Oper "Sancta" in Stuttgart: Besucher brauchen Arzt

schöne Dinge ringen uns ein müdes Lächeln ab, aber die fiesen, gemeinen, von denen ernähren wir uns wie ein Junkie.
Und leider haben da die Medien gehörig Mitschuld. Sie verstärken Negativa und blenden Positives aus. "Blood runs“, sagen die Amis.
Gestern Headline am Zeitungsstand (und es war nicht die BLÖD!):

Wie sich die Rezession auf Arbeitnehmer auswirkt

Bitteschön, was schreiben diese Deppen? Wo haben wir eine Rezession? Wissen die überhaupt, was das ist? So wird Stimmung gemacht - und nicht nur am Stammtisch.
 
Der Ärger mit solchen Produktionen wie in Stuttgart (soweit man das aus der Presse bewerten kann) ist, dass aus billiger Sensationsgier Blut, Exkremente und sinnfreie Nacktheit ausgestellt werden ohne irgendeine Rechtfertigung außer verquastem Geschwätz.
Die Provokation gehörte schon immer zur Kunst und sie versucht, dabei Grenzen auszutesten.
Ein Meister dessen war z.B. Christoph Schlingensief, der einerseits bei jedem Medienartikel den Stempel "enfant terrible" beigedrückt bekam, dem man aber andererseits die prestigeträchtigen Wagner-Festivals in Bayreuth anvertraute.
Bei allen seinen Kunstdarbietungen wurden Blut, Gewalt, usw. mit einbezogen. In seiner Talkshow Talk 2000 gab es kaum eine Folge, in der sich nicht geprügelt wurde, in U3000 floß Filmblut zuhauf, dazu wurde immer wieder auch Bezug auf das Christentum genommen.
Das polarisierte ungemein.

Allerdings muss man immer den Zeitgeist, den Kontext betrachten, in dem das geschieht. Man kann jederzeit das Christentum kritisieren, die negativen Auswüchse auch künstlerisch anprangern. Allerdings immer in den Grenzen des ethisch vertretbaren. Die Goldene Regel, der kategorische Imperativ sollte dabei als kleinster gemeinsamer Nenner gelten: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.
Und das kann man eigentlich auch im Prinzip in Bezug auf Religion übernehmen. Beleidige nichts, was dem anderen heilig ist.
Und es ist auch ein Unterschied, ob man dann Jesus verächtlich darstellt oder die Kirche. Reinhard Mey hat in seinem Lied "Ich glaube nicht" ganz gut den Unterschied rausgearbeitet.

Wir haben dieselbe Diskussion vor ein paar Wochen schon mal gehabt, nämlich bei der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Paris.
Dort wurde das Abendmahl als quasi-obszöne LGBTQI-Transgender-Party vor einem Milliardenpublikum aufgeführt und das war nicht die einzige Andeutung. Das Metallpferd, das über die Seine ritt, war offenbar das "Fahle Pferd" aus der Offenbarung, auf der Bühne des Zeremoniefinals fand sich auch noch ein Goldenes Kalb wieder, das für viele irritierend wirkte, aber wenn man einigermaßen die Bibel kennt, hier inzwischen eine Durchkomposition der Inszenierung erkennen konnte.

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Während sich die Kritik bzgl. der Verballhornung des Christentums überschlug, interpretierten einige Medien sogar, dass Europa nun endlich vor der Weltöffentlichkeit sein Erbe annehme, sich mit seiner Schuld auseinandersetze und die Vielfalt zulasse.
Eine meiner Meinung nach sehr gefährliche Argumentation oder Interpretation.
Denn was soll das denn heißen? Dass wir nun quasi unser kulturell-religiöses Erbe schmähen, uns davon distanzieren sollen?

Der Regisseur dieser Eröffnungsshow wollte sich auch nicht dazu erklären, was seine Aufführung bedeuten oder bewirken sollte.
Stattdessen mussten dann die IOC-Organisatoren ran und eilig hinterherschieben, dass man niemanden beleidigen wollte.

Bei der Aufführung "Sancta" in Stuttgart wird es sich ähnlich verhalten. Das dürfte noch länger hohe Wellen schlagen, vor allem weil es nicht in irgendeiner Independent-Hinterhof-Bühne aufgeführt wurde, sondern an der Staatsoper.

Dabei wird weniger die Frage sein, ob sich der Staat in Kunst einmischen soll, sondern eher auch die Frage der Strafbarkeit nach einer solchen Aufführung zu beleuchten sein:

§ 166
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Ein Anfangsverdacht sollte in der Sache zumindest gegeben sein.
Und selbst wenn es die Strafbarkeit nicht tangiert, stellt sich die Frage, ob ausgerechnet der Staat solchen Grenzfällen dann eine Bühne bieten sollte.

Fakt ist jedenfalls an der Sache:
Bei "Sancta" hatten 18 Zuschauer durch die Aufführer und Inszenierer quasi Körperverletzungen erlitten und mussten notärztlich behandelt werden.
Hätte man ähnliche Aufführungen unter Bezug auf eine bestimmte andere Religion getätigt, stelle ich mal die Vermutung an, dass dann die Aufführer und Inszenierer Körperverletzungen erlitten und notärztlich hätten behandelt werden müssen.
 
stelle ich mal die Vermutung an, dass dann die Aufführer und Inszenierer Körperverletzungen erlitten und notärztlich hätten behandelt werden müssen.
Das mag gut sein und ist höchst bedaerlich. Daraus aber ähnliche Pseudorechte für „Christen“ abzuleiten, halte ich für völlig überzogen.

*** „Christen“ in Anführungszeichen, weil ein echter, wahrer Christ (genauso wie Buddhist, Islam-Gläubiger, Hindu etc) einen Scheiß auf Symbole und Riten gibt. Und somit ist es ihm auch völlig wurst, ob diese angeblich verhöhnt werden. Alles was er braucht und was ihm wichtig ist, hat er im Herzen.

Ich erinnere an Christus im Tempel...
 
Ich war sehr erstaunt, dass ob der mE harmlosen Eröffnung der olympischen Spiele auf einmal snowflake Christen so ein hypermoralisches tamtam machen und sich mit denen, die keine Cartoons vertragen auf eine Stufe stellen. Aber ich war auch schon beim Gespenst auf der Seite von Achternbusch.

Die Szenen aus Apollon geben einen kleinen Einblick in die Ästhetik von Holzinger. Ich habe ja beim strap-on-Gänsemarsch lachen müssen, da fehlt mir wohl doch das tiefere Verständnis für die griechischen Sagen.
 
Das mag gut sein und ist höchst bedaerlich. Daraus aber ähnliche Pseudorechte für „Christen“ abzuleiten, halte ich für völlig überzogen.

*** „Christen“ in Anführungszeichen, weil ein echter, wahrer Christ (genauso wie Buddhist, Islam-Gläubiger, Hindu etc) einen Scheiß auf Symbole und Riten gibt. Und somit ist es ihm auch völlig wurst, ob diese angeblich verhöhnt werden. Alles was er braucht und was ihm wichtig ist, hat er im Herzen.

Ich erinnere an Christus im Tempel...

Was meinst du mit Pseudorechte ableiten? Niemand hat irgendwelche Rechte zu Gewalt.
Ich schätze aber, dass sich manche dazu hätten hinreißen lassen oder sogar es zu gewalttätigen Szenen in der Öffentlichkeit kommen kann, wenn eine bestimmte andere Religion auf diese Weise "attackiert" würde.
 

Allerdings ist es heuchlerisch, wenn gerade Christen, deren Religion eine lange Tradition der Gewalt und Unterdrückung hat, sich darüber beschweren, dass ihnen symbolisch Gewalt angetan wird, wie es hier auf der Bühne geschehen ist. (Die Gewalt gegenüber den Schauspielern und Zuschauern klammere ich hier aus.)
Und es gibt bei uns eine Trennung zwischen Staat und Religion. Deshalb sehe ich überhaupt kein Problem darin, dass in einem staatlichen Opernhaus die christliche Religion hart kritisiert wird. Und das Pseudorecht, sich nicht mit der eigenen blutigen Geschichte auseinandersetzen zu müssen, gilt nicht.
Von daher sind solche Schritte wie das, was auf der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele geschehen ist, nicht nur zu tolerieren, sondern auch eine notwenige Folge der Aufklärung.

Und es ist allemal besser, um ein goldenes Kalb zu tanzen als Kinder zu missbrauchen!
 
Man stelle sich vor, was passiert, wenn irgendwo in einer beliebigen Inszensierung ein unschuldig abgebildeter Mohammed zu sehen ist.
 
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Der Islam hat eben noch keine Epoche der Aufklärung hinter sich, das Christentum schon.

Eine provokative Darstellung und Kritik am Papst ist ein Bild, auf dem Jesus am Kreuz zu sehen ist. Neben ihm, am Kreuz des ungerechten Schächers (Metapher für Verbrechen und fehlende Moral), ist das Gesicht des Papstes abgebildet.

Auch ein Fall für die Staatsanwaltschaft, @jsger? Dann ist es etwas zu spät. Es handelt sich nämlich um ein Flugblatt aus der Reformationszeit.

Und es ist doch klar, dass die Kritik an der Kirche rund 500 Jahre später, nach allem, was in der Zwischenzeit vorgefallen ist, eine gewisse Steigerung enthalten muss.
 
Der Islam hat eben noch keine Epoche der Aufklärung hinter sich, das Christentum schon.
Eine insgesamt gute Beschreibung und Erklärung. Allerdings auch keine Entschuldigung für Terror jeglicher Art.
Erstmal ! Bei genauerem Hinsehen würde ich allerdings lieber als Christ im muslimisch beherrschten Cordoba um das Jahr 1000 herum gelebt haben, als als Moslem 550 Jahre ( oder 936 Jahre ) später in der gleichen, nunmehr christlich beherrschten Stadt.

Ich erinnere mich auch an Brand- und Sprengstoffanschläge von Katholik(ist)en auf Kinos u.ä., siehe z.B. 22.10.1988 Boulevard Saint-Michel, Paris (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Anschlägen_in_Paris). Hier scheint die Epoche der Aufklärung doch etwas weniger Anklang gefunden zu haben.
In diesem Zusammenhang verweise ich besonders auf Monthy Python: "Das Leben des Brian": Einfach der Flasche folgen!

Jetzt aber Sorry für Off-Topic und Schluss von meiner Seite aus;-)
 
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