Lieber Neronick, lieber hasenbein,
ich habe ja schon öfter hier über Kommunikation etc. gesprochen, was du natürlich nicht wissen kannst, lieber Neronick. Was ich wirklich anstrengend empfinde, ist, dass diese und andere Kommunikationsmodelle immer wieder von Leuten, die sie nicht kennen, als "weichgespült" , womöglich "antiautoritär" und "lax" gesehen werden und ich dann zur Erklärung ellenlange posts wie diesen verfassen muss, s. Zitat:
Nimmt die Kinder endlich ernst und hört auf mit ihnen zu kommunizieren. Sagt ihnen lieber und ZEIGT ihnen, wo es langgeht. Es gibt hochmotivierte Kinder, die stehen sich selbst im Weg, weil ihre "Lehrer" sich selbst wie Kinder benehmen, wie Angsthasen, wie Psychologen, wie Esoteriker, Familien-Gruppensteller oder, GANZ unkorrekt formuliert, wie "Weicheier".
Allerdings hätte ich ja nicht posten müssen, also bin ich ganz allein selber schuld, wenn ich es jetzt nochmals erkläre :p .
Also von vorn:
Ein Lehrer muss aber zuallererst eine "Kommunikationssituation" zu einem Kind herstellen.
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Nimmt die Kinder endlich ernst und hört auf mit ihnen zu kommunizieren.
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Vergiß alles über Kommunikation!
Die fettgedruckte Aussage ist einfach falsch. Denn man kann nicht "nicht kommunizieren", befindet man sich in der Nähe eines Menschen. Völlig egal, ob Kind oder Erwachsener.
Kommunikation bezeichnet "den Austausch von Informationen zwischen zwei oder mehreren Personen, wobei die Mitteilung sprachlich (verbal) oder/ und nichtsprachlich (nonverbal) erfolgen kann“ (Köck & Ott, 1994, S. 213).
Sobald man sich also in einer Unterrichtssituation befindet, kommuniziert man, ob man will oder nicht.
Man sollte sich als Lehrer ausgesprochen gut in Kommunikation auskennen und ganz besonders in einem wichtigen Teil davon, nämlich der Konfliktlösung!
Um den geht es hier nämlich!
Sehr unterstützenswert finde ich folgende Aussagen von dir und hasenbein:
"Hierzu muss man nur das Herz des Kindes gewinnen, egal wie schwierig es ist (siehe Beitrag Destenay). Hierzu muss man dem Kind Sicherheit schenken. ALSO muss der Lehrer eine unverrückbare, sichere Position der Überlegenheit einnehmen. .........................Ein Lehrer ist exakt so gut wie seine Fähigkeit als VORBILD zu dienen. .......Sie haben aber ein totsicheres Gespür dafür, wie EHRLICH es ein Lehrer mit IHNEN meint. Kinder sind ausgesprochen intelligent, gerade wenn sie sich dumm stellen, taub stellen und blöd stellen....................Das Kind WILL wachsen."
"aber gleichzeitig er das sichere Gefühl hat, als Mensch vom Lehrer voll akzeptiert zu sein, und auch das sichere Gefühl, daß der Lehrer an ein vorhandenes Potential in ihm glaubt!"
Das sind wichtige Voraussetzungen für einen Lehrer!
Hier aber geht es um einen Konflikt! Und da kann man tatsächlich eine ganze Menge lernen! Gebt mal in google Konfliktmanagement ein...... :mrgreen: .
In einer Konfliktsituation kann es nicht schaden, sich erprobter Modelle zu bedienen. Ich für mich favorisiere eben Gordon.
Der Konflikt besteht hier darin, dass Viola unglücklich ist, dass der Schüler sich auf die beschriebene Weise verhält. Sie kann nicht ihm so arbeiten, wie sie sich das vorstellt, sie versteht bestimmte Verhaltensmuster nicht und weiß im Moment trotz ihrer sehr großen Erfahrung nicht weiter (was jedem Lehrer ab und an passiert).
Sie hat also ein Problem. Das Kind vermutlich auch, aber ihres ist vorrangig. Wenn sich das weiter verschlechtert, wird der Unterricht abgebrochen werden
müssen, obwohl niemand das will.
Wenn man den Schüler nun mit diesen Gedanken und Gefühlen von sich selbst in der schon von mir im vorigen post beschriebenen Weise konfrontiert, ist dies keinesfalls mit folgendem zu verwechseln:
Diese ganzen "zeitgemäßen" pädagogischen Methoden, die auf Deubel komm raus versuchen, dem Schüler "Frustrationen zu ersparen" und "individuell zu fördern", sind im Grunde vorwiegend Arschkriecherei und verkaufen das Kind für dümmer und auch weniger widerstandsfähig als es real ist!
Im Gegenteil ist eine Konfrontation dieser Art sehr unangenehm für den Schüler. Auch schmerzhaft, hasenbein. Der Lehrer, zumindest ich, wenn ich so etwas von mir gebe und ich habe damit viel Erfahrung, zeigt absolute Autorität und größtmögliche Klarheit. Der Schüler bekommt ein klares Feedback, wird aber genau nicht angegriffen ( keine Vorwürfe, keine kränkenden Du-Botschaften ........) und so wird genau das erreicht, was ihr oben so schön beschrieben habt - volle Akzeptanz und Wertschätzung des Schülers von seiten des Lehrers bei absolut klarem Feedback.
Dieses schafft eine sehr große Klarheit: das, was sowieso schon die ganze Zeit womöglich unausgesprochen im Raum stand, wird endlich klar ausgesprochen, Körpersprache und Rede des Lehrers stimmen überein und der Schüler wird auf sich selbst und sein Verhalten zurückgeworfen.
Durch die beschriebene Methode von Ich-Botschaften und Aktivem Zuhören ( wer sich dafür interessiert, muss sich einfach mal das Buch kaufen - natürlich kann ich hier nur Andeutungen machen) kommt man sehr oft dem eigentlichen Problem auf die Spur. Bei Violas Schüler könnte das sein, dass er einfach keine Lust hat zu üben, dass er vielleicht gar nicht Klavierspielen will, aber sehr an Viola hängt, dass er Basisdinge wie die Orientierung am Klavier nicht verstanden hat........ wer weiß.
Selbst wenn man nicht herausbekommt, was die Ursache ist, kann man handeln. Denn mit der Konfrontation setzt man dem Schüler seine persönlichen Grenzen. Man kann ihm klar machen, dass der Unterricht, wenn sich nichts ändert, auch wenn man das überhaupt nicht will, ein Ende haben wird, weil nichts mehr gelingt und nur noch Ratlosigkeit und Frust vorherrschen.
Nach Gordon beginnt dann der sechs-Schritte-Prozeß der Problemlösung. Grob gesagt besteht er darin, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten ( das Kind sollte eine sehr aktive Rolle darin übernehmen "wie denkst du, können wir die Situation verbessern/das Problem lösen", "was denkst du", "hast du eine Idee"....) und diese Lösung immer wieder zu überprüfen, gegebenfalls eine neue zu erarbeiten.
Das Kind lernt so, die Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen, es wird gefordert, Probleme selbst zu lösen oder es zu versuchen, es wird selbständig und lernt, Konflikte anzugehen und nicht in irgendwelchen Ausweichmanövern zu umgehen.
Daran ist nicht das Geringste weichgespült!!!
Die herrliche Szene von Destenay unter dem Flügel ist übrigens ein Paradebeispiel für diese Art der Konfliktlösung:
der Schüler hatte ein Problem ( nicht der Lehrer!), also ist Aktives Zuhören angesagt, was eine Widerspiegelung bedeutet. Diese Spiegelung kann über Worte, aber auch in Taten erfolgen und Destenay hat es genial gemacht, in dem er seinen Schüler einfach nachgemacht hat. So hat der Schüler nonverbal eine Spiegelung bekommen und alles war in Butter.
Ein Problem beim Lehren kann z.B. auch sein, dass der Schüler ein sehr introvertiertes Kind ist. Manchmal neigt man dann als Lehrer dazu, das Kind "aufwecken" zu wollen und ist deshalb besonders aktiv, engagiert und euphorisch. Leider ist das meistens kontraproduktiv, zumindest bei Konflikten. Da nützt es viel, sich
ähnlich wie das Kind zu verhalten.
Lieber Neronick, Folgendes ist nämlich einfach nicht wahr:
Vorbild wird man, wenn man in einem jungen Menschen das Gefühl auslösen kann: Ich will dir zeigen, wie gut ich bin, denn ich will besser sein als du! JEDER Junge von neun Jahren hat nur ein Lebensziel: Er will schneller rennen lernen als sein Vater. Dies Prinzip gilt für alle Fächer und für alle Lehrer, auf die er trifft.
Jungen sind so dermaßen individuell verschieden und ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe selber zwei Söhne und fast jedes Wochenende bevölkern Horden jugendlicher Jungen ( auch Mädchen :p ) unsere Wohnung. :mrgreen:
Es gibt völlig introvertierte Jungen, es gibt die extrovertierten und dazwischen liegen weite, weite Felder.
Grundsätzlich gebe ich dir recht, dass es schade ist, dass besonders in Kindergärten und Grundschulen kaum männliche Lehrer arbeiten. Sehr schlecht!!!
Und trotzdem ist Klarheit und Konfliktlösung nicht vom Geschlecht abhängig.
Liebe Viola, was ich wirklich mal überlegen würde ist, ob die eine für dich traurige Erfahrung mit einem früheren Schüler nicht deine persönliche Grenze soweit verschoben hat ( weil dir so etwas nicht noch einmal passieren will), dass genau das es ist, was dein Schüler von dir will und mit all seinen Kräften anstrebt: dich zu spüren, deine persönliche Grenze.
Aber vielleicht liege ich damit auch falsch, ich bin ja keine Psychologin.
Ich hoffe, es ist nach diesem ellenlangen post etwas klarer geworden, was ich mein(t)e.
Liebe Grüße
chiarina