Liebe Babette,
Mal eine Frage die noch weiter vom Thema wegführt, die aber wichtig ist und auf die ich seit Jahren keine Antwort Finde. Ich habe gelernt wer Missbrauch öffentlich macht und es nicht beweisen kann, macht sich Strafbar, gleichzeitig muss man Missbrauch anzeigen - Wie geht das auf? Und wie ist es bei Missbrauch der verjährt ist? Sind die Betroffenen nicht durchs Gesetz zum Schweigen verdammt? Beweisen ist schliesslich unmöglich.
oh Mann, warum hast’n nicht gefragt?
Ich versuch mal, es zu erklären, und hoffe, dass es verständlich ankommt:
Missbrauch muss man nicht anzeigen. Aber Missbrauch darf man anzeigen. Und bei letzterem macht man sich auch nicht strafbar.
Du schreibst: „Wer Missbrauch öffentlich macht (…)“
Damit meinst du möglicherweise sowohl die allgemeine Behauptung, jemand habe einen Missbrauch begangen, als auch die Erstattung einer Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs. Das ist nicht dasselbe und hat unterschiedliche Konsequenzen.
Wenn du vor Dritten behauptest, XY habe ein Kind sexuell missbraucht, und das ist nicht nachweislich wahr (d.h. es lässt sich nicht beweisen, dass dem so ist), dann handelt es sich um eine Üble Nachrede, und eine solche ist strafbar, auch wenn du glaubst oder gar weißt, dass es stimmt.
( @ HoeHue: § 186 StGB, nicht § 187 StGB, und der ist tatsächlich einschlägig. )
In § 186 StGB heißt es:
Zitat von § 186 StGB:
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. .
Trotzdem machst du dich nicht strafbar, wenn du einen sexuellen Missbrauch anzeigst, von dem du überzeugt bist, dass er stattgefunden hat.
Dabei behauptest du zwar auch in Bezug auf einen anderen, nämlich den Täter, gegenüber Dritten (der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft) eine Tatsache (den sexuellen Missbrauch), die geeignet ist, den Täter verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (aber hallo). Und wenn sich in dem dann folgenden Verfahren der sexuelle Missbrauch nicht erweisen lässt, dann sind tatsächlich alle Tatbestandsmerkmale der Üblen Nachrede erfüllt.
Aber:
Es gibt im Strafrecht sogenannte Rechtfertigungsgründe, d.h. Gründe, bei denen ein Verhalten nicht rechtswidrig ist, obwohl an sich alle Voraussetzungen der Strafrechtsnorm erfüllt sind. (Notwehr zum Beispiel ist ein recht bekannter.)
Hier, bei der Strafanzeige, gibt es einen speziellen Rechtfertigungsgrund, die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“, § 193 StGB
Zitat von § 193 StGB:
Wahrnehmung berechtigter Interessen
Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.
Hierzu sagt die Rechtsprechung (ich muss es leider aus dem Kopf zitieren, man sehe mir Ungenauheiten nach), es sei ein berechtigtes Interesse jedes Staatsbürgers, die Rechtsordnung zu verteidigen, indem man einen nach gewissenhaft gebildeter Überzeugung bestehenden Straftatverdacht zur Anzeige bringe.
Das darf man. Was man nicht darf ist: Hinz und Kunz erzählen, der XY habe eine Kind sexuell missbraucht, wenn es sich nicht beweisen lässt. Wobei es sich wohl in vielen Fällen durchaus beweisen lässt, wenn ein Kind sexuell missbraucht wurde. Aber warum gegenüber Dritten unken und nicht Nägel mit Köpfen machen? Das scheint mir sinnvoller.
Und wie ist es bei Missbrauch der verjährt ist? Sind die Betroffenen nicht durchs Gesetz zum Schweigen verdammt? Beweisen ist schliesslich unmöglich.
Wenn so viel Zeit vergangen ist, dann wird das Beweisen tatsächlich schwierig bis unmöglich sein. Bei Sexualdelikten, in denen es außer dem Opfer üblicherweise keine Zeugen gibt, operiert man in der Praxis oft mit psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachten. Ich weiß es nicht, aber ich könnte mir vorstellen, nach all der Zeit wird das wahrscheinlich nicht mehr gelingen.
Liebe Grüße,
Nuri