Es sollte bei Blüthner unterschieden werden zwischen dem alten Aliquot, und dem, wie es heute produziert wird. Bei alten Blüthner-Flügeln gab es einen zusätzlichen Steg, die Aliquot-Saiten wurden bzw. werden (bei solchen alten Instrumenten) eine Oktave höher gestimmt. Im höchsten Diskant wurde die 4. Saite nicht auf den zusätzlichen Steg geführt, sondern auf den normalen Steg, allerdings etwas erhöht, so dass sie nicht vom Hammer angeschlagen wird, diese Saite wurde unisono mit den anderen gestimmt. Eine Saite, die nur in Resonanz ist, hat ein anderes Obertonspektrum, als wenn sie direkt vom Hammer angeschlagen wird. Das kann man auch anhand der Verschiebung bei jedem Flügel testen, indem man sich einmal den Klang anhört, wenn nur zwei Saiten angeschlagen werden (dazu muss man die linke Saite dämpfen), und einmal, wenn die linke Saite ungedämpft ist, aber nicht vom Hammer angeschlagen wird. Der Effekt ist subtil, das ist die Wirkung des Aliquots allerdings auch.
Beim heutigen Blüthner Flügel gibt es nur noch das gleich gestimmte Aliquot, keinen zusätzlichen Steg. Aus diesem Unterschied resultieren einige der Missverständnisse im Pianoworld-Thread, weil sich die Ausführungen auf jeweils unterschiedliche Bauweisen des Aliquot beziehen.
Die Duplex Skala hat eine andere Wirkung. Hier macht man sich nicht nur den Resonanz Effekt zu nutze, sondern nutzt vor allem auch die Energie, die durch die Begrenzungen an Steg und Kapodaster "hindurch gehen". Diese Energie wird bei allen anderen Instrumenten mit Filz gedämpft, bei der Duplex Scala versucht man, durch Hinzufügen eines weiteren klingenden Abschnittes die Energie nutzbar zu machen. Vom Standpunkt der Energienutzung ist das ein sehr gutes Konzept, da man ja beim Flügel nur die Anschlagsenergie des Hammers in Klang verwandeln kann (anders als bei der E-Gitarre, zum Beispiel). Jedoch erkauft man sich den Zugewinn an Energienutzung (ist theoretisch eine längere Ausschwingdauer) mit dem Nachteil, dass man die Länge des Duplex kaum stimmen kann und es werden damit auch unharmonische Obertöne produziert. Allerdings hat man diesen Effekt in unterschiedlicher Ausprägung sowieso bei jedem Instrument, da die oberen Diskantsaiten ohne Dämpfer frei liegen und somit auch sowohl unharmonisch als auch harmonisch mitschwingen, auch das kann man leicht im Experiment durch Abdämpfen feststellen.
Ich würde dazu raten, den Kauf eines Instrumentes nicht an solchen Dingen wie Duplex Skala oder Aliquot festzumachen. Es gibt sehr viele Blüthner-Flügel ohne Aliquot und die haben dennoch den typischen Blüthner Klang, zu dem mehr gehört als das Aliquot. Und dann haben auch viele Billigflügel eine Duplex Skala und es klingt trotzdem nur bescheiden.
Manche Flügel sind weder bescheiden, noch haben sie mit dem Sustain zu kämpfen. August Förster ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Es gibt sicher noch eine ganze Reihe anderer Instrumente, die sehr gut klingen, ohne Aliquot oder Duplex.