Übestrategien für "einfache" Stellen

  • Ersteller des Themas Viva la musica
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Guter Klavierunterricht IST etwas rares!!

Das kann man sogar noch allgemeiner formulieren: Guter Unterricht ist ganz generell etwas Rares.

Ob ein Lehrer, der sich ein über den Schülern schwebendes Damoklesschwert mit der Gefahr, jederzeit gekündigt werden zu können, wünscht, jetzt allerdings zu einer gesunden Lernatmosphäre und damit zu gutem Unterricht beiträgt, bezweifle ich.
 
Die subjektive Wahrnehmung sagt da aber oft etwas anderes: Auch hier im Forum zeigt sich immer wieder, dass vielße die Qualität ihres Unterrichts nicht einordnen können. Da harmoniert es dann menschlich, und das führt leider zu dem Schluss, dass der Lehrer / die Lehrerin fachlich sehr gut ist.

Ich denke, die allgemeingültige Antwort darauf gibt es auch nicht, weil einfach sowohl die Lehrer als auch die Schüler verschieden sind. Aber jeder, der schon mehrere Lehrer hatte, weiß, dass es Unterschiede gibt und teilweise auch, wie groß diese sein können. Ich kann ein Lied davon singen ...
 
Ich plage mich gerade mit einem etwas seltsamen Problem: Ich übe Stücke, die von ihrem Schwierigkeitsgrad so liegen, dass ich viele Teile (fast) vom Blatt spielen kann. "Fast" deswegen, weil aufgrund von Vorzeichenwechseln etc. sich auch nach längerem Üben doch immer wieder falsche Töne einschleichen.

Ich komme da einfach nicht über ein gewisses Übeniveau hinaus und mein Verdacht ist, dass es daran liegt, dass ich diese Stücke falsch übe. Weil die Stellen für sich genommen zu wenig "große" Schwierigkeiten bieten, habe ich beim Üben einzelner Stellen irgendwie zu wenig Substanz, um hier so tief einzusteigen, dass diese Stelle dann zukünftig für immer klappt.

Ich glaube, ich trickse mich da ständig selbst aus und spiele im Grunde doch zu 80 % vom Blatt, übe also nicht richtig, was sich dann immer wieder rächt. Ich finde da irgendwie den Weg nicht raus. Normalerweise übe ich kleine Abschnitte, aber wenn der kleine Abschnitt nun eigentlich für sich genommen fast trivial ist? Ich habe das Üben der einzelnen Abschnitte schon versucht, aber irgendwie scheint es mein Gehirn nicht für nötig zu halten, sich das wirklich zu merken.

Kennt jemand das Problem und hat da einen guten Weg gefunden?

Konkrete Beispiele sind mein Bachpräludium 934 (das ich eigentlich vorspielreif machen wollte, aber jetzt kurz davor bin, es frustriert wegzulegen, weil ich nicht mehr besser werde) und in die gleiche Richtung scheint es nun auch bei Händels Passacaglia zu gehen, wo ich mich am liebsten bei einfachen Passagen dauerhaft vergreife.
Liebe Viva la Musica,

das Üben von leichteren Stellen, die du sonst nicht "übst", ist wie hier schon gesagt wurde, sehr sinnvoll. Vor allem in Verbindung mit dem Verständnis dessen, was dort gerade musikalisch geschieht.

Mir scheint nämlich, dass möglicherweise dein Problem am mangelnden musikalischen Verständnis und womöglich an einem lückenhaften Überblick über das ganze Stück begründet ist. Das ist natürlich nur eine Vermutung.

Es fällt zum Beispiel auf, dass beide von dir genannten Stücke aus Achtelketten bestehen, bei denen der Überblick über die Verschiedenheit der Phrasen und Formteile leicht verlorengeht. Bei BWV 934 diesen Überblick zu haben, finde ich nicht leicht!

Mich würde also interessieren, bei welchen Stücken dir das noch passiert.

Möglichkeiten der Problemlösung:

1. Üben kann man den Überblick, indem man eine Formanalyse macht (dazu gehört auch, in welcher Tonart jeder Teil steht, wie er harmonisch beginnt und endet und ob überraschende Wendungen auftauchen) und die einzelnen Teile/Phrasen einander gegenüberstellt, zunächst mit Worten den Unterschied beschreibend wie dann auch übend. Besonders die Teile gegenüberstellen, die sich ähneln. Man kann die Teile sogar ausschneiden aus einer Kopie, dann mischen und einen Teil ziehen.

2. Üben kann man es weiterhin, indem man die Achtelketten auf ein Grundgerüst reduziert. Wenige Informationen behält man leichter und man erkennt das dem Notentext zugrundeliegende Muster, Gerüst und den roten Faden. Wunderbar ist dies in "Klangrede am Klavier" von Johan van Beek beschrieben. In Kurzform habe ich es hier erläutert: https://ulrike-danne-feldmann.de/ein-neues-klavierstueck-ueben-hoeren-entdecken/, 3. Hörperspektive, Gerüst rausfinden, Töne weglassen.

Ich bin ein sehr großer Fan davon, beim Üben Töne wegzulassen und so die horizontale und/oder vertikale Ebene eines Stücks transparent zu machen. Aus meiner Erfahrung heraus gibt es dann solche Probleme nicht. Durch diese Art des Übens erfährt man hörend die Struktur des Stücks und bekommt sie fast nebenbei in die Finger. Verständnis, Hören und Spielen gehen Hand in Hand.

3. Was ich außerdem an deiner Stelle machen würde: das Stück in dem Tempo durchspielen, in dem du genau 0 Fehler machst! :chr03: Das bedeutet möglicherweise, dass du jetzt vier Wochen das Stück im Ganzen nur noch unter Tempo spielst. Wenn du dabei Brechreiz bekommst :D, wäre auch eine Möglichkeit, es mal wegzulegen für einige Zeit.

Du hast das Stück, wie du beschreibst, nämlich schon oft mit Fehlern durchgespielt, was sich leider, leider abspeichert. Also mal gegenhalten, jeden Ton auskosten, die Strukturen wahrnehmen und Geduld mit sich haben. :)

Liebe Grüße und viel Erfolg!

chiarina
 
Ich als Jazzmusiker vergesse auch immer mal wieder Standards, die ich lange nicht gespielt habe, teilweise. Was mache ich dann? Nicht Noten aufschlagen, sondern ich singe (oft nur im Kopf) das Stück vor mich hin und erinnere mich dadurch zunächst an die Melodie, und die Changes folgen dann. Natürlich bin ich Profi und weiß, wenn ich etwas singe, im selben Sekundenbruchteil auch, welche Taste das auf dem Klavier ist (auch ohne absolutes Gehör). Das habt Ihr als Amateure in der Regel nicht; würdet Ihr aber audiomotorisch spielen und lernen, wäre auch bei Euch diese Fähigkeit besser.
"If you can sing it, you can play it."
 
Ich glaube ja ehrlich gesagt: Wäre Klavierunterricht etwas Rares, bei dem man froh ist, dass man ihn bekommen darf, und schwebte über den Schülern stets das Damoklesschwert, dass der KL ihnen kündigt, weil er mit ihren Leistungen nicht zufrieden ist - die Schüler würden alle wesentlich zweckmäßiger üben. Und wären happy dabei.
Also meine KL ist in dieser Hinsicht sehr zufrieden mit mir, denn ich übe seit vielen Jahren fleißig und regelmäßig. Normalerweise übe ich meist auch zweckmäßig - glaube ich - zur Zeit viel mit Stilblütes Übekarten. Aber für mein Problem habe ich einfach noch nicht die passende Übestrategie gefunden, siehe meine Frage.
 
Problem am mangelnden musikalischen Verständnis und womöglich an einem lückenhaften Überblick über das ganze Stück begründet ist. Das ist natürlich nur eine Vermutung.
Liebe @chiarina , das ist haargenau mein Problem!!! Ich liebe das Präludium, aber es ist für mich irgendwie immer noch unübersichtlich!
Deswegen vielen Dank für die fantastischen Tipps!!!!
Jetzt habe ich endlich wieder eine Strategie beim Üben!!!
 

Bei all den guten Tipps das „Drüber Schlafen“ nicht vergessen. Ich neige dazu, eine schwierige Stelle mit Gewalt schaffen zu wollen, auch wenn ich sie hundert mal hintereinander wiederhole. Dabei könnte ich sie zum Schluß möglicher Weise genauso gut spielen, wenn ich sie insgesamt 30 mal, aber diese 30 mal vielleicht auf 3 Tage verteilt hätte. Die Synapsen lassen sich nun mal nicht vergewaltigen. Die Zeit, die ich am ersten Tag im willkürlich gewählten Zahlenbeispiel durch Vermeidung des 90 mal nicht effektiven Übens gespart haben könnte, hätte ich verwenden können, um 9 weitere Stellen nach der effektiveren Methode zu üben. Zum Schluss wär mein gesamter Übungsaufwand viel geringer, weil mir ein großer Teil tatsächlich im Schlaf zugefallen wäre. Das Prinzip ließe sich ja noch optimieren, wenn man wüßte, was die effektivste Tagesportion ist. Für mich ist es aber auch schon mal wichtig, mich grundsätzlich an das Prinzip zu erinnern, da ich mich selbst oft dabei erwische, mal wieder mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.

Vielleicht gibt es ja auch noch einen guten Tipp zur in diesem Sinne effektivsten Tagesportion.
 
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Wenn's fehlerfrei langsam geklappt hat nach 5 Versuchen , dann sofort aufstehen und kurz was anderes machen und dann wieder neuer Anlauf.
Dabei die Stellen so kurz wie möglich einteilen dann sollte es ganz flott gehen.
Also dann auch mal nur einen halben Takt nehmen und den fehlerfrei mit allen Betonungen und "fast Tempo" üben .
Bei mir funktioniert das gut, viel Erfolg weiterhin für dich
 
Wenn's fehlerfrei langsam geklappt hat nach 5 Versuchen , dann sofort aufstehen und kurz was anderes machen und dann wieder neuer Anlauf.
Dabei die Stellen so kurz wie möglich einteilen dann sollte es ganz flott gehen.
Wenn es erst nach 5 Versuchen fehlerfrei klappt dürfte es zu spät sein, da hat man sich den Fehler ja schon raufgeschafft. Wenn es nach dem ersten Versuch nicht fehlerfrei klappt ganz langsam fehlerfrei spielen halte ich für besser.
Dann sofort aufstehen? Und was anderes machen? Echt? Wer hat so lange Zeit zum Üben? Hört sich eher nach ADHS als nach Üben an.
Also dann auch mal nur einen halben Takt nehmen und den fehlerfrei mit allen Betonungen und "fast Tempo" üben .
Bei mir funktioniert das gut, viel Erfolg weiterhin für dich
Wenns bei dir funktioniert ist ja gut, aber ist das zu empfehlen?
Ganz wichtige Übestrategie: niemals dasselbe mehr als 5 Mal wiederholen!
Spätestens beim sechsten Mal variieren oder etwas anderes machen.
Wirklich niemals? Also wenn man es wie @Robinson macht hat, wäre das ja so wie du meinst. Erst beim 5. Versuch richtig gespielt wäre ja auch eine Variante quasi.
Ich habe schon mal Triller geübt, das waren definitiv mehr als 5 mal. Fand ich jetzt nicht schlimm. War es das?
 
Ich habe romantisch verklärt in die Luft geschaut und mit dem Oberkörper hin und her gewackelt. Dann habe ich darauf geachtet, dass ich keinen Ton wie den anderen spiele, denn das wäre ja sonst wie schreibmaschineschreiben. Und natürlich rubato und mit absolutem unerschütterlichen Klangwillen ;-)
 
Es geht ums niemals mehr als nur* 5 mal wiederholen. Ich finde das sehr wenig. Und variieren finde ich auch schwierig, weil das ja quasi wie ein Fehler wäre. Soll man die Variante dann wiederholen?
Dass du mit "etwas anderes machen" nicht "aufstehen und kurz etwas anderes machen" wie @Robinson habe ich mir zwar gedacht, aber man hätte es auch anders verstehen können.
Die meißten hier "lesen" ja nur was sie verstehen wollen.

*nur=Ergänzung von mir zur Klarstellung was gemeint ist.
 
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