit nur sagen, dass der Klavierpart einer Beethoven-Violinsonate keine Begleitung im Sinne von "musikalisch weniger bedeutend" ist. Sowas spielt man nicht im Konzert vom Blatt, aber man kann es notfalls in wenigen Tagen lernen. Wenn man nicht Blattspielen kann, dauert es u.U. den einen Tag zu lange, den man nicht hat.

Du kannst z.B. der beste Blattspieler für Barockmusik sein, aber wenn du noch nie Beethoven gespielt hast, hast du keine Chance, ein entsprechendes Beethoven-Stück in kurzer Zeit gut zu spielen.

Es ging hier doch um Profis. Profi-Pianisten, die noch nie Beethoven gespielt haben, gibt es nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ging hier doch um Profis. Profi-Pianisten, die noch nie Beethoven gespielt haben, gibt es nicht.
Das war doch nur ein Beispiel. Wenn du als Profi für historische Aufführungspraxis am Cembalo nur Barock spielst und dadurch entsprechende Stücke schnell drauf hast, wirst du dich mit Stücken, die eine andere "Klangsprache" haben, erheblich schwerer tun, diese in kurzer Zeit gut zu spielen. Das ist erst mal unabhängig von deinen Blattspiel-Fähigkeiten.
 
Je kürzer die Vorbereitungszeit, umso mehr hat das mit Blattspielfähigkeiten zu tun. Manchmal hat man so wenig Zeit, dass man nur die schwierigsten Stellen üben kann und den Rest nur lesend überfliegt.
Das passiert einem beispielsweise, wenn man als Klavierbegleiter auf einen Meisterkurs gebucht wird. Das Repertoire legt nicht der Pianist fest - er muss eben die von anderen vorgegebenen Stücke in einer Qualität draufkriegen, dass zum einen ein gestalterisch ernsthaftes Musizieren während der Unterrichtssitzungen gelingt und dass zum anderen ein Abschlusskonzert in sehr guter künstlerischer Qualität zustande kommt. Eigene Übungszeit ist nur in sehr begrenztem Umfang vorhanden und man hat eben zu funktionieren. Demnach reicht die Vorbereitungszeit nur für die kompliziertesten Passagen und alles andere ist im wesentlichen vom Blatt zu spielen. Ich spreche aus einschlägiger Erfahrung.

LG von Rheinkultur
 

Zurück
Top Bottom