Oper "Sancta" in Stuttgart: Besucher brauchen Arzt

Die Liste der Bestialitäten in der Malerei ließe sich nach Belieben verlängern: Hieronymus Bosch, Brueghel, Caravaggio - die Bilder hängen alle in öffentlichen Museen, finanziert von Steuergeldern. Darf das sein?
 
Die Liste der Bestialitäten in der Malerei
...pillepalle -- in der hohen Literatur werden solche mit burlesker Komik garniert (11000 Ruten von Apollinaire) und manchmal auch einfach en passent ganz lakonisch erwähnt ("i ate that cook in a week or less", Twain (Lichtjahre wirkungsvoller als der lächerliche Kino-Hannibal))

...allerdings die Stuttgarter Lustbarkeit kann für sich nicht beanspruchen, auf Augenhöhe mit Tizian, Apollinaire oder Twain zu agieren ;-)
 
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Ich hätte Angst vor einer Gesellschaft die solche Bilder nicht mehr schockierend findet. Entweder weil der Akt als solches sie kalt lässt, oder weil die Kunst sie nicht mehr berührt oder weil sie vergangene Gewalt zur Legitimation gegenwärtiger heranzieht.
 
Warum wurden früher solche Bilder gemalt. Gibt es auch aktuelle Bilder?

Fotos und Videos gäbe es genügend, sie werden nur kaum gezeigt, worüber ich nicht böse bin.

Warum werden sie nicht gezeigt, möchte man die Kämpfer nicht demotivieren?
 
...allerdings die Stuttgarter Lustbarkeit kann für sich nicht beanspruchen, auf Augenhöhe mit Tizian, Apollinaire oder Twain zu agieren ;-)
Ich erlaube mir darüber kein Urteil, da ich die Performance nicht zu sehen bekomme. Und auf die Schlagzeilen dee Boulevard-Presse (wozu ich auch den SPIEGEL zähle) gebe ich herzlich wenig.
Ich hätte Angst vor einer Gesellschaft die solche Bilder nicht mehr schockierend findet.
Ich finde es ausgesprochen schockierend, mit welcher Nonchalance die Katholiken jeden Sonntag den Leib Christi verspeisen und (in manchen Gemeinden) auch noch das Blut Christi trinken.
Entweder weil der Akt als solches sie kalt lässt, oder weil die Kunst sie nicht mehr berührt oder weil sie vergangene Gewalt zur Legitimation gegenwärtiger heranzieht.
Vielleicht ist die Stuttgarter Performance mal ein (zugegebenermaßen drastischer) Anlaß, sich über die christlichen Gewaltfantasien Gedanken zu machen: Sebastian, der von Pfeilen durchbohrt, verzückt die Augen gen Himmel richtet. Laurentius, der ebenfalls verzückt auf dem Feuerrost schmort. Normal ist das nicht. Ebenso wie die Selbstgeißelungen der jungen Männer in Spanien während der semana sancta - normal? Oder die
verquasten sexuellen Fantasien, wenn etwa in der katholischen Kirche kleine Mädchen anläßlich der Erstkommunion als „Bräute Christi“ ausstaffiert werden. Das alles scheint gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Merkwürdig.
 
Das alles scheint gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Merkwürdig.
In der Tat und muss es das deshalb bleiben? In den besagten Kreisen wird das nicht hinterfragt, es ist Gewohnheit. Wenn es überall zur Gewohnheit wird, wo ist der Gegenpol? Wer leistet das? Was will man dem dann entgegensetzen? Wo soll der Mensch sensibilisiert werden? Wer fördert Empfindsamkeit?
 
Andere Frage: muss Kunst die Rohheiten der Realität in anderer Farbe wiedergeben? Oder sollte sie nicht eher eine andere Seite als wählbare Alternative aufzeigen? Ist es nicht das was in Hochkulturen angestrebt wird? Gleiches nicht mit gleichem zu vergelten, niedere Triebe zu überwinden. Warum ist das Ideal plötzlich so unattraktiv und nicht mehr erstrebenswert anzusehen? Warum soll es zielführender sein die Lupe auf die Rohheit zu halten wenn keine Alternative angeboten wird. Wo soll die herkommen?
 
Es gibt eine Alternative. Die besteht im Eskapismus. Ich halte einen Eskapismus, der subtil Kritik an den gegenwärtigen Umständen übt, für weitaus zielführender als den Schlag vor den Kopf, den etwa Clockwork Orange und vermutlich auch American Psycho (diesen Roman, der sehr gut sein soll, hab ich allerdings nicht gelesen) ausüben. Ein gutes Beispiel für einen Eskapismus, der mit Kritik an unserer Gesellschaft verbunden ist, ist z.B. „Der Name des Windes“ von Patrick Rothfuss.
 

Das führt uns zu einer Grundfrage aller Kunst, der Frage, ob Kunst wahr oder schön zu sein habe. Ist die Kreuzigung des Isenheimer Altars schön? Ist die Appassionata schön? Sind Beschreibungen der sozialen Verhältnisse bei Dostojewski (Schuld und Sühne) schön? Ist der Einbruch radikaler (russischer?) Barbarei in die Idylle der zweiten Chopin Ballade schön?
Warum sind Dante-Sonate und Mephisto Walzer beliebter als das wahrhaft wunderschöne Bénédiction de Dieu?
Harmlose Schönheit findet man in Agitprop Kultur der Diktaturen aller Couleur. Das erste, was Diktatoren unter dem lauten Beifall des 'Volkes' verbieten und zerstören ist wirkliche Kultur. Mit Schostakowitsch alleine könnte man Bücher füllen. Über die 'Kultur' der Nazis sind massenhaft Bücher gefüllt worden.
Der Ärger mit solchen Produktionen wie in Stuttgart (soweit man das aus der Presse bewerten kann) ist, dass aus billiger Sensationsgier Blut, Exkremente und sinnfreie Nacktheit ausgestellt werden ohne irgendeine Rechtfertigung außer verquastem Geschwätz.
 
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@rolf Und das soll als Begründung dienen warum es Kunst ist wenn man einer Nonne ein Stück haut mit der Pinzette abzieht und dann den Finger in die Wunde legt? Wie originell!

Ich hätte noch ein paar weitere Ideen: zur Darstellung des Brettes vorm Kopf nehme man ein Brett und schlage es vor den Kopf.

Oder wie wäre es mit Salz in der Wunde. Man schneide eine Wunde und streue Salz hinein.

Oder Hals und Bein Bruch. Man breche den Hals und das Bein.

Wer da drinsitzt und wirklich ah und Ohhh sagt und auch nur einen Gedanken hinterher an die „tiefere Bedeutung“ verschwendet ist sicher auch bei RTL bestens unterhalten für weniger Geld.
 
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Sind Beschreibungen der sozialen Verhältnisse bei Dostojewski (Schuld und Sühne) schön?
Ich liebe Dostojewski. Und seine Beschreibungen sind bestalisch teilweise. Aber es gibt einen Riesen Unterschied. Er löst Gefühle aus was dazu führt Moral, Haltungen etc. neu zu durchdenken. Es ist intelligent gemacht. Ich erinnere mich an die Hinrichtung eines mörders und die frage ob der angeordnete mord nicht grausamer ist als der mord aus Affekt weil dem Opfer bis zum Schluss die Hoffnung bleibt. Das sind Dinge die nachwirken, die dazu führen dass man vermeintlich eindeutige Haltungen hinterfragt.

Zwischen dem und einer nackten Nonne auf Rollschuhen der man den Finger in die Wunde legt liegen welten.
 
 
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Ich liebe Dostojewski. Und seine Beschreibungen sind bestalisch teilweise. Aber es gibt einen Riesen Unterschied. Er löst Gefühle aus was dazu führt Moral, Haltungen etc. neu zu durchdenken. Es ist intelligent gemacht.[…] Das sind Dinge die nachwirken, die dazu führen dass man vermeintlich eindeutige Haltungen hinterfragt.
Ich stimme Dir zu. Aber Dostojewski hatte ein Publikum, das der Literatur zugewandt war. Wir leben in einer weitaus stärker visuell geprägten Welt. Und ich wage zu bezweifeln, daß man mit der Sprachgewalt eines Dostojewskis (ich kenne allerdings nur die deutschen Übersetzungen) heutzutage noch Allzuviele hinter dem Ofen hervorlocken kann (@rolf ist da zweifellos die löbliche Ausnahme). Victor Hugo konnte mit seinem Zeitungsartikel „J‘accuse“ eine ganze Nation aufrütteln (zugegeben: die Franzosen standen dem geschriebenen Wort schon immer aufgeschlossener gegenüber). Vielleicht müssen wir mittlerweile zu drastischeren „künstlerischen“ Mitteln greifen, um uns Gehör zu verschaffen und Diskussionen anzustoßen. Letzteres ist „Sancta“ auch durchaus gelungen. - Über die künstlerische Qualität der Stuttgarter Performance enthalte ich mich nach wie vor jeder Beurteilung. Ich habe das Stück nicht gesehen, und die Skandalberichte, die ich bislang gelesen habe, reichen mir nicht für ein Urteil.

By the Way: schon merkwürdig, daß BILD und Kronen-Zeitung auf einmal als seriöse und vertrauenswürdige Quellen angesehen werden - und das auch noch im Bereich von Kunst und Kultur …
 
sich über die christlichen Gewaltfantasien Gedanken zu machen: Sebastian, der von Pfeilen durchbohrt, verzückt die Augen gen Himmel richtet. Laurentius, der ebenfalls verzückt auf dem Feuerrost schmort. Normal ist das nicht.
Mir - Leseratte ab der 1. Klasse - fiel eines Tages ein Buch in die Hände, das meine Eltern von der katholischen Kirche zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten. "Leben und Leiden der Märtyrer" oder so ähnlich wird es geheißen haben. Es wimmelte darin nur so von Schilderungen dieser Art. Ein mehr als fragwürdiges Hochzeitsgeschenk - nein, normal ist das nicht!
 

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