Sind sehr gute Organisten auch virtose Klavierspieler?

  • Ersteller des Themas playitagain
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Ohne jede Frage. Im Kölner Dom ist das bei der schrecklichen Akustik ziemlich egal. Dementsprechend sind die Orgelkonzerte da auch für meinen Geschmack mäßig befriedigend. In Sachen Merseburg stimmt das auch, die Traktur ist eher zäh. Das, was mir als gute mechanische Orgel vorschwebte, wäre z.B. eine aus der Werkstatt Ahrend. Das bekommen aber auch andere sehr überzeugend hin. Mit der historischen Aufführungspraxis hat auch das Spiel auf mechanischen Orgeln entscheidende Impulse bekommen, die man heute eigentlich nicht ignorieren kann.
 
@Axel mir gefällt ihre Spielart auch sehr gut. Sehr geschmeidiges Spiel.
Kann es auch sein, daß Choreographie auf der Orgel eingeschränkter ist, weil man - anders als am Klavier - im freien Raum schwebt? Ich merke immer, wenn ich Orgel spiele - und da bin ich kein Profi - , daß man lediglich mit dem Allerwertesten einen Fixpunkt am Instrument hat. Arme und Beine schweifen wie die Arme einer Krake durch den offenen Ozean....da versucht man vielleicht, sich auch mit den Fingern gelegentlich festzuhalten (wobei ich keine Verkrampfung sondern lediglich Anker werfen meine:001:).
 
@Axel mir gefällt ihre Spielart auch sehr gut. Sehr geschmeidiges Spiel.
Kann es auch sein, daß Choreographie auf der Orgel eingeschränkter ist, weil man - anders als am Klavier - im freien Raum schwebt? Ich merke immer, wenn ich Orgel spiele - und da bin ich kein Profi - , daß man lediglich mit dem Allerwertesten einen Fixpunkt am Instrument hat. Arme und Beine schweifen wie die Arme einer Krake durch den offenen Ozean....da versucht man vielleicht, sich auch mit den Fingern gelegentlich festzuhalten (wobei ich keine Verkrampfung sondern lediglich Anker werfen meine:001:).

...die Antwort darauf würde mich auch interessieren.

Wenn ich Cembalo spiele, passiert "Hand-choreographisch" (ich benutze mal deinen Begriff) etwas mehr bei mir, im Vergleich zur Orgel, vor allen Dingen, weil ich das Gefühl habe, musikalische Figuren (bzw. die Art und Weise, wie Töne wiedergegeben werden) dann sauberer und klarer spielen zu können... Finger, Handrücken, Handgelenk, Arm usw... "benutze" ich etwas mehr, (oder vielleicht anders?) um klar und transparent spielen zu können. Ich kann mich dann auch viel mehr "auf meinen Körper" konzentrieren, bzw. kann ihn als ganzes in mein Spiel integrieren.

Wenn ich Orgel spiele, ist das anders. Da hab ich auch das Gefühl, dass ich meinen "inneren Mittelpunkt" vorwiegend im Becken suchen und ausbalancieren muss (einerseits sollte es Fixpunkt sein, andererseits aber beweglich bleiben) und den Rest gleiche ich mit Händen und Füßen aus, dh. ich "stütze" phasenweise auch damit. Da bleibt dann weniger Raum, um "choreographisch" zu sein, wie ich finde.

Bin aber nur Laie... und freue mich deshalb auf die Antwort von @Axel
 
@Axel mir gefällt ihre Spielart auch sehr gut. Sehr geschmeidiges Spiel.
Kann es auch sein, daß Choreographie auf der Orgel eingeschränkter ist, weil man - anders als am Klavier - im freien Raum schwebt? Ich merke immer, wenn ich Orgel spiele - und da bin ich kein Profi - , daß man lediglich mit dem Allerwertesten einen Fixpunkt am Instrument hat. Arme und Beine schweifen wie die Arme einer Krake durch den offenen Ozean....da versucht man vielleicht, sich auch mit den Fingern gelegentlich festzuhalten (wobei ich keine Verkrampfung sondern lediglich Anker werfen meine:001:).
Ja, je nachdem, wie anspruchsvoll die Pedalstimme ist, beeinflusst das natürlich auch das Manualspiel.
Wenn ich an der Orgel rein manualiter spiele, stelle ich die Füße mehr oder weniger unbewusst gleich auf das Vorsatzbrett vorne über dem Pedal.
Ich denke, man kann schon generell sagen, dass man an der Orgel nicht so stabil sitzen kann wie am Klavier oder Cembalo.
 
Ein gewisse Bewegungsökonomie ist sicher bei der Orgel ratsam. Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass ich instabil sitze, jedenfalls nicht, wenn der Spieltisch nicht wahnsinnig unangenehm ist. Das Zerchfell auf das Pedal legen war mal der Rat eines Dozenten im Kurs. Das muss halt der Fixpunkt sein.

In der Tasten würde ich mich nicht stützen, das lähmt doch eher. Was Sinn macht, ist die Taste beim loslassen gut zu führen, damit das Ventil nicht brutal zuschnappt und die Absprache gestaltet ist. Das ist beim Klavier ja nicht effektiv. Ansonsten finde ich, man hat mit Manualwechseln und Pedal bewegungstechnich und choreografisch eine ganze Menge zu tun.

Das hier gab es gestern auf arte:


View: https://www.youtube.com/watch?v=5COY86WIdP4


Auch hier spielt Olivier Latry vorbildlich und selbst auf der elektrischen Traktur mit suggestiver Kraft. Man sieht schon im ersten Stück, mit welcher "Farbe" er einen Akkord denkt. Und das hört man dann auch.
 
@Axel

…vielleicht hängt es bei mir noch mit mangelnder Technik zusammen. Aber ich habe schon das Gefühl, im Vergleich zum Cembalo, dass ich auf der Orgel „instabiler“ sitze, oder, anders formuliert, den Schwerpunkt anders ausgleichen muss.

Beim Cembalo habe ich das Gefühl, mit dem Boden verwurzelt zu sein und daraus meine ganze „Energie“ zu ziehen, bis zur letzten Fingerspitze, sozusagen. Bei der Orgel suche ich „dieses Fundament“ eher im Becken und „tanze“ mit dem restlichen Körper, sprich: halte mich mit Füßen und Händen so beweglich wie möglich, gleiche den Schwerpunkt immer wieder aus, (ist bei jedem Stück anders, grade, wie es gesetzt ist), um nicht zu „verkrampfen“ und auch zu gewährleisten, dass ich zwischen „scharfem“ und „weichem“ Anschlag differenzieren kann…

Aber es gibt durchaus Momente, wo mir das schwerfällt und ich dann diese „Stütze“ entweder mit den Händen oder Füßen ausgleichen muss… ist mir neulich beim Stück „Te lucis ante terminum“ von Praetorius passiert. Und es stimmt: man verkrampft und der Ton/Anschlag leiden dann darunter.

Die Doku mit Olivier Latry hab ich mir angeschaut, sehr interessant. Er spielt im Herbst bei uns in Bozen und weiht die neue Orgel ein. Darauf freue ich mich schon sehr!

Nicht nur auf das Spiel, sondern auch auf Ökonomie und Anschlag bezogen, finde ich diese Interpretation sehr gelungen. Da sind teils wunderbare und sehr schön ausgeführte Abschnitte mit dabei.


View: https://www.youtube.com/watch?v=Ng4CEEGOxjQ

Nachtrag:
und es kommt auch ein wenig auf die Orgel an, die man grade bespielt. Ich bin ein eher kleines Persönchen und wenn ich auf einer dreimanualigen Orgel das oberste Manual bespiele, gelten auch wieder ganz andere "Körperregeln"... da muss ich dann aufpassen, nicht "in die Orgel reinzufallen"... oder wenn Werke miteinander gekoppelt werden und es so schwergängig wird, das ich zB. Triller oder das weiche Abfedern fast gar nicht mehr locker hinbekomme... was ein spannendes, aber wieder anderes Thema ist, sorry für´s Abschweifen ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn es eine Toccata wäre würde ich dem zustimmen.

Die Idee kam mir auch. Das ist schön und cantabel gespielt, keine Frage. Auch er kämpft hier offenbar mit einem pseudohistorischen Spieltisch. Die sehr rauchige Intonation der Orgel muss man mögen. Aber man muss tatsächlich einwenden: Diese extreme Agogik stünde einem stylus phantasticus Stück gut, aber eine Passacaglia kommt ja ursprünglich vom Tanz, der nun von einem konstanten Puls lebt. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Ansatz, nun ja, sagen wir: exzeptionell.
 
Das Geklimper auf dem Flügel stört ungemein, oder so.

Gauf! :017:
 

um auf die Anfangsfragestellung zurück zu kommen:
Saint-Saens war über 20 Jahre Organist, ich glaube nicht, dass er nur über die Anfangsgründe hinaus gekommen ist,
Cesar Franck? Wer so gut für Klavier komponiert, kann nicht schlecht Klavier gespielt haben.
Bestimmt ist Max Reger einer, der Orgel und Klavier virtuos spielte.
Das weit verbreitete Vorurteil, dass Orgel spielen den Anschlag auf dem Klavier verdürbe, wird durch diese Beispiele und durch weitere Beispiele aus dem Liszt-Kreis widerlegt.
Aber: bestimmt ist nicht jeder virtuose Orgelspieler auch ein virtuoser Pianist.

An meine eigene Orgler-Zeit zurück denkend

Walter
 
Kurze Antwort, falls ich die nicht schon gegeben habe:
Nein, wer ein guter Organist ist, ist nicht automatisch ein guter Pianist. Die Schwerpunkte und Spieltechniken sind verschieden.
(Wichtigstes in Kürze: Orgel hat keine Anschlagsdynamik, das Klavier hat dafür keine Fußbedale und keine Möglichkeit zur Registrierung)
Allerdings ist es trotzdem manchen Menschen möglich, auf beiden Instrumenten ordentlich zu spielen.

Vielleicht vergleichbar mit Italienisch und Spanisch: Wenn man beides zugleich lernt, kann es zu Verwechslungen kommen. Aber es scheint genügend Menschen zu geben, die beide Sprachen gelernt haben, mühelos trennen und gut sprechen können.
 
Bestimmt ist Max Reger einer, der Orgel und Klavier virtuos spielte.
Als Orgelvirtuose ist er allerdings nicht in die Geschichte eingegangen. Die Aufführungen seiner großen Orgelwerke hat er Koryphäen wie Karl Straube überlassen.
Das weit verbreitete Vorurteil, dass Orgel spielen den Anschlag auf dem Klavier verdürbe, wird durch diese Beispiele und durch weitere Beispiele aus dem Liszt-Kreis widerlegt.
Welche Beispiele aus dem Liszt-Kreis sind das?
 

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