Ja, das ist sicher richtig, aber ich würde den Fehler nicht ausschließlich bei den Kirchen suchen. Das geht dann halt Hand in Hand.
Es ist eine Tendenz der Gesellschaft zu behaupten, es ginge alles einfach und natürlich darf man keinen ausschließen. Zwei Stories dazu:
- eine evangelische Gemeinde, bei der ich viel gespielt habe seit den 90ern wollte sich einen Schüler als Organisten "heranziehen". Dieser Schüler spielte ein wenig Klavier und war eigentlich musikalisch schon "verbildet". Die örtliche Presse zitierte ihn beim Schulkonzert der Realschule mit dem wohlfeilen Spruch: Soll ich etwas Klassisches spielen oder etwas Schönes? Der Spruch sagt ja schon viel und dass die Zeitung das auch noch druckenswert fand ebenso. Nun ja, ich sollte ihm dann auf Wunsch des Pfarrers an einem Nachmittag "zeigen, wie das mit der Orgel geht". Das ist so etwas wie das Buch "Leicht Latein lernen in einer Woche". Ich habe dann versucht, die liturgischen Akklamationen mit ihm halbwegs brauchbar hinzubekommen. Kurze Zeit später sprach mich der Pfarrer an und meinte, so ginge das ja nicht, ich hätte den armen Jungen ja völlig eingeschüchtert. Also, der müsse mal im Gottesdienst spielen. Nun ja, allzu oft hat man das nicht ertragen. Das Thema war dann schnell durch. Man hätte auch darauf vertrauen können, dass ich mein Instrumentalpädagogikexamen nicht am Automaten gezogen habe. Aber wenn man sagt, so wird das nicht klappen, ist man der konservative verstockete Miesmacher. Das geht einem mit Schulleitern übrigens genauso. Ehrliche Arbeit darf das alles nicht mehr sein.
- eine andere evangelische Gemeinde hat eine wunderbare historische Orgel aus dem 19. Jh. Ich habe ihnen angeboten, ein Benefizkonzert für die Fensterrenovierung zu spielen. Die Antwort war sinngemäß, dass es ja Leute in der Gemeinde gebe, die so komplizierte Musik nicht verstehen und man schließe in der ev. Kirche ja keinen aus. Pfarrer mit Doktortitel.
Das gibt es natürlich alles, aber dieser Schrei nach Niederschwelligkeit geht durch die gesamte Gesellschaft. Schau dir die Musikwissenschaft an, die keine Qualitätsurteile mehr fällt. Natürlich können solche Urteile falsch sein, aber man muss sie riskieren. Inzwischen wird alles unter Geschmackssache verbucht und man will um Gottes Willen keinem mehr auf die Füße treten. Also hält man alles massentauglich und möglichst glatt. Glücklicherweise nicht überall, aber so alte Knochen wie ich sind halt Auslaufmodelle, die keiner mehr wirklich haben will.