Tempoangaben: wie authentisch sind sie - können sie sein?

  • Ersteller des Themas Debösi
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(...) und das sage ich hier als Schlesier! (...)
...wenn jetzt ein Halbpolacke (moja matka jest Polką) wie ich dir in der Landessprache (polnisch) ein paar Schlesierwitze erzählt, tobst du dann noch mehr? ;-):-D
aber sei´s drum - kennst du die oberschlesischen Schnurren mit Mozigemba und Wodgurka?

Moskowiter ist ein veralteter Ausdruck für Moskauer und meint als pars pro toto die Russen insgesamt.
Wenn Polacke im Sinne von "Dreckspolen" verwendet und dezidiert auf polnischstämmige Leute angewendet wird, ist es heuer im dt. Sprachgebrauch ziemlich abwertend - tatsächlich ist das Wort nichts anderes als die eingedeutsche polnische Eigenbezeichnung / nebenbei gibt es in den USA seitenweise polack jokes wie es hierzulande Ostfriesen- und Bayernwitze gibt.

Das alles trifft aber nicht den Kern der aufgeblähten Auslassungen von @maxe , welche NICHTS in der Sache auch nur ansatzweise ernstzunehmendes zum Thema authentische Tempoangaben beitragen. Nachzulesen ist aus dieser Quelle ein jovial vorgetragenes Allerweltsblabla, das inhaltlich komplett falsch ist (vgl Chopin, Schumann, Margulis) Nun ist es nicht das erstemal, dass Maxe großen Unfug trompetet - darauf habe ich sarkastisch reagiert (nachlesbar)

...weil aber nach der Methode argumentum tohuwabohum großes Blech aufgefahren wird, gönne ich Halbpolacke mir ein umfangreiches Zitat:
Crapülinski und Waschlapski,
Polen aus der Polackei,
Fochten für die Freiheit, gegen
Moskowiter-Tyrannei.

Fochten tapfer und entkamen
Endlich glücklich nach Paris –
Leben bleiben, wie das Sterben
Für das Vaterland, ist süß.

Wie Achilles und Patroklus,
David und sein Jonathan,
Liebten sich die beiden Polen,
Küßten sich: »Kochan! Kochan!«

Keiner je verriet den Andern,
Blieben Freunde, ehrlich, treu,
Ob sie gleich zwei edle Polen,
Polen aus der Polackei.

Wohnten in derselben Stube,
Schliefen in demselben Bette;
Eine Laus und eine Seele,
Kratzten sie sich um die Wette.

Speisten in derselben Kneipe,
Und da keiner wollte leiden,
Daß der Andre für ihn zahle,
Zahlte keiner von den Beiden.

Auch dieselbe Henriette
Wäscht für beide edle Polen;
Trällernd kommt sie jeden Monat,
Um die Wäsche abzuholen.

Ja, sie haben wirklich Wäsche,
Jeder hat der Hemden zwei,
Ob sie gleich zwei edle Polen,
Polen aus der Polackei.

Sitzen heute am Kamine,
Wo die Flammen traulich flackern;
Draußen Nacht und Schneegestöber
Und das Rollen von Fiakern.

Eine große Bowle Punsch
(Es versteht sich, unverzückert,
Unversäuert, unverwässert)
Haben sie bereits geschlückert.

Und von Wehmut wird beschlichen
Ihr Gemüte; ihr Gesicht
Wird befeuchtet schon von Zähren,
Und der Crapülinski spricht:

»Hätt ich doch hier in Paris
Meinen Bärenpelz, den lieben
Schlafrock und die Katzfell-Nachtmütz,
Die im Vaterland geblieben!«

Ihm erwiderte Waschlapski:
»O du bist ein treuer Schlachzitz,
Denkest immer an der Heimat
Bärenpelz und Katzfell-Nachtmütz.

Polen ist noch nicht verloren,
Unsre Weiber, sie gebären,
Unsre Jungfraun tun dasselbe,
Werden Helden uns bescheren,

Helden, wie der Held Sobieski,
Wie Schelmufski und Uminski,
Eskrokewitsch, Schubiakski,
Und der große Eselinski
:-D
 
@Steinbock44 wende dich an Heinrich Heine, denn von dem hab´ ich den Ausdruck Moskowiter - und bevor du eine Lichterkette gegen den Heine organisierst, lies´ ihn und zürne dann ;-) sofern du dann noch einen wirklichen Grund in dieser Sache findest. (und nein, ich erklär´s dir nicht)

Nein wieso soll ich das, Heinrich Heine lebte im 19Jh und wir sind bereits im 21Jh .... inzwischen hat sich die Welt und die Ansichten geändert. Ich selbst aus frankophonen Welt kenne ich mich mit deutschen Dichtern wenig aus. Das die Sprüche aus Heine Feder stammen, darauf muss man zuerst kommen.

P.S. Da setze ich eine drauf: Der böhmischer Gusti Mahler hat frech böhmische Blasmusik in seine Symphonien eingebaut. Ja nu, er war ein Böhme, oder ein Mähre oder doch ein Österreicher oder doch ein aus dem Kaiserreich (K&K)? .... ich sage ein bisschen von allen.;-)
 
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Scheinbar hatte Gould diesen Akademiker-Authentizitäts-Anspruch gar nicht. Man höre sich Kunst der Fuge des jungen und des alten Gould an.
Ich habe ja geschrieben, dass bei Gould aufgrund seiner Genialität durchaus Bemerkenswertes herauskommen kann (bei Mozart allerdings selten bis nie, weil er den manchmal sogar absichtlich entstellt hat). Und dass sein Tempo im Thema der A-Dur-Sonate grotesk ist, darüber gibt es wohl keine zwei Meinungen. Man kann das ja trotzdem schön finden - manche Männer finden sogar die Silikontitten von Dolly Buster schön.
 
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ein
wie ich dir in der Landessprache (polnisch) ein paar Schlesierwitze erzählt, tobst du dann noch mehr? ;-):-D
aber sei´s drum - kennst du die oberschlesischen Schnurren mit Mozigemba und Wodgurka?

was ich von denen beiden Originalen (M. u. W. ) kenne ist aber nix ethnisch Bedenkliches, oder irre ich?
seis drum, der Schlesier ist der bessere Preuße und kann daher auch ne Menge mehr ab:coolguy:
ha ha ha Spass beiseite:

nur schau dir mal die Situation heute im Kaczinski - Polen an, leider haben die wegen ihres nicht ganz unbegründeten Eindruckes, der Deutsche sei überheblich usw. offenbar einige Minderwertigkeits-Komplexe und machen jetzt diese sinnlose Polen-Extrem-Nationalismus-Kutsche ala Kaczinskis PIS..... das will ich nicht weiter anfachen!!!!

dem Schlesier oder sonstigen tatsächlichen "Ost"deutschen waren die Witze, die über ihn seitens der Polen gemacht wurden egal, durfte er sich ja zum "Herren"volk zählen, und das war doch schon lange vor ****** so, also ist die Möglichkeit einer Beleidigung nahe Null.....
Umgekehrt wirds aber sehr dramatisch, wenn der Herr (und die Land/Guts- und Fabrikbesitzer waren damals eher Deutsche) über den Knecht (so nehmen sich viele nationalistische Polen heute noch wahr) auch noch Witze macht.....

die Polen die im Ausland leben sind wieder eine andere Angelegenheit, viele nationale Daheim-Polen sehen sie als "Vaterlandsverräter" an. Auslandspolen sind ja oft lockerer und entspannter und haben nicht diesen Nationalwahn.

Wie gesagt ich verstehe alle möglichen Standpunkte, aber es ist nicht hinnehmbar 2018 immer noch ethnische Witze zu machen, die eben gar nicht lustig sind.

Ich will nicht, das noch mehr Nationalisten in Polen sich bestätigt fühlen müssen..... und an wem reagieren die sich ab, nicht an den Deutschen (ihrem Erbfeind) sondern an den Schwächeren in ihrem Lande.....

jedenfalls in ethnischer Hinsicht müssen wir eine saubere Sprache führen, dass sollten wir in Anbetracht der furchtbaren Geschichte uns allen schuldig sein.....
 
Ich habe ja geschrieben, dass bei Gould aufgrund seiner Genialität durchaus Bemerkenswertes herauskommen kann (bei Mozart allerdings selten bis nie, weil er den manchmal sogar absichtlich entstellt hat). Und dass sein Tempo im Thema der A-Dur-Sonate grotesk ist, darüber gibt es wohl keine zwei Meinungen. Man kann das ja trotzdem schön finden - manche Männer finden ja auch Dolly Buster schön.

Es gibt grundsätzlich zu jedem Thema mindestens 2 Meinungen, Musiktheorie und Musikgeschmack ist ja nun nicht grad eine axiomatisch aufgebaute Wissenschaft, auch wenn scheinbar jeder Musikwissenschaftler seiner Generation so tut, als ob er grad die unwiederstößliche Wahrheit gefunden hätte (in der Realität außerhalb clavio ggf. doch anders). Dolly Buster my ass.

Ich kann mit Mozart Sonaten grundsätzlich nix anfangen (nicht Mozarts Schuld, ich weiß) und will das konkrete Beispiel nicht groß bewerten, mir ists auch zu langsam, aber wahrscheinlich zielt Gould auf gewisse Polyphonien ab, die er einfach zu gern rausarbeitet und opfert dabei andere Dinge.

Gutes Beispiel wie er tickt (nicht Mozart):
"I've been very unliteral und unexact, I like the sound of it"


View: https://www.youtube.com/watch?v=bWVqy14DSB0


Dazu steht er, weil er es mag.

Irgendwo auf diesem Channel von graphicgratitude begründet er auch seine anderen Taten, z.B. im Bezug auf Mozart. Finde es aber gerade nicht.

Auch großartig und fast vieles zu seinen Schaffenszielen zusammen, der Channel ist wirklich eine Fundgrube:

View: https://www.youtube.com/watch?v=p7yVgQKH3YY

Und hier paar Motivationen zu K 331, aber in irgendeinem Video gabs mehr dazu, finds grad net:

View: https://www.youtube.com/watch?v=i8dSdoGQKXE
 
Zuletzt bearbeitet:

aber du kennst doch bestimmte dunkle Rapper in den USA die sich selber auch mit ethnischen Schimpfwörtern bezeichnen und sich damit glauben zu emanzipieren,
es wird doch nicht besser wenn man sich selber schimpflich bezeichnet....

soll ich jetzt die ganzen Lieder Witze usw. aus der Nazeit zitieren.....
und Polen mussten als Fremdarbeiter auch ein P-Abzeichen tragen ja , schlimm!!! wollen wir das???
Buchstabe_P_Kosny.jpg
 
aber wahrscheinlich zielt Goult auf gewisse Polyphonien ab, die er einfach zu gern rausarbeitet und opfert dabei andere Dinge.

Gould zielt da auf gar nichts ab. Er hat selbst gesagt, dass er Mozart für einen total überschätzten Komponisten hält, der eher zu spät als zu früh gestorben ist. Und er hat bedauert, dass er die späten Mozart-Sonaten eingespielt hat; nach eigenen Angaben hat er das nur getan, weil er einen Vertrag erfüllen musste. Er konnte mit Mozart nichts anfangen, und das spürt man bei ihm deutlich.

Ich weiß, dass Gould eine Menge Jünger hat, die alles, was er gemacht hat, für genial halten. Er hat Geniales gemacht, das ist keine Frage. Aber er hat auch ziemlich fragwürdigen Mist gemacht.
 
Gould zielt da auf gar nichts ab. Er hat selbst gesagt, dass er Mozart für einen total überschätzten Komponisten hält, der eher zu spät als zu früh gestorben ist. Und er hat bedauert, dass er die späten Mozart-Sonaten eingespielt hat; nach eigenen Angaben hat er das nur getan, weil er einen Vertrag erfüllen musste. Er konnte mit Mozart nichts anfangen, und das spürt man bei ihm deutlich.

Dazu kenne ich dieses Video:

View: https://www.youtube.com/watch?v=3RBcbNkNJJo


Ja, wahrscheinlich zerfetzt Du den dort gleich als veraltet etc. (ja, er verspricht sich gleich am Anfang) - man gönnt sich ja untereinander nicht die Butter auf dem Brot, aber dennoch ganz interessant.

Ich weiß, dass Gould eine Menge Jünger hat, die alles, was er gemacht hat, für genial halten. Er hat Geniales gemacht, das ist keine Frage. Aber er hat auch ziemlich fragwürdigen Mist gemacht.

Den selben Satz kann man auf eine Menge klassischer Komponisten anwenden *wink* *Spiegel in die Hand drück*
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann das ja trotzdem schön finden - manche Männer finden ja auch Dolly Buster schön.

@mick leider ist der Vergleich logisch FALSCH!

Dolly Buster hat sich genau im allseits offenbar millionenpublikumsfach gewünschten Tempo betätigt , sie hat nichts wirklich ungewöhnliches gemacht, sie schwingte im Mainstream und auch ihr Habitus war millionenfach bejaht, das bestätigen ja ihre vielen branchenspezifischen Ehrungen (sie hat ja viele vergleichbare Branchen-Oscars bekommen) https://www.stern.de/lifestyle/leute/dolly-buster-suendhaft-erfolgreich-3507098.html
 
B
Und er hat bedauert, dass er die späten Mozart-Sonaten eingespielt hat; nach eigenen Angaben hat er das nur getan, weil er einen Vertrag erfüllen musste. Er konnte mit Mozart nichts anfangen, und das spürt man bei ihm deutlich.

Blättere mal die Klavier-Sonaten von Mozart durch, ich hatte am Wochenende mehrere durchgespielt, und mir auch noch von CD zum Abgleich nachgehört, da sind viele dabei, die man als Geplätscher, wohlwollend als Klassik Mainstream beschreiben kann, die im Grunde nichtssagend sind und nur weil Mozart drüber steht noch so einen Rang behalten dürfen. Gould wußte genau wovon er sprach.
Die Orchesterwerke sind was anderes, wie gesagt ich rede nur über einige seiner Klaviersonaten
 
Blättere mal die Klavier-Sonaten von Mozart durch, ich hatte am Wochenende mehrere durchgespielt, und mir auch noch von CD zum Abgleich nachgehört, da sind viele dabei, die man als Geplätscher, wohlwollend als Klassik Mainstream beschreiben kann, die im Grunde nichtssagend sind und nur weil Mozart drüber steht noch so einen Rang behalten dürfen. Gould wußte genau wovon er sprach.
Die Orchesterwerke sind was anderes, wie gesagt ich rede nur über einige seiner Klaviersonaten

Glaub mir, ich kenne die Sonaten. Und ganz besonders kenne ich die Abgründe der späteren Sonaten. Du ganz offensichtlich nicht.
 

Tempoangaben sind nie Schwachsinn und schon gar nicht kontraproduktiv. Genau genommen sind sie auch charakterangaben, und das nicht nur, weil "Allegro" eigentlich "fröhlich" heißt.
Ein Allegro ist deshalb keine festgelegte Metronomzahl (und ja, diese Einteilung am Rädchen oder Stängelchen ist völliger Schwachsinn), weil für jedes Stück ein anderes Tempo einen Allegro-Charakter hervorruft. Man sucht also nicht nur nach dem Allegro-Tempo, sondern nach Tempo, das den Charakter eines Allegro hervorruft. Klingt kompliziert?

Es ist gängige Praxis, dass "Allegro" mit "Presto" verwechselt wird. Wenn ein Stück am absoluten Tempolimit gespielt wird (weil es schneller nur noch affig oder unverständlich klingt), dann ist das kein Allegro mehr, sondern ein Presto bis Prestissimo. Allegro ist ein schnelles, aber auch beschwingtes, zusammenfassendes, bewegtes Tempo. Presto empfinde ich vordergründiger als schnell, vielleicht auch im Sinne von "sich beeilen" oder "gehetzt sein", von spritzig-witzig oder besonders virtuos. Das sind natürlich nur sehr mangelhafte Beschreibungen, aber vielleicht versteht der eine oder andere, worauf ich hinaus will.

Dasselbe gilt natürlich auch für langsame Tempi. Es gibt Sonaten-Mittelsätze, über die man sowohl "Andante" als auch "Adagio" schreiben könnte - und beides würde Sinn ergeben. Das Ergebnis wäre aber durchaus anders, auch wenn die Metronomzahl möglicherweise nah beieinander liegt.
 
das schöne an Bach ist ja, das er sehr viel Freiheit lässt!

Sagen wir mal so: Die Musik ist dermaßen gut komponiert, daß sie immer noch irgendwie gut klingt, auch wenn man sie in grotesk langsamen oder grotesk schnellen Tempi spielt.

Dennoch hat natürlich auch Bach ziemlich konkrete Tempovorstellungen gehabt, er war bekanntermaßen "im Zeitmaße, welches er gemeiniglich sehr lebhaft nahm, überaus sicher". Und er machte ja auch hin und wiederTempoangaben, die er so formuliert hat, daß damalige Musiker damit etwas anfangen konnten.
 
Wie spießig ist es denn, wenn alle so spielen müssen , wie irgendeine x-beliebige Musikwissenschaftlerin oder angemaßter Musikexperte vorgeben
was verkopfte Musiktheoretiker als allerneueste Erkenntnis grad wieder ausgegraben haben und alles vorherige als veraltet wegbeißen.
Es gibt grundsätzlich zu jedem Thema mindestens 2 Meinungen, Musiktheorie und Musikgeschmack ist ja nun nicht grad eine axiomatisch aufgebaute Wissenschaft, auch wenn scheinbar jeder Musikwissenschaftler seiner Generation so tut, als ob er grad die unwiederstößliche Wahrheit gefunden hätte (in der Realität außerhalb clavio ggf. doch anders)
Ja, wahrscheinlich zerfetzt Du den dort gleich als veraltet etc. (ja, er verspricht sich gleich am Anfang) - man gönnt sich ja untereinander nicht die Butter auf dem Brot

Ist mal wieder gemeinschaftliches Musikwissenschaft-Bashing dran?
Leute, macht Euch doch mal wenigstens über die Realität kundig. Musiktheorie ist nicht dasselbe wie Musikwissenschaft, und individueller Musikgeschmack ist nochmal ein ganz anderes Faß.
 
Es kommt halt auch darauf an, welchen Standpunkt man einnimmt.
Wenn man den Anspruch hat, ein Werk möglichst als das auszudrücken, was es ist und als was es gemeint ist, dann sollte man wissen, was man tut. Das heißt, man sollte etwas über die Musikgeschichte, über die musikalische Sprache des Komponisten, über den damals herrschenden Stil, über die musikalischen Formen usw. wissen. Denn sonst fabriziert man irgendwas zusammen und verliert sich in subjektiver Beliebigkeit.

Leute wie Glenn Gould sind zwar nicht dieser Beliebigkeit verfallen, da man das entsprechende Hintergrundwissen voraussetzen kann. Trotzdem war die sehr spezielle Persönlichkeit Goulds sicher mit ein Grund dafür, warum er - seinen sehr speziellen Ideen folgend - manche Stücke grotesk verzerrt hat.
Darin kann man eine schwere Sünde sehen, wenn man den obigen Anspruch vertritt. Andererseits hat Gould manche Werke auch in einer zwar ungewöhnlichen, aber auch bereichernden Weise gespielt, weil sie eine neue Seite des jeweiligen Stücks zum Vorschein brachte.
Dieses Experimentieren mit bekannten Werken führt vielleicht zwangsläufig immer wieder zu bizarren Irrungen, ist aber etwas ganz anderes als die Beliebigkeit, die aufgrund von fehlendem Hintergrundwissen nur auf dem subjektiven Geschmack beruht und die Noten nur als selbstgerechte Projektionsfläche für die eigenen "Gefühle" o.ä. nutzt.

Um zum Thema zu kommen: Ein authentisches Tempo - wobei es natürlich eine gewisse Bandbreite gibt - hängt von der "Beschaffenheit" des Werks ab (ähnlich wie wie @Stilblüte es weiter oben geschrieben hat). Wie die Melodien, Rhythmen, Harmonien, Formen, Taktangaben, Tempoangaben usw. komponiert und aufeinander bezogen sind, ist eben - auch im Hinblick auf die historische Stellung eines Werks - alles andere als beliebig, sondern hatte immer bestimmte Bedeutungszusammenhänge. Das Wissen darüber war zu früheren Zeiten selbstverständlich, aber heutzutage, wo ja (fast) alles erlaubt ist und deshalb vielfach kein Gefühl der "Gebundenheit" an bestimmte Bedeutungen mehr vorhanden ist, erkennt man das nicht mehr.

Eine Seufzerfigur wie in Bachs f-Moll-Präludium, WTK II, kann man in diesem Tempo spielen:


Oder in diesem:


Oder in diesem:


Das beste Tempo ergibt sich z.B. aus der Bedeutung solcher Seufzerfiguren (die auf dem Zusammenspiel von Spannung und Enspannung in der tonalen Musik basieren und deren Erleben nicht in jedem Tempo gleich gut möglich ist), kombiniert mit dem Wissen über den oft religiösen Zusammenhang der Bach'schen Musik (und anderen Aspekten).
Das heißt, ein Tempo wie von Gould geht hier grotesk am Stück vorbei.
Es sollte aber auch nicht zu langsam sein, da ein Klavierton nach dem Anschlagen sofort anfängt zu verklingen und der "klingender Fluss" leicht abbricht, wenn zu viel Zeit vergeht - und die Musik dann auseinanderfällt (siehe Goulds A-Dur-Thema von KV 331). Ich finde deshalb die Interpretation in dem dritten Video oben schon nah am unteren Ende der Temposkala.

Das mal als ein Beispiel zum passenden ("authentischen") Tempo.

Grüße von
Fips
 
aber du kennst doch bestimmte dunkle Rapper in den USA die sich selber auch mit ethnischen Schimpfwörtern bezeichnen und sich damit glauben zu emanzipieren

"Dunkle Rapper"? Also im Sinne von "dark"? So werden sie sicher am liebsten bezeichnet.
Besonders dann, wenn du ihnen erklärst, wie sie sich emanzipieren könnten!

Und dann doch auch noch hierzu:

@rolf
ich habe den Beitrag nicht gelesen ...
... du bist nicht nur unverschämt, sondern näherst dich damit langsam einer Straftat.

Ist das nicht ein bisschen arg aufgeregt? Ich dachte eigentlich, aufgeregte Bürger seien das größere Problem als die Einhaltung der p.c. at all times.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ja natürlich nicht alle,
aber bei Bach habe ich noch nie Langweiligkeit empfunden! Händel langweilt mich hingegen öfters!
nun @maxe das klärt die ungeschickt gestellte Frage im Fadentitel keineswegs, sondern ist völlig wurscht... Und klar, Mozigemba und Wodgurka, coole Ami-Rapper und der noch viel coolere Mr. Wolfe (pulp fiction) sowie eine mit viel Silikonholz vor der Hütte bestückte Frau Buster - sie alle tragen ebenfalls nichts dazu bei.

(...) Außerdem, was heißt schon Allegro...?
...diese Frage zeigt schon eine eklatante Wissenslücke! Als erstes lies´ dir die Hinweise von @Stilblüte und @Fips7 durch, da stehen sehr richtige Bemerkungen drin. Als zweites schäme dich für dein plumpes Versäumnis, welches darin besteht, dass du dich bzgl "allegro" und was das bedeutet gar nicht erst kundig gemacht hast. Du hättest stattdessen Artur Kolisch (in musikkonzepte zusammengefasst) erstmal lesen können! Der Schönbergschüler hatte anhand der originalen Metronomangaben Beethovens*) im Vergleich mit Taktarten und Tempobezeichnungen möglichst authentische Beethoventempi ermittelt und mit den Tempoüberlieferungen (Czerny, Moscheles) verglichen. Man weiss heute ziemlich genau, was ein allegro di molto etc bei Beethoven bedeutet. Und Beethoven hatte die Musikpraxis seiner Zeit nicht umgekrempelt, sondern befand sich innerhalb der Aufführungstradition.
Übrigens kennt man auch authentische Aufführungsdauern z.B. von Sinfoniesätzen und Ouvertüren etc.
...deine plumpe Frage zeigt, dass dir das alles unbekannt war --- mein Tipp: mach´ dich künftig kundig, bevor du mit großer Geste joviale Erläuterungen trompetest.
Selbstredend gehören Tempoangaben, seien sie sprachlich oder Metronomzahlen, zum Notentext dazu! Wenn sie in Manuskript stehen oder wenigstens in der Erstausgabe, dann sind sie auch authentisch - und dann erübrigt sich die etwas wunderliche Frage, wie authentisch sie sein können. Meistens stört sich auch keiner, nicht einmal die große Schar der Laien, an diesen; lediglich ein paar Extremfälle bzgl. der Metronomisierung sorgen immer mal wieder für Trubel (Hammerklavier, Träumerei, paar Etüden). Meistens stört sich auch keiner daran, dass ein schneller Sonatensatz schnell, eine flotte Ouvertüre flott gespielt wird.
Da vom "Gefühl" und "Geschmack" die Rede auch noch war: diese sind nicht willkürlich frei Schnauze, sondern stammen hier, bzgl der Tempi, nicht von schwadronierenden Laien - es sind die Musiker, die in den Aufführungstraditionen wirken. (wer noch zweifelt, der informiere sich mal über Opern und Tempi, da kräht keiner, wenn - richtig - die Ouvertüre der Zauberflöte flott daher kommt. Wie kommt es zu den Tempi bei Verdi? usw)
Damit sollte eigentlich alles klar sein.

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*) der hatte geplant, sein komplettes Oeuvre zu metronomisieren, weil ihn die Willkür der Musikanten in Sachen Tempo störte, führte diesen Plan aber mortuis Causae nicht mehr aus
 
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Eine Seufzerfigur wie in Bachs f-Moll-Präludium, WTK II,

Eine "Seufzerfigur" für sich sagt noch nichts über das Tempo aus.

Wenn man nur die ersten drei Takte anschaut, könnte man das für einen Klagegesang halten. Wenn ich mir das ganze Stück anschaue, erinnert mich das viel mehr an diverse Toccaten.

Bei der folgenden Stelle würde ich zwar die ersten zwei Achtel binden (Vorhaltsauflösung), aber das Tempo wird durch die Toccatenfiguren bestimmt.
upload_2018-4-6_9-32-2.png

Und ist das hier so viel anders?

upload_2018-4-6_9-36-2.png

Was bei Glenn Gould skurril wirkt, ist die Artikulation: das erste Achtel im Takt spielt er kurz, das zweite lang. Er reißt die Vorhaltsauflösung auseinander und macht eine Synkope daraus.

Und wie hat man zu Bachs Zeiten wohl die 2/4-Bezeichnung verstanden?

"Der Zweyvierteltackt hat die Bewegung des Allabrevetackts, wird aber weit leichter vorgetragen." (Johann Philipp Kirnberger)
 
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