alter Faden, trotzdem kann man das so nicht stehen lassen.
Erstens bewirken einschneidende Erlebnisse keinesfalls einen Reifungsprozess- leider (ein recht weit verbreiteter Irrtum übrigens). Man kann allerhand Tragödien erleben, deswegen wird man weder ein besserer Mensch noch ein besserer Musiker!
Serkins letztes B Dur Konzert von Mozart ist also von Senilität geprägt....?
Horowitz hat Mozart im Alter äußerst eigenwillig gespielt, absolut nicht Standard-Maß, aber die Aufnahmen sind trotzdem ein Wunder an Gestaltungskraft am Flügel, das kein anderer Pianist in dieser Weise vollbrachte.
Oder Wilhelm Backhaus:
hört man seine Jugendaufnahmen (zB die 24 Chopin Etüden) , aber auch seine "Klassiker", also die Gesamteinspielung der Beethoven Sonaten, so ist vieles darin sehr "deutsch", sehr geradlinig, schnörkellos, grundsolides Handwerk eben.
Hört man dann den Mitschnitt des alten Backhaus aus Ossiach an, zu welchem Leben erwacht da plötzlich Beethovens Jagd-Sonate.
Oder Jörg Demus:
seine frühen Aufnahmen waren stets Referenz für penibel-sauberstes Pedalisieren, trotzdem blieb vieles "unausgesprochen", in einem YT Video beklagt er sich in einer Meisterklasse deutlich über übermäßiges Rubato der Schülerin. Und dann kamen seine späten Aufnahmen und Auftritte. Leider findet man sie nirgends, weder auf Amazon noch auf YT. Wie Demus vor 10 Jahren die Schumann Fantasie einspielte (auf seiner CD "die ewige Fantasie"), gehört zu den Sternstunden der Interpretation dieses interpretatorisch und technisch enorm anspruchsvollen Werkes, die Wahl des Schlusses der Fantasie in der ursprünglichen Fassung mit dem "Fernen-Geliebten" Zitat verleiht der Aufnahme zusätzliche Schönheit.
Sein live Mitschnitt aus Peking 2013 enthält die schönste Interpretation von Schuberts Ges Dur Improptu die ich je hörte und die sogar Lipattis Aufnahme übertrifft: plötzlich, jetzt im hohen Alter, hält Jörg Demus inne, wenn der musikalische Fluss danach verlangt, sein Spiel erreichte erst jetzt eine Tiefe und Innigkeit, die nur ein erfülltes Musikerleben schenken kann, auf der gleichen CD erklingen die Kinderszenen in einer fast schwärmerischen Verträumtheit, die jede Klangmöglichkeit des Konzertflügels auskostet. Beethovens op 111 ist kein Bravourstück mehr, die letzte Sonate Beethovens verklingt in ätherischem Klangzauber.
( apropos: Jörg Demus konzertiert am 17.August wieder in Österreich mit Schumanns Kreisleriana. und Beethovens op 110)