B
BerndB
Guest
Ein Klavier.. ein Klavier.. Teil 3
Bei meinem Besuch am Freitag hatte ich einige noch offene Fragen klären können. In der ebay-Annonce stand nichts zu Resonanzboden und Stimmstock. Der Meister sagte, natürlich sei der Resonanzboden überarbeitet worden. Der sei ausgefräst und mit neuen Spänen aufgearbeitet worden, anschließend Komplettlackierung.
Er sagte mir, dass Steinway ein Betriebsgeheimnis zum Fertigen des Resonanzbodens habe. Bei den meisten Klavieren öffne sich ein Riss, wenn es zu trocken wird. Risse seien nichts per se Schlimmes, erst wenn sie aneinander scheppern, wird’s unangenehm, dann muss was passieren. Bei Steinway-Soundboards würden sich auch Risse bilden, aber die schöben sich gegeneinander und hielten den Riss im Wesentlichen geschlossen, dass er keine Schnarr-Geräusche machen werde. Der Meister sagte, er sei zwar früher bei Steinway tätig gewesen, aber er wisse auch nicht so genau, wie die das machten. Der Resonanzboden sei jedenfalls keine ebene Platte, sondern der flügelförmige Ausschnitt aus einer Kugel, die einen Durchmesser von vca. 16 Metern habe.
Zum Stimmstock nannte er mir, dass darin zwei Übermaße an Stimmnägeln drinsteckten. Da habe ich mal als Schonung des alten und wohl noch guten Stimmstocks interpretiert, ihn also mit etwas dickeren Nägeln unter ein wenig höhere Spanung zu setzen, aber nur knapp soviel, wie erforderlich sei. Hierzu bin ich einem Irrtum erlegen (später mehr dazu).
Die ganze Zeit über sagte mein Bauch mir: Junge, du bist da an einer super Sache dran.. Das ist gut, so unglaublich gut, das wirst du nicht bereuen.
Das war der Samstag, an dem ich eigentlich mit der Familie nach Hannover gewollt hatte. Aber das Wetter war zu übel - verschneite Autobahnen, Unfälle. Beschluss des Familienrates: das lassen wir bleiben. Meine Lieben entschwanden zu Fuß zum Einkaufen in die Stadt. Und ich rief den Verkäufer an bzw. seine Frau.
Meine Botschaft: Jawohl. Ich will.
Damit ging ich in Vorlage. Ich hatte meine obligatorische Nacht darüber geschlafen, und ich war ganz ruhig, keinerlei Zweifel keimten - für mich war die Sache klar. Der Handel musste nun nur noch der Familie verkauft werden..
Der Verkäufer sprach an, dass er weitere drei Interessenten habe, die vorbeikommen und den Flügel sehen wollten. Am Montag bekomme er Besuch aus Belgien..
Ich versicherte ihm, dass meine Entscheidung stehe. Mit seiner Frau hatte ich verabredet, mir in der Nachbarschaft ein Faxgerät zu suchen, auf das sie einen Kaufvertrag senden wolle. Das klappte nicht, weil ein Nachbar, der lange Heimarbeit machte, sein Büro mittlerweile aufgelöst hatte. Aber am Montag becircte ich die Sekretärin unseres hohen Bosses, mit dem ich prima kann. Eigentlich ist das unbeliebt, Kommunikationseinrichtungen des Unternehmens für private Zwecke einzusetzen, aber .. nun ja, egal..
Nachmittags kam der Anruf der Kollegin aus dem Sekretariat, da sei eine Din-A-4-Seite für mich gekommen.. Sowas sind allerdings Nachrichten, die sich mitunter auf Bürofluren blitzschnell verbreiten - der Kaufpreis war darauf notiert.. Ohne zu zögern ging ich ins Nachbargebäude, bevor dieser Zettel Allgemeintalk werde...
Mich plagte diese Vorstellung von einem Belgier.. Ich kenne Belgier, habe viel (und meinst gern) mit ihnen beruflich zu tun, da eine Fertigung bei einer ehemaligen belgischen Tochergesellschaft in engem Kontakt mit uns steht.
Ich steigerte mich in eine Vorstellung hinein: wohlhabender Mann, groß, genussfreudig, Zigarre schmauchend, großes Auto, dicker Mercedes oder 7er BMW mit Achtzylinder-Diesel, 240 PS, mindestens, vielleicht gleich den Anhänger oder Transporter dabei..
Und fett das Bargeld in der linken Hosentasche.. „Hier, Meister, ich will den Steinway. Ich nehme den Flügel gleich mit, dann haben Sie den von den Füßen. Hier ist Bares, Ihr Geld.. Wer weiß, ob der andere, den Sie als Käufer haben, überhaupt zahlt..“
Das wurde schlimm, mein Blutdruck stieg und stieg mit diesem Bild.. Ich war zeitweise nicht mehr befähigt, zu arbeiten, mich auf anderes zu konzentrieren als auf diese fixe Idee, dass ein reicher Belgier mir "meinen" Flügel wegschnappe.. Statt dessen hielt ich gemeinerweise noch einen Kollegen von der Arbeit ab, ihm meine Nöte zu verklickern..
Doch hinterm Mittag wurde ich ruhiger. Nein, sagte ich mir: wir haben eine Verabredung unter ehrbaren Männern. Das zählt. Er hält seinen Teil, ich meinen auch. Ich werde da nicht ausmanövriert. Ich habe durchaus ein paar Tage Zeit, mit dem Geld herüberzukommen. Erst wenn ich binnen 7 oder 10 Tagen immer noch nicht gezahlt hätte, dürfte er sich u.U. frei sehen, mit anderen Interessenten anderweitige Vereinbarungen zu treffen.
Am Sonntagabend davor hatte ich eine Idee: ich stellte zuerst den Überweisungsbeleg fertig. Noch vor dem Eintreffen der Überweisung (das kann gern mal zweidreivier Tage dauern..; ich mache kein Online-Banking) machte ich von meinem Kontoauszug einen Scan, sandte den mit ein paar freundlichen Worten als Mail nach Hannover, damit sie klar sähen, dass ich mir den Flügel auch leisten könne und keine Sorgen haben müssten, ich sei eventuell ein Hallodri, der mal nett vom Flügelkaufen schwätze, dann aber doch nicht mit Geld herüberkomme..
Ich kündigte seiner Frau an, dass das Geld ihrem Konto voraussichtlich am Mittwoch oder Donnerstag gutgeschrieben werde.
Am Dienstagabend ging ich mal probehalber zum Geldautomaten, Kontostand prüfen. Niemals in meinem Leben war ich so froh, arm zu sein: Das Geld war bereits abgebucht. Damit hatte der Verkäufer es zwar noch nicht, aber es war so nur eine Frage eines oder zweier Tage, bis er oder seine Frau die Gutschrift sähen.
FF.. Fortsetzung folgt
Bei meinem Besuch am Freitag hatte ich einige noch offene Fragen klären können. In der ebay-Annonce stand nichts zu Resonanzboden und Stimmstock. Der Meister sagte, natürlich sei der Resonanzboden überarbeitet worden. Der sei ausgefräst und mit neuen Spänen aufgearbeitet worden, anschließend Komplettlackierung.
Er sagte mir, dass Steinway ein Betriebsgeheimnis zum Fertigen des Resonanzbodens habe. Bei den meisten Klavieren öffne sich ein Riss, wenn es zu trocken wird. Risse seien nichts per se Schlimmes, erst wenn sie aneinander scheppern, wird’s unangenehm, dann muss was passieren. Bei Steinway-Soundboards würden sich auch Risse bilden, aber die schöben sich gegeneinander und hielten den Riss im Wesentlichen geschlossen, dass er keine Schnarr-Geräusche machen werde. Der Meister sagte, er sei zwar früher bei Steinway tätig gewesen, aber er wisse auch nicht so genau, wie die das machten. Der Resonanzboden sei jedenfalls keine ebene Platte, sondern der flügelförmige Ausschnitt aus einer Kugel, die einen Durchmesser von vca. 16 Metern habe.
Zum Stimmstock nannte er mir, dass darin zwei Übermaße an Stimmnägeln drinsteckten. Da habe ich mal als Schonung des alten und wohl noch guten Stimmstocks interpretiert, ihn also mit etwas dickeren Nägeln unter ein wenig höhere Spanung zu setzen, aber nur knapp soviel, wie erforderlich sei. Hierzu bin ich einem Irrtum erlegen (später mehr dazu).
Die ganze Zeit über sagte mein Bauch mir: Junge, du bist da an einer super Sache dran.. Das ist gut, so unglaublich gut, das wirst du nicht bereuen.
Das war der Samstag, an dem ich eigentlich mit der Familie nach Hannover gewollt hatte. Aber das Wetter war zu übel - verschneite Autobahnen, Unfälle. Beschluss des Familienrates: das lassen wir bleiben. Meine Lieben entschwanden zu Fuß zum Einkaufen in die Stadt. Und ich rief den Verkäufer an bzw. seine Frau.
Meine Botschaft: Jawohl. Ich will.
Damit ging ich in Vorlage. Ich hatte meine obligatorische Nacht darüber geschlafen, und ich war ganz ruhig, keinerlei Zweifel keimten - für mich war die Sache klar. Der Handel musste nun nur noch der Familie verkauft werden..
Der Verkäufer sprach an, dass er weitere drei Interessenten habe, die vorbeikommen und den Flügel sehen wollten. Am Montag bekomme er Besuch aus Belgien..
Ich versicherte ihm, dass meine Entscheidung stehe. Mit seiner Frau hatte ich verabredet, mir in der Nachbarschaft ein Faxgerät zu suchen, auf das sie einen Kaufvertrag senden wolle. Das klappte nicht, weil ein Nachbar, der lange Heimarbeit machte, sein Büro mittlerweile aufgelöst hatte. Aber am Montag becircte ich die Sekretärin unseres hohen Bosses, mit dem ich prima kann. Eigentlich ist das unbeliebt, Kommunikationseinrichtungen des Unternehmens für private Zwecke einzusetzen, aber .. nun ja, egal..
Nachmittags kam der Anruf der Kollegin aus dem Sekretariat, da sei eine Din-A-4-Seite für mich gekommen.. Sowas sind allerdings Nachrichten, die sich mitunter auf Bürofluren blitzschnell verbreiten - der Kaufpreis war darauf notiert.. Ohne zu zögern ging ich ins Nachbargebäude, bevor dieser Zettel Allgemeintalk werde...
Mich plagte diese Vorstellung von einem Belgier.. Ich kenne Belgier, habe viel (und meinst gern) mit ihnen beruflich zu tun, da eine Fertigung bei einer ehemaligen belgischen Tochergesellschaft in engem Kontakt mit uns steht.
Ich steigerte mich in eine Vorstellung hinein: wohlhabender Mann, groß, genussfreudig, Zigarre schmauchend, großes Auto, dicker Mercedes oder 7er BMW mit Achtzylinder-Diesel, 240 PS, mindestens, vielleicht gleich den Anhänger oder Transporter dabei..
Und fett das Bargeld in der linken Hosentasche.. „Hier, Meister, ich will den Steinway. Ich nehme den Flügel gleich mit, dann haben Sie den von den Füßen. Hier ist Bares, Ihr Geld.. Wer weiß, ob der andere, den Sie als Käufer haben, überhaupt zahlt..“
Das wurde schlimm, mein Blutdruck stieg und stieg mit diesem Bild.. Ich war zeitweise nicht mehr befähigt, zu arbeiten, mich auf anderes zu konzentrieren als auf diese fixe Idee, dass ein reicher Belgier mir "meinen" Flügel wegschnappe.. Statt dessen hielt ich gemeinerweise noch einen Kollegen von der Arbeit ab, ihm meine Nöte zu verklickern..
Doch hinterm Mittag wurde ich ruhiger. Nein, sagte ich mir: wir haben eine Verabredung unter ehrbaren Männern. Das zählt. Er hält seinen Teil, ich meinen auch. Ich werde da nicht ausmanövriert. Ich habe durchaus ein paar Tage Zeit, mit dem Geld herüberzukommen. Erst wenn ich binnen 7 oder 10 Tagen immer noch nicht gezahlt hätte, dürfte er sich u.U. frei sehen, mit anderen Interessenten anderweitige Vereinbarungen zu treffen.
Am Sonntagabend davor hatte ich eine Idee: ich stellte zuerst den Überweisungsbeleg fertig. Noch vor dem Eintreffen der Überweisung (das kann gern mal zweidreivier Tage dauern..; ich mache kein Online-Banking) machte ich von meinem Kontoauszug einen Scan, sandte den mit ein paar freundlichen Worten als Mail nach Hannover, damit sie klar sähen, dass ich mir den Flügel auch leisten könne und keine Sorgen haben müssten, ich sei eventuell ein Hallodri, der mal nett vom Flügelkaufen schwätze, dann aber doch nicht mit Geld herüberkomme..
Ich kündigte seiner Frau an, dass das Geld ihrem Konto voraussichtlich am Mittwoch oder Donnerstag gutgeschrieben werde.
Am Dienstagabend ging ich mal probehalber zum Geldautomaten, Kontostand prüfen. Niemals in meinem Leben war ich so froh, arm zu sein: Das Geld war bereits abgebucht. Damit hatte der Verkäufer es zwar noch nicht, aber es war so nur eine Frage eines oder zweier Tage, bis er oder seine Frau die Gutschrift sähen.
FF.. Fortsetzung folgt