Spiel-/Übetechniken für Ältere

  • Ersteller des Themas Annaklena
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Also im Jugendalbum von Schumann sind auch fetzige Stücke wie fröhlicher Landmann, wilder Reiter, allerdings wirken die nicht, wenn man die mit getrennten Händen übt!

View: https://youtu.be/HZ3muZQiMt8


Und wenn man Clementi Sonatinen mit meist nähmaschinenartiger Begleitung dagegen aufregend findet, hat man wohl noch nicht so richtig den Unterschied von Klavier und Melodieinstrument rausgefunden.

View: https://youtu.be/oR-15_4BmaQ
 

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Goldig formuliert... (wobei der Bärtige in dem Video - das wirst Du gewiss zugeben - sicher nicht zu den inspiriertesten Interpreten auf dem Weltmarkt zählt).


Ernsthaft: Musik, die nach Jahrhunderten noch nicht vergessen ist und immer noch gespielt wird, verdient allein schon deshalb einen gewissen Respekt. Muss ja nicht alles jedermenschs Geschmack entsprechen.
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@Annaklena

Ob Dein Weg zu "Chopin" über Bach oder Schumann führt, ist nicht kriegsentscheidend. Wichtig wären allerdings Beharrlichkeit, Geduld und weniger Zorn darüber, dass weder Erkenntnisse noch Fertigkeiten von heute auf morgen über Dich kommen. Das gilt letztlich übrigens auch für Kinder, auch wenn ohne Zweifel die Kindheit typisch ist für den schnellsten und anhaltendsten motorischen Lernerfolg. Egal zu welchem Zeitpunkt der Biographie: Einlassen muss man sich immer.

Ein paar Gedanken noch für uns ältere Anfänger:
Ich bin recht gut gefahren mit der Taktik, ein einmal begonnenes Stück nicht aufzugeben ("beiseite zu legen"), ehe es (im Rahmen des zu Erwartenden) möglichst gut läuft. Stichwort "Sich-durchbeißen". Ich schöpfe daraus die Zuversicht, dass
1. jedes Stück "machbar" ist (das von der Klavierlehrerin als "für mich machbar" deklariert wurde)
2. Beharrlichkeit und Geduld keine leeren Schlagwörter sind (irgendwas klappt nicht? Egal, weitermachen. Es klappt auch nach fünf Stunden nicht? Egal, morgen wird es schon besser laufen. Es klappt auch am darauffolgenden Tag noch nicht? Egal, weitermachen. Irgendwann läuft es IMMER, falls man über sinnvolle Übetechniken verfügt)
3. künftige Herausforderungen kein Schrecknis darstellen, weil andere erhebliche Herausforderungen erfolgreich überwunden werden konnten.

Wenn man ein Stück vor der Zeit - also bevor es das zum konkreten Zeitpunkt mögliche Optimum der Ausarbeitung erreicht hat - weglegt, weil es einem plötzlich doch nicht mehr gefällt oder zu mühselig ist oderoder, speichert auch das alternde Gehirn die Option des allzu bequemen Scheiterns ab. Dieses fiese Teufelchen wird dann immer über die Schulter lugen und Versuchungen flüstern. :teufel:

Kurzfristige Ziele leichtfertig aufzugeben führt auch dazu, langfristig gesteckte Ziele nicht oder nicht zufriedenstellend zu erreichen. Dies ist zumindest meine aus lebenslanger Beobachtung geschöpfte Überzeugung. Gerade für uns ältere Semester, als solche behaftet mit allerlei kognitiven/motorischen Schwerfälligkeiten, ist "Lebenserfahrung" das (einzige?) Pfund, mit dem man wuchern kann und sollte. Klar, je älter man ist, desto mehr drängt sich die Versuchung auf, sich mit nichts herumzuschlagen, was vielleicht nicht ausschließlich Spaß macht. ;-) Gleichzeitig vergibt man damit Chancen.

So ein Neubeginn (in diesem Fall: Klavierspielen) birgt die Chance, im Vollbewusstsein des eigenen Charakters und der eigenen Stärken und Schwächen keine vermeidbaren Fehler zu machen, die man vielleicht in früheren Jahren schon einige Male an sich beobachtet hat.
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Gemünzt auf Deinen spezifischen Fall: So ein Ministück wie Schumanns Choral "gefällt" Dir nicht? Es kommt Dir unverhältnismäßig (Übeaufwand im Vergleich zum zu erwartenden Ergebnis) "schwer" vor? Hey, das widersetzliche Ding würd ich knacken wollen. Das ist ja allein schon aufgrund seiner geringfügigen Länge nix, worauf man Monate einplanen muss. Das stünde nach der Clementi-Sonate auf der Agenda, gnadenlos. :lol: Die begonnene Sonate muss natürlich vorher zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden.
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@Barratt
Für mich ist ein "Beiseitelegen" kein Mißerfolg und kein Weglaufen. Ich komme immer wieder auf diese Stücke oder Teile von Stücken zurück. In der Zwischenzeit erarbeite ich mir weiterführende Technik und knacke irgendwann die "Nuß".
Das ist nicht Ungeduld, sondern eher noch größere Geduld, ein bißchen "ich weiß, was ich (noch) nicht weiß".
Abstand bringt den besseren Überblick (Reculer pour mieux sauter, wie die Franzosen sagen).
LG Barbara
 
Ich für mich habe festgestellt, dass ich ganz arg drauf acht geben muss, dass ich im Rahmen des möglichen bleibe. Da vertraue ich sehr auf meine KL, was ich aber ich erst erfahren musste... ich tendiere dazu zu schwere Stücke für mich rauszusuchen, da gehen rechte und linke Hand alleine prima, aber gemeinsam der pure Krampf (vor allem bei zu vielen Lagenwechseln). Das kann ich einfach noch nicht. Ich muss dann sehr viel üben um das Ding überhaupt zum Laufen zu bringen. Und wenn es dann ans Feintuning geht, ist's wieder ein Krampf. Das ist dann im Ergebnis sehr viel unproduktiv genutzte Zeit und das Ergebnis immer noch nicht zufriedenstellend.
Daher halte ich mich lieber an Stücke, die für mich passen, aber die werden dann in adäquater Zeit auch wirklich schön.
Nur zum laufen bringen find ich nicht befriedigend, dafür höre ich zu sehr die Mängel. Das ist sicherlich ein Problem durch die musikalische Erfahrung die man über die Jahre gesammelt hat.
Da muss man als spätberufene m.E. Ganz arg darauf achten, was das wirkliche Ziel für das einzelne Stück ist, sonst gibt's Frust.


Liebe Grüße vom
Sonnendeck
 
Ich habe auch so ein paar wenig geliebte Stücke, die ich geübt und geübt habe, aber wenn der Funke nicht überspringt, bleiben es immer Stücke, die schwer von der Hand gehen. Obwohl ich sie spätestens einmal pro Woche hervorhole, bleiben sie immer die Stücke, die ich niemals jemandem vorspielen würde.
Ich sehe ein, wenn meine KL mir eine Übung gibt, die mich voranbringt, diese zu üben, aber bei Musikstücken bin ich inzwischen dazu übergegangen, nur diese zu üben, die mir auch gefallen. Denn so ein neues Stück zu üben dauert doch viel Zeit und Mühe, wenn es dann keine Freude bringt, frustriert es mich nur.

Zum Glück habe ich viele Stücke in meinem Repertoire, die mir gefallen und die mir und meiner Familie Freude bereiten, die ungeliebten Stücke hole ich immer wieder hervor, damit die Überei nicht ganz umsonst war aber manchmal siegt der innere Schweinehund und ich lege es doch wieder auf die Seite und denke morgen passt es besser.
 
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Also man sollte schon unterscheiden zwischen Stücken, die einem gefallen und/oder einen bestimmten Reiz erzeugen, aber technisch eine harte Nuss sind, und denen, die man aus didaktischen Gründen sich aufbrummt, aufbrummen lässt, aber ungeliebt sind.

Verbeißen würde ich mich nur in Stücke, die mich auch ansprechen, Stücke, die mich nicht reizen, werde ich doch nicht als Folter auf mich nehmen, dazu gibt es viel zu viel zu entdecken, als was ein Mensch überhaupt in seinem Leben schaffen kann zu spielen, das gilt auch für Profis.

Es gehört auch Selbstbewusstsein und Entschlossenheit dazu, seine Kräfte auf Lohnendes zu konzentrieren.
 
Wenn ich immer den Weg des geringsten Widerstandes genommen und nur Sachen gespielt hätte, die mir auf Anhieb gefallen haben, dann hätte ich eine Menge großartiger Musik nie wirklich kennengelernt. Es kommt gar nicht selten vor, dass zunächst sperrig erscheinende Sachen nach eingehender Beschäftigung damit zu absoluten Lieblingsstücken werden.

Umgekehrt gilt übrigens dasselbe – so manches gefällige Werk nutzt sich schon beim Üben so ab, dass man es am Ende des Tages kaum noch spielen will.
 
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Wenn ich immer den Weg des geringsten Widerstandes genommen und nur Sachen gespielt hätte, die mir auf Anhieb gefallen haben, dann hätte ich eine Menge großartiger Musik nie wirklich kennengelernt. Es kommt gar nicht selten vor, dass zunächst sperrig erscheinende Sachen nach eingehender Beschäftigung damit zu absoluten Lieblingsstücken werden.

Für uns Anfängerlein wäre es eingängiger, wenn Du dies einmal an einem Beispiel erläutern könntest. Vielleicht sogar am kleinen Choral. Das Stück klingt auch für mich sehr spröde. Welche großartige Idee, welche spannenden Harmonien und Geheimnisse verbergen sich dahinter, die uns beim ersten Hören verborgen bleiben, welchen didaktischen Zweck erfüllt dies Stück?
 
Zuletzt bearbeitet:

An dem kleinen Choral kann man als Anfänger jede Menge lernen.

Durch den homophonen Satz eignet er sich bestens als Einstieg in das Spiel mit nachgetretenem Pedal. weil man zum einen genügend Zeit für die Wechsel hat und zum anderen Unsauberkeiten sehr leicht zu hören sind. Darüberhinaus bietet sich das Stück auch dazu an, es ohne Pedal legato zu üben (mit stummen Fingerwechseln).

Außerdem ist es eine gute Studie für das mehrstimmige Spiel in einer Hand. Man kann sich ausgiebig damit beschäftigen, die beiden Stimmen unabhängig voneinander zu bekommen. Damit das Stück auf dem Klavier gut klingt, muss der Diskant deutlich lauter gespielt werden als die übrigen Stimmen, auch der Bass muss gegenüber Alt und Tenor noch etwas hervortreten.

Desweiteren kann man üben, gesanglich zu spielen, indem man genauestens darauf achtet, dass die Noten einer Choralzeile sich sauber ablösen, ohne dass eine Note dabei zu leise oder zu laut gerät.

Darüber hinaus kann man an dem Stück auch noch die Regeln des strengen 4stimmigen Satzes studieren, die Melodiebildung untersuchen, ihn zur Gehörbildung benutzen (jeweils drei Stimmen spielen, die fehlende dazu singen), auf den Fermaten Überleitungen zur nächsten Choralzeile improvisieren etc.

Und wenn man sich letzten Endes so ausführlich damit beschäftigt hat, wird man auch die satztechnische Vollkommenheit dieses kleinen Stückes erkennen und genießen.
 
Ich spiele 3 Sätze aus Messiaens "Vingt regards sur l’enfant-Jésus" und mit Anna die vier Stücke für Violine und Klavier op. 7 von Webern. Im übrigen Programm des Konzertes müssen dann die anderen Vortragenden das Publikum wieder besänftigen. :lol:

Ich glaube mick meinte weniger relativ gefällige Stücke, sondern schon etwas extremer......
 

View: https://youtu.be/TL8AYB2W8GM


Das würde mich schon reizen, zum selberspielen......eine Musiklehrerin gab mal den guten Rat anlässlich eines Vorspiels, denk dran, die Zuhörer müssen dir zuhören, .......also wozu aufregen....
 

Für Stücke, die ich erst nach intensiverer Beschäftigung wirklich mochte?

Bach, Französische Ouvertüre
Haydn, Sonate As-Dur Hob. XVI:46
Beethoven, Diabelli-Variationen
Brahms, Händel-Variationen
Hindemith, In einer Nacht
Boulez, 12 Notations


Für Stücke, die ich erst toll fand, aber inzwischen gar nicht mehr so richtig mag?

Bach, Englische Suite Nr. 1
Haydn, Sonate D-Dur Hob. XVI:37
Beethoven, Wut über den verlorenen Groschen
Chopin, Militär-Polonaise
Katchaturian, Toccata
 
An dem kleinen Choral kann man als Anfänger jede Menge lernen.

Durch den homophonen Satz eignet er sich bestens als Einstieg in das Spiel mit nachgetretenem Pedal. weil man zum einen genügend Zeit für die Wechsel hat und zum anderen Unsauberkeiten sehr leicht zu hören sind. Darüberhinaus bietet sich das Stück auch dazu an, es ohne Pedal legato zu üben (mit stummen Fingerwechseln).

Außerdem ist es eine gute Studie für das mehrstimmige Spiel in einer Hand. Man kann sich ausgiebig damit beschäftigen, die beiden Stimmen unabhängig voneinander zu bekommen. Damit das Stück auf dem Klavier gut klingt, muss der Diskant deutlich lauter gespielt werden als die übrigen Stimmen, auch der Bass muss gegenüber Alt und Tenor noch etwas hervortreten.

Desweiteren kann man üben, gesanglich zu spielen, indem man genauestens darauf achtet, dass die Noten einer Choralzeile sich sauber ablösen, ohne dass eine Note dabei zu leise oder zu laut gerät.

Darüber hinaus kann man an dem Stück auch noch die Regeln des strengen 4stimmigen Satzes studieren, die Melodiebildung untersuchen, ihn zur Gehörbildung benutzen (jeweils drei Stimmen spielen, die fehlende dazu singen), auf den Fermaten Überleitungen zur nächsten Choralzeile improvisieren etc.

Und wenn man sich letzten Endes so ausführlich damit beschäftigt hat, wird man auch die satztechnische Vollkommenheit dieses kleinen Stückes erkennen und genießen.

Das ist doch wirklich beachtlich, was an dem kleinen Stück gelernt werden kann! Mich zumindest könnte so eine Erklärung motivieren, den kleinen Choral zu lernen. Vor allem, da die Harmonien, am Klavier gespielt, oft viel schöner klingen als in einem YouTube Video.

Als erwachsene Spätanfängerin habe ich etwa in den ersten zwei Jahren tatsächlich viele Stücke deshalb gespielt, weil ich an ihnen bestimmte Dinge lernen konnte. Legato, Non Legato, Staccato, Synkopen, Seufzermotiv, verschiedene Stimmen herausarbeiten etc. Aber später haben wir nur noch Stücke gesucht, die mir gefielen. Ich glaube, das wird in den allermeisten Fällen bei erwachsenen Spätanfänger*innen so gehandhabt. Warum? Weil wir oft ein Motivationsproblem haben, uns nach einem langen Tag noch an das Klavier zu setzen. Die meisten Erwachsenen brechen nach spätestens drei Jahren den Klavierunterricht wieder ab. So lautete das Ergebnis einer Statistik, die ich mal gelesen habe. Deshalb ist es sehr wichtig für viele von uns, Stücke zu spielen, die uns wirklich ansprechen. Meist gibt es ja auch eine Auswahl an Stücken, an denen bestimmte musikalische Techniken gelernt werden können.
 

View: https://youtu.be/5utv0PO8w98


Boulez hast dir dann den Zugang zu Messiaen sozusagen bereitet?

Manche Haydn und manches Bachwerk, beide haben ja auch viel Auftragswerke geschrieben, sind eben - ich nenn das kategorisiert, ala weihnachtsmusik,- verlieren irgendwie den einzigartigen Eindruck.

Allerdings ließ doch deine Einlassung vermuten, dass besonders prägnante, Abneigung evoziierende Stücke gemeint waren, da sind Stücke von Beethoven, Brahms, Bach und co ja nun nicht gerade erwartbar, starke Abneigung zu generieren....
 
beide haben ja auch viel Auftragswerke geschrieben
Ob ein Werk ein Auftragswerk ist oder nicht, hat grundsätzlich nichts mit der Qualität dieser Musik zu tun.

Boulez hast dir dann den Zugang zu Messiaen sozusagen bereitet?
Nein. Messiaen habe ich schon immer gemocht.

Allerdings ließ doch deine Einlassung vermuten, dass besonders prägnante, Abneigung evoziierende Stücke gemeint waren, da sind Stücke von Beethoven, Brahms, Bach und co ja nun nicht gerade erwartbar, starke Abneigung zu generieren....
Es ging nie darum, welche Stücke bei wem auch immer auf Ablehnung stoßen, sondern nur um Stücke, zu denen ich selbst keinen unmittelbaren Zugang hatte. Das wiederum hat (bei mir!) nichts mit der Epoche dieser Musik zu tun. Es gibt auch jede Menge Musik des 20. Jahrhunderts, die ich auf Anhieb toll finde.
 

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