Stück auf Zieltempo bringen

  • Ersteller des Themas Viva La Vida
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Man sollte "Leistung" nur nicht automatisch negativ konnotieren.

Na hör mal, wir leben im Jahr 2019 und in der Bundesrepublik Deutschland. Der "Leistungsgedanke" ist hier vollständig verpönt! :010:

(Nein, das war keine Ironie, sondern Sarkasmus.)


Bei einigen Sportarten steht ein Ziel im Mittelpunkt: nämlich zu gewinnen bzw. sich mit anderen zu vergleichen. Die Freude und überhaupt das Emotionale sind zweitrangig.

Lieber Demian, was bereitet größere Freude und weckt tiefere Emotionen als zu gewinnen? Als etwas zu schaffen? Als die Überwindung von sich selbst und anderen? Warum hat der Sport mehr Anhänger als das Klavierspiel, und warum zieht ein Sportereignis größere Massen in seinen Bann als ein Klavierkonzert?

Dieses Bündel (rein rhetorischer) Fragen möge Dir nur einen Stups geben. Sport und Emotion, das ist eins, und zwar egal bei welcher Sportart. Die daran beteiligte Neurotransmittersoße ist evolutionär uralt.

Aber die immerwährende Glückseligkeit erlangt man dadurch dann auch wieder nicht.

Die schlechte Nachricht lautet: Die immerwährende Glückseligkeit erlangt man (glücklicherweise) sowieso nicht.

Glücklich zu sein ist eine Einstellungssache.
"Glück zu haben" ist "glücklicher Zufall".
"Glückseligkeit" (was genau soll das sein?) ist ein Zustand mit hohem Unzufriedenheits-/Unglückspotenzial. Als menschliche Wesen brauchen wir die Ἀνάγκη, die uns vor sich her treibt. Haben wir sie nicht, werden wir neurotisch oder Schlimmeres. Sieht man heutzutage leider allenthalben.

Als Psycho-Ersatz für fehlende Ἀνάγκη sind wir (Bürger eines der augenblicklich noch wohlhabendsten Staaten der Welt) des Glückes teilhaftig, uns selbst eine zimmern zu dürfen, ganz individuell – zum Beispiel alle Arten von Selbstoptimierung. In einem halben Jahr besser klavierspielen zu können als heute. In einem halben Jahr deutlich mehr zu wissen als heute. Oder in einem halben Jahr schneller rennen, höher springen (oder was-weiß-ich) zu können als jetzt.

Auch ein Usain Bolt sucht neue Herausforderungen. ;-)
 

Wie soll ich das jetzt in einem textbasierten Medium vorführen?

Eine Übung nützt dir außerdem nichts, wenn du nicht genau dasselbe Problem mit genau demselben Stück hast. Das ist, wofür Einzelunterricht mit KL eigentlich da ist: auf den jeweiligen Pianisten zugeschnittene Lösungen für individuelle technische Probleme anbieten. Wenn dein KL das nicht kann, verschwendest du deine Zeit und dein Geld.
 
Ich habe weder die ersten 2 Seiten (die sind eh einfach) noch die übrigen Seiten der Ondine noch irgendwas aus Scarbo jemals mit Metronom geübt
@rolf hatte irgendwann verlautbaren lassen, dass auch die ersten beiden Seiten keineswegs "einfach" seien... deswegen hatte ich ja das metronombasierte Üben (unter anderem) an diesen getestet.

Man sollte da wohl einen Klang erreichen, der in die Richtung der herausragenden Perlemuter-Aufnahme geht (die Tremoli-Repetitionen also piano, schnell, und lebendig klingend).

Das ist ebenfalls ein lernmotorisch interessanter (und komplexer) Fall. Noch nie hat sich bei mir eine so komplexe Mischung aus Oberarm-, Handgelenk-, und Fingeraktivität herausgebildet, um solche Klangeigenschaften zu erreichen.

Ziemlich sinnlos, es einem Klavierschüler erklären zu wollen, was da abläuft. Davon abgesehen, helfen reine Erklärungen auch nur sehr bedingt dabei, irgendetwas "in die Neuronen zu programmieren". Das geschieht nur durch aktives Tun (sprich: Üben).

 
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Warum hat der Sport mehr Anhänger als das Klavierspiel, und warum zieht ein Sportereignis größere Massen in seinen Bann als ein Klavierkonzert?
Neben dem komplexen musikalischen Aspekt, der sich nicht jedem erschließt, dürfte vielleicht auch sowas wie "kann ich auch" oder "könnte ich auch" daran beteiligt sein.

Einen Ball herumzukicken, kann sich noch jeder irgendwie vorstellen und hat wohl jeder auch schon mal gemacht. Mit zehn Fingern die schmalen Tasten eines Flügels zu bedienen, "beflügelt" wohl nur eher Wenige bzw. wirkt auch irgendwie wohl etwas fremdartig auf die Unbedarften.

Ist wohl ein gutes Beispiel für "Massengeschmack" vs. "erlesenerer Geschmack" (siehe den anderen Parallel-Faden).
 
was bereitet größere Freude und weckt tiefere Emotionen als zu gewinnen?

Einfach nur zu gewinnen ist ja wohl so ziemlich das Ödeste, was es gibt.

Als etwas zu schaffen? Als die Überwindung von sich selbst

Damit sieht es schon anders aus. Die korrekte, saubere oder schöne Ausführung von etwas, was man nicht einfach so aus dem Ärmel schüttelt. Das Tun und das Schaffen, was die Aufgabe erfordert oder übertrift.


Und immer wieder haut diese extrinsische Motivation dazwischen, die nur durch den Ansporn von außen kommt. Der Vergleich mit Anderen. Das Tun verschwindet im Hintergrund, Hauptsache niemand ist besser.

Die schlechte Nachricht lautet: Die immerwährende Glückseligkeit erlangt man (glücklicherweise) sowieso nicht.

Mit dem Vergleich mit anderen oder dem Abhaken von Zielen bestimmt nicht.

Mit der Erlangung und Erhaltung einer Fähigkeit und mit ihrer Ausübung schon.

Auch ein Usain Bolt sucht neue Herausforderungen.

Nur Laufen ist ja auch ziemlich Stumpf.
 
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Ja? Dann mach doch mal ein Video davon, wie du einen Luftsprung im halben Tempo machst!
Salto ist nicht Klavier. Ist ungefähr so man redet vom Auto fahren und jemand kommt mit spatzieren daher.

Das Vieo mit 0.25 abspielen. Bewegungen sind dann einfach langsamer das wars. Sie sind auch umkehrbar.


Eine Übung nützt dir außerdem nichts, wenn du nicht genau dasselbe Problem mit genau demselben Stück hast. Das ist, wofür Einzelunterricht mit KL eigentlich da ist: auf den jeweiligen Pianisten zugeschnittene Lösungen für individuelle technische Probleme anbieten. Wenn dein KL das nicht kann, verschwendest du deine Zeit und dein Geld.
Vielleicht kann man deine Übung auf was anderes umsetzen?
Bisher gings ja mit langsam schneller werden, aber hat vielleicht länger gedauert als notwendig.
 
Spannend, ich habe noch nie Klavierspiel in Zeitlupe angesehen. Man sieht im Winkel der Hände deutlich, welche Kräfte das Gewicht der Hände bei den schnellen Sprüngen auslöst.
Ganz anders als wenn man langsam spielen würde.
 

Hat ja niemand gesagt. Aber auch beim Klavierspielen gibt es viele Techniken, bei denen man mit der Schwerkraft spielt. Und die Beschleunigung, die sich aus der Schwerkraft ergibt, ist nun mal nicht veränderbar - es sei denn, man spielt auf dem Mond. Wenn man nun eine von der Schwerkraft abhängige Bewegung verlangsamt, dann muss man dieser Schwerkraft aktiv entgegenarbeiten, und daraus ergibt sich dann ein völlig anderes Bewegungsmuster. Ähnliches gilt für Schwünge, bei denen die Trägheitskraft eine große Rolle spielt.
 
Hat ja niemand gesagt. Aber auch beim Klavierspielen gibt es viele Techniken, bei denen man mit der Schwerkraft spielt.
Ich würde sagen, das ist eher bei so Sportarten wie Eiskunstlauf der Fall, dass man in besonderem Maße mit der Schwerkraft zu tun hat. Ein nicht perfekt kontrollierter Sprung endet dann in einem Patzer.
Wenn man nun eine von der Schwerkraft abhängige Bewegung verlangsamt, dann muss man dieser Schwerkraft aktiv entgegenarbeiten, und daraus ergibt sich dann ein völlig anderes Bewegungsmuster. Ähnliches gilt für Schwünge, bei denen die Trägheitskraft eine große Rolle spielt.
Wir haben beim Klavierspiel (natürlich) auch physikalische Einflüsse wie Trägheit, Masse, Gewichtskraft, Beschleunigung...

Aber dass "völlig andere Bewegungsmuster" entstehen würden, wenn ich etwas auf dem Klavier schnell ausführe (gegenüber langsam), das müßtest Du einmal näher erläutern... das meine ich nämlich nicht.

Klar ändern sich ein paar Dinge... besonders wenn es in den virtuosen Bereich geht, in der Hauptsache im Kopf, im Denken, und in der Vorstellung, worüber wir hier noch gar nicht so besonders geredet haben.
 
das müßtest Du einmal näher erläutern
Die Bewegungen mögen im langsamen Tempo gleich aussehen, das Körpergefühl ist jedoch ein völlig anderes. Wenn du beispielsweise die Sprungsequenz im Mephistowalzer langsam übst, musst du den Arm jedesmal aktiv von einer Stelle zur anderen tragen. Im Tempo gibt man aber nur einen kurzen Impuls (wie beim Absprung im Eiskunstlauf) und danach fliegt der Arm ohne jede (hebende) Muskelaktivität zum Ziel. Das ist etwas völlig anderes und lässt sich langsam nicht üben.

Man kann das auch an der (wesentlich einfacheren) Chopin-Etüde op. 25/4 prüfen. Durch allmähliche Steigerung langsamer Bewegungen wird man zwar ein gewisses Tempo erreichen, aber niemals das Zieltempo, weil ab einem bestimmten Punkt das Bewegungsgefühl schlagartig ein völlig anderes sein muss.
Amateure, die diese Etüde so üben, finden deshalb immer die linke Hand dieser Etüde viel schwieriger als die Rechte. Dabei ist es umgekehrt - die linke Hand ist ganz schnell abgehakt, wenn man die Bewegung richtig übt (und das ist eben nicht langsam!). Ein differenziertes Spiel der Synkopen rechts ist die eigentliche Schwierigkeit dieser Etüde.
 
Aber dass "völlig andere Bewegungsmuster" entstehen würden, wenn ich etwas auf dem Klavier schnell ausführe (gegenüber langsam), das müßtest Du einmal näher erläutern... das meine ich nämlich nicht.

Lieber Dreiklang,

das ist z.B. bei Anschlagsarten und Klangbildern so, die ich je nach gewünschtem Klang und Tempo sehr verschieden ausführe. Oktaven können langsam ausgeführt mit einem Armschwung pro Oktave gespielt werden, leise schnelle Oktaven werden plötzlich mit erhöhtem Handgelenk und schnellen Handgelenksbewegungen ausgeführt, laute schnelle Oktaven werden mit Einsatz des gesamten Arms gespielt. Es würde also nichts bringen, schnelle Oktaven ständig langsam zu üben.

Staccato wird je nach Klangbild und Tempo sehr unterschiedlich ausgeführt, mal im Wesentlichen aus dem Finger, mal mehr aus dem Handgelenk, mal aus dem Arm .... .

Diese Beschreibungen sind dabei alle ungenau und nur live zu zeigen - niemals sind Bewegungen isoliert, immer ist eine Koordination aller Teile des Spielapparats notwendig.

Auch Begleitfiguren können sich in der Ausführung der Bewegung im schnellen Tempo verändern. Plötzlich kann sich zeigen, dass man die Ellipse lieber in die andere Richtung macht u.v.a.m.. Das ist ein weites Feld.

Im schnelleren Tempo merkt man manchmal, dass man viel mehr Töne unter eine Bewegung zusammenfassen muss. Auch das ist ein weites Feld.

Und selbst bei ähnlichen Bewegungen wird die auszuführende Bewegung im schnellen Tempo zumindest kleiner bis kaum noch sichtbar und auch daran muss man sich manchmal erst gewöhnen.

Fazit: immer auch im Tempo üben/spielen, dann halt Notentext reduzieren (z.B. stimmenweise üben) oder kleine Abschnitte machen.

Liebe Grüße

chiarina
 

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