Wenn nachts neue Geräusch dazu kommen stehe ich auf weil ich Angst habe, das Gehirn könne sich das neue Geräusch merken und somit würde es bleiben.
An dieser Stelle möchte ich dich zu mehr Gelassenheit ermutigen. Angst vor dem "was wenn", bzw. Irritation an Geräuschen überhaupt, sind sehr kräftige Emotionen.
Ich erinnere mich immer wieder an folgende Entwicklung (sorry, ist eine etwas lange Anekdote, aber ich bringe sie nicht ohne Grund):
Wir haben einen Nachbarn, der (so vermute ich zumindest) als Handwerker auf allerlei Baustellen arbeitet. Er muss morgens immer sehr früh los - und das schon seit vielen Jahren. Den allmorgendlichen Ablauf der Geräuschkulisse kenne ich (buchstäblich) schon im Schlaf: Haustür auf, der Alarm von seinem Pickup Truck heult los, böses Gemurmel vom Nachbarn, Alarm geht wieder aus, Heckklappe vom Pickup geht auf, Werkzeugkisten rein *KNALL*, er zurück ins Haus, macht noch irgendein Anruf (kann nicht leise reden), Haustür geht zu *RUMMS*, Dieselmotor vom Pickup will nicht starten, und schlussendlich mit viel Gedröhn die Abfahrt.
Anfangs habe ich mich an diesen Geräuschen unheimlich gestört, auf den Nachbarn geschimpft, mir sogar überlegt ihn zu verklagen, Tagebuch seiner Abfahrtszeiten geführt, und weiß-der-Geier was. Nachher war es tatsächlich soweit, dass ich aus dem Bett hochschnellte und mein Blutdruck schon auf 180 stand, wenn überhaupt nur die Haustür aufging. Und genau das ist mein Punkt: das Geräusch und vor allem meine Reaktion darauf hatte sich so tief ins Unterbewusstsein eingefressen, dass es mich sofort aus dem Tiefschlaf auf Hochtouren brachte. Ein konditionierter Adrenalinreflex, sozusagen - wie eine allergische Reaktion: die kleinste Menge vom Allergen löst eine Riesenkaskade aus.
Irgendwann begriff ich, dass der Nachbar weder böse ist, noch viel an seinen Umständen ändern kann (oder wird). Ich habe mich innerlich mit ihm versöhnt, ihn öfter mal angesprochen, und als einen überraschend netten Typen kennengelernt. Der allmorgendliche Lärm hat sich nicht wirklich gebessert, sehr wohl aber meine Reaktion darauf. Ich höre es zwar noch fast genauso oft, aber drehe mich halt im Halbschlaf um, wünsche ihm eine gute Fahrt, und schlafe weiter.
Zurück zum Thema: Ähnlich versuche ich es mit dem Tinnitus zu halten. Wenn ich jedesmal ängstlich-irritiert-angespannt-nervös in mich hineinhorche ("was wenn, was wenn, auch du liebe Schxxxxe, nicht schon wieder..."), dann gebe ich dem T. einen unangemessen wichtigen Stellenwert. Wenn ich dahingegen versuche, ihn gelassen hinzunehmen bzw. mich von vornherein auf wesentliche Dinge konzentriere, baue ich die allergische Reaktion ab.
Leichter gesagt als getan, aber so lautet zumindest mein Ansatz. Der Tinnitus ist, rein akustisch gesehen, kaum zurückgegangen. Aber seine Auswirkung auf meine Geistesgesundheit sehr wohl!
Genausowenig mache ich übrigens an tinnitus-freien Momenten oder Tagen ein großes Aufhebens davon. Ich sage nicht etwa meinem Gehirn: "SO kann es sein, merk dir das schleunigst, und blooooß nicht vergessen!" Denn dann geht nur das in-mich-Hineinhorchen wieder von vorne los. Sondern ich freue mich kurz, spreche ggf. ein kurzes Dankgebet, und weiter geht's.
Ciao,
Mark