Also ich war von beiden Instrumenten (Trost II/P 36, Silbermann II/P 17) ziemlich angetan.
Erstaunlich fand ich, wie unterschiedlich der Charakter war (nicht nur bzgl. der Größe), dafür, dass die beiden Instrumente gar nicht so weit auseinander standen und innerhalb von 11 Jahren gebaut wurden.
Ich habe folgendes gespielt (und aufgenommen, darf ich aber alles nicht weitergeben):
Trost:
Passacaglia und Fuge BWV 582
Silbermann:
Vater unser im Himmelreich BWV 636
Ciacona f-Moll (Pachelbel)
Fantasie g-Moll (Pachelbel)
Erstmal zum Silbermann:
Die unglaublich schöne spätgotische, in den 1720er Jahren ausgebaute Kirche mit wunderschöner barocker Innenausstattung hat eine sehr trockene Akkustik. Die Orgel klingt sehr brilliant, der Klang in Kombination mit der Akkustik ist gnadenlos. Jeder falsche Ton, jeder auch nur minimal in der Zeit unpräzise angeschlagene Ton fällt gnadenlos auf.
Insbesondere die Prinzipalpfeifen, aber auch der Subbass 16' und die Quintadena 8' sind kräftig intoniert. Die erreichbare Lautstärke in der kleinen Kirche ist recht hoch.
Bis in die tiefsten Lagen sehr kräftig intoniert ist auch die Posaune 16'.
Recht leise und überraschend sanft ist dagegen die Mixtur.
Die Orgel ist in gutem Originalzustand, es gab keine einzige Umdisponierung in 290 Jahren, von den ca. 850 Metallpfeifen sind noch 96% original, ein paar mehr der ca. 150 Holzpfeifen mussten wegen Wurmstichigkeit ausgetauscht werden. Auch mussten einmal wegen Wasserschaden die Windkanäle repariert werden, sonst sind nur kleinere Wartungs- und Reparaturarbeiten nötig gewesen.
Das Instrument ist in Silbermann-Sorge-Temperatur gestimmt, bei den kühlen Temperaturen waren es 462Hz. Fast alle anderen erhaltenen Silbermannorgeln sind gleichstufig wohltemperiert oder in irgendeinem Kompromiss gestimmt.
Die Stimmung hört man sehr deutlich, insbesondere bei der Fantasie in g-Moll von Pachelbel. Wenn man die Standarddreiklänge spielt, klingt das Instrument reiner als man es gewohnt ist, wenn man mit Dissonanzen durch die Tonarten moduliert, klingt es teils fast verstimmt, die Dissonanzen werden viel schärfer. Bei diesem Stück gab das einen herrlichen Effekt, das kann sicherlich aber auch sehr kontraproduktiv sein.
Die Manuale waren sehr angenehm zu spielen. Nicht zu schwergängig, nicht zu leichtgängig, nicht zu klebrig, nicht zu glitschig, gut reguliert. Mit Schiebekoppel zwar etwas schwergängig, aber das würde mich auch bei Stücken mit schnellen Läufen nicht stören.
Gewöhnungsbedürftig war das Pedal. Die Mensur ist sehr viel breiter, die "schwarzen Tasten" sind kürzer und höher. Da sollte man weniger Hacke-Spitze machen und mehr brav barocken Fußsatz.
Zum Herrn Trost:
Das Instrument aus dem Jahre 1739, von Bach persönlich sehr gelobt, ist leider im 19. Jahrhundert Opfer von ein paar Umbaumaßnahmen geworden. Zu allem Überfluss war leider die Wehrmacht 1917 auch der Meinung, dass z.B. so eine schöne 16' Prinzipalpfeife sich auch hervorragend zum Einschmelzen und Herstellen von Kanonen eignet.
So ging in 280 Jahren knapp 30% des Pfeifenbestands verloren. Alle romantischen Umbauten wurden aber rückgängig gemacht und alle fehlenden Pfeifen und Register originalgetreu rekonstruiert.
Im Gegensatz zur Silbermann hat das Instrument von Trost im Verhältnis zur Größe gar nicht so viele "normale" Prinzipale. Allgemein hat sie viele nicht ganz so "orgelige", sondern viele fast schon romantisch, symphonische Register, v.a. jede Menge Streicher und Flöten. Allgemein ist die Disposition viel exotischer. So gibt es für das zweite Manual in 8'-Lage nur ein Violon und kein "normales " Prinzipal, in 4'-Lage sogar gar keins und dann erst in 2'-Lage wieder eins.
Da kommt man mit Regeln wie "man darf kein Prinzipal über ein gedacktes Register oben drauf setzen" nicht weit.
Dementsprechend braucht man eine Weile, bis man seine Registrierung gefunden hat.
Das Instrument ist weicher intoniert als die Silbermannorgel. Kräftiger und viel hervorstechender ist allerdings die Mixtur. Durch den Größenunterschied der Instrumente hinkt der Vergleich natürlich etwas. Ich habe aber auch die große Silbermannorgel im Freiberger Dom gehört, da kann ich schon sagen, dass es auch im Vergleich zwischen diesen beiden gilt. Die Akkustik in der Kirche würde ich halbtrocken mit mäßiger bis mittlerer Nachhallzeit nennen.
Inbesondere recht weich intoniert sind die Zungen. Die Posaune 16' ist noch recht kräftig, die Trompete 8' ist recht weich und fügt sich gut neben anderen 8' Registern ein. Überhaupt kann man wunderbar im Manual einige 8'Register gleichzeitig ziehen, ebenso mehrere 16'-Register im Pedal.
Die Posaune 32' kann wundervolle Gravität verleihen, ist aber nicht zu vergleichen mit einer französischen Hubschrauberknatterbombarde 32', sondern viel weicher.
Die Töne brauchen einen ganz kleinen Moment, um die volle Lautstärke zu erreichen.
Das gibt einem viele Möglichkeiten der musikalischen Gestaltung.
So lässt sich mit der Art des Staccatos wunderbar betonen, auch tritt z.B. im Mittelteil der Fuge (habe ich auf dem zweiten Manual gespielt mit ich glaube 8'Violon, ich weiß nicht mehr, evtl noch irgendeine 8'-Flöte, 4' Doppelflöte oder so ähnlich, 4' Gemshorn, 2' Prinzipal, Mixtur)
wunderbar das Thema hervor - herrlich. Sehr charakteristisch ist auch der 16' Violon im Pedal.
Durch die viele in gleicher Lage verwendbaren 8'-und 16'-Register und die 32'-Posaune ist die Orgel insgesamt recht basslastig, gravitätisch (heißt das Wort so?)
Wenn man z.B. bei der Passacaglia mehr und mehr Register zieht, wird die Orgel gar nicht sooo viel lauter, zwar immer kräftiger und mächtiger, aber doch trotzdem irgendwie auch mit vollem Werk noch sanft.
Die Koppel II/I habe ich im Übrigen gar nicht gebraucht. Die 8'-Register lassen sich so gut mischen, da ist das gar nicht nötig. Wenn ich richtig Dampf wollte, (letzte Variation der Passacaglia, Coda der Fuge), habe ich glaube ich glaube ich folgende Registrierung verwendet:
HW:
Quintadena 16' Prinzipal 8', Bordun 8', Prinzipal 4', Prinzipal 2', Mixtur, Sesquialtera, Trompete 8'
Pedal:
Prinzipal 16', Violon 16', Untersatz 16', Prinzipal 8', Posaune 32', Posaune 16', Koppel I/P
Für das "normale" Plenum z.B. sonstige Fuge habe ich Sesquialtera, Trompete 8' und Posaune 32' weggelassen.
Die Manuale gingen recht schwer, aber nicht so schwer wie gedacht. Ein bisschen unangenehmer als die von Silbermann ließen sie sich aber dennoch spielen, weil sie etwas glitschig waren. Ich habe aber z.B. schon auf einer modernen Orgel von Peters gespielt, deren Manuale meines Erachtens nach schwerer gingen.
Das Pedal hatte zumindest annähernd die Mensur wie bei modernen Instrumenten. Mit kamen die "schwarzen Tasten" einen Tick breiter vor, damit kam ich aber ganz gut zurecht. Auf der Silbermannorgel wäre ich mit dem Stück im Pedal hoffnungslos überfordert gewesen und hätte sicher Tage gebraucht, um mich damit anzufreunden.
Schade aus heutiger Sicht ist, dass Trost das Pedal (wie ja meist zu der Zeit) nur bis zum c' ausgebaut hat. Ich schätze mal, gut die Hälfte von Bachs Werk geht ja bis d', der hatte in Weimar offensichtlich ein Pedal bis d' an der Trebs-Orgel oder was da rumstand.
Trotzdem denke ich, dass es sich um eines der besten Instrumente der Welt für das Spiel von Bach handelt. Live ist natürlich immer etwas anderes, aber zumindest, wenn ich Aufnahmen höre und mit Livehörerfahrung vergleiche, bevorzuge ich für Bach die Orgeln in Altenburg oder Waltershausen gegenüber anderen berühmten historischen Instrumenten, die z.B. in Hamburg, Norden, Harlem, Weingarten, Freiberg, Dresden oder Naumburg stehen.