Oper "Sancta" in Stuttgart: Besucher brauchen Arzt

[…] ein Buch […], das meine Eltern von der katholischen Kirche zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten. "Leben und Leiden der Märtyrer" oder so ähnlich wird es geheißen haben. Es wimmelte darin nur so von Schilderungen dieser Art. Ein mehr als fragwürdiges Hochzeitsgeschenk […]
Wieso ein fragwürdiges Hochzeitsgeschenk? Ich finde es eher aufbauend für eine Ehe, nach dem Motto „Schlimmer geht immer.“ Und Anregungen gibt’s zuhauf, wie man eine Ehe beenden kann, wo doch Scheidungen in der katholischen Kirche verpönt sind (abgesehen vom monegassischen Fürstenhaus).
 
@rolf Und das soll als Begründung dienen warum es Kunst ist wenn man einer Nonne ein Stück haut mit der Pinzette abzieht
nein @Carnina es bezog sich eindeutig thematisch auf #41-43, wo es eingangs um ein Sujet eines barocken Gemäldes von Liss ging, ohne dass der gelehrsame Hintergrund (antike Mythologie) genannt war; dieses Sujet wurde von weiteren Künstlern ebenfalls verarbeitet. Von einer Nonne auf einer Bühne war da nicht die Rede, insofern bin ich nicht der richtige Adressat deiner Frage.
Ich liebe Dostojewski. Und seine Beschreibungen sind bestalisch teilweise.
wo beschreibt er, womöglich naturalistisch-drastisch, Bestialitäten? Er deutet sie an (Beichte Stawrogins, Smerdjakow) ohne sie en Detail auszumalen --- wenn du eine sehr skurril-bestialische drastische Szene aus der russischen Literatur lesen willst, dann empfiehlt sich der brillante symbolistische Roman Petersburg von Andrej Bely.
 
Aber auch Märchen und Sagen strotzen vor Gewaltbeschreibungen!
Absolut! Die Frage ist, warum wirken sie anders? Weil sie gut ausgehen? Dem könnte man entgegenhalten, dass es für die Märtyrer ja auch gut ausgeht, wenn sie in den Himmel kommen (mal so naiv formuliert).
Und trotzdem würde ich mit Bruno Bettelheim sagen "Kinder brauchen Märchen und keine Märtyrergeschichte voller Gewalt", wobei ich einräumen muss, dass das Buch, das ich mir damals genommen hatte, ja nicht für Kinder gedacht war.
 
Aber auch Märchen und Sagen strotzen vor Gewaltbeschreibungen!
Das wäre doch mal eine sinnvolle Aufgabe für Robert Habeck, wenn er demnächst arbeitslos ist: eine woke Fassung von Grimm‘s Märchen. Der finstere Wald hat sich längst gelichtet, Vögel gibt’s auch keine die die Brotkrumen wegpicken. Der Köhler braucht seine Kinder nicht auszusetzen, da die Patchworkfamilie aufgrund des bedingungslosen Grundeinkommens genug zum Leben hat. Gretel (Thunberg) überzeugt die Hexe, vegane Ernährung gesünder ist. Und damit entfällt auch die Notwendigkeit, den CO2-ausstoßenden Holzofen zu heizen. Am Ende gründen Gretel und Hexe eine NGO zur Rettung des Waldes. Hänsel wird erst einmal in Therapie geschickt, damit er seine männlichen Verhaltensmuster reflektiert …
 
wo beschreibt er, womöglich naturalistisch-drastisch, Bestialitäten?
Und genau da haben wir es. Ich sage „seine Beschreibungen sind“ nicht „er beschreibt bestalisch“ auch nicht „er beschreibt Bestialitäten“. Der Witz ist dass der Rest im Kopf passiert, er erzeugt das Gefühl, dazu braucht es nicht die Ausführung bis ans Ziel. Das macht den Reiz aus.
 
Und genau da haben wir es. Ich sage „seine Beschreibungen sind“ nicht „er beschreibt bestalisch“ auch nicht „er beschreibt Bestialitäten“.
...Wortklaubereien? Wie dem auch sei, "er beschreibt bestialisch" ist sprachlich unsinnig (aber ich verstehe, was du meinst) - - mit etwas mehr Textkenntnis in Sachen Dostojevski wird man aber auch naturalistische Deskriptionen finden (die er wirkungsvoll einsetzte) wie z.B. den Mord an Schatow in den Dämonen/bösen Geistern.
 
Zurück zu „Sancta“: Warum thematisiert eigentlich niemand den ersten Teil der Performance - „Sancta Susanna“ von Paul Hindemith?
 

Zurück zu „Sancta“: Warum thematisiert eigentlich niemand den ersten Teil der Performance - „Sancta Susanna“ von Paul Hindemith?
weil dort der Hindemith nur ein Bestandteil einer weitaus umfassenderen und tiefschürfenderen Kompilations-Produktion unter Mitarbeit vieler anderer Künstler ist:
von Paul Hindemith, Johanna Doderer, Johann Sebastian Bach, Born in Flamez, Stefan Schneider, Nadine Neven Raihani u.a.

...und überhaupt... fürs Feuilleton ist bei Opern die Musik lästige Nebensache (ca. 20% Text), hingegen Regie und Inszenierung die Hauptsache (ca. 80% Text) ;-)
 
Hat sich irgendwer das Interview angesehen?
Ja, allerdings nur mit der Erkenntnis, dass sie offenbar nicht aus dem klassischen Tanzbetrieb kommt und im Interview nicht so viel zu ihrer Aufführungspraxis beisteuert. Ich verstehe die Aufregung aber auch nur teilweise: Es gibt vielfach gute, schlechte, langweilige Aufführungen, also müssen manche halt etwas Neues bringen und ggf. mal schockieren. Ich finde die allgemeine Diskussion hier interessant, aber sich wortreich zu Aufführungen, die man nicht selbst gesehen hat, zu äußern, hilft das ja auch nicht richtig weiter.
 
...und überhaupt... fürs Feuilleton ist bei Opern die Musik lästige Nebensache (ca. 20% Text), hingegen Regie und Inszenierung die Hauptsache (ca. 80% Text) ;-)
Ich würde Dir gerne ein Like geben, wenn es denn nicht eine überaus betrübliche Tatsache wäre. Die wenigsten Feuilletonisten haben heutzutage Ahnung von Musik …
 
Es ist ja nix Neues, dass "Sex and Crime sells". Da muss man gar nicht in´s Theater. Ich habe vor Kurzem mal nur ein harmloses Nachrichtenmagazin im Fernsehen angeschaut und gedacht, ich bin im falschen Film. Es wurde nur berichtet von Katastrophen, Krieg, Ganoven und Gewalt, Gewalt, Gewalt...
Das alles mit passenden Bildern inszeniert.
Unsere Spezies interessiert sich für das Gefährliche. Ich denke, da sitzt ein uralter Instinkt dahinter: Wenn wir sehen, was passieren kann, wenn man sich auf die eine oder andere Weise verhält, kann das diesen oder jenen gefährlichen Ausgang haben. Wir versuchen durch die Betrachtung Erfahrung ohne Schmerzen zu gewinnen, was praktisch ist.
Ich kann es nicht ertragen. Wir leben in einer Tatortwelt - jeden Tag drei andere - und schöne Dinge ringen uns ein müdes Lächeln ab, aber die fiesen, gemeinen, von denen ernähren wir uns wie ein Junkie.
Urrgs
 

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