Notentreue vs. Improvisation

könnte man sich das ähnlich vorstellen, wie es Gabriela Montero am Klavier macht?
Möglicherweise. Es könnte aber auch sein, dass er einige Takte der Werke regulär spielte und dann in seinem Sinne weiterimprovisierte. Von Bruckner ist bekannt, dass er das "Einwerkeln", also Üben, nicht leiden konnte, deshalb improvisierte er generell viel lieber als Literatur zu spielen.
 
In meiner Auffassung gibt es viele Formen von Kunst. Solche Meisterwerke tiefgründig zu erfassen, sie stilvoll und intelligent zu interpretieren und dann in folge anderen schlüssig zu vermitteln (vielleicht eine andere Perspektive, eine andere Idee) ist Kunst. Nachschaffende Kunst.
Diese Art von Kunst ist auch sehr schön. Man sollte bevor man etwas ändert sich mit dem Original auseinander gesetzt haben. Das kann man auch gut in solchen klassischen Konzerten. Auch für den reinen Hörer ist es sinnvoll beide Möglichkeiten gehört zu haben.
 
Durchkomponierte Musik ist doch eigentlich das Endstadium des Schaffensprozesses. Die meisten Kompositionen beginnen vermutlich als freie Improvisation oder als Idee über die suchend improvisiert wird, dann nehmen Struktur und Inhalt schrittweise feste Form an. Mit der ausnotierten und veröffentlichten Endfassung legt der Komponist sich fest. Es ist die Fassung, der aus Sicht des Urhebers nichts hinzuzufügen ist. Meist wird das so hingenommen. Manche Interpreten haben doch etwas zu ergänzen, das mag aus deren Sicht vollkommen schlüssig sein und Teile der Hörerschaft ansprechen. Andere sehen keinen Sinn, keinen Nutzen und keine Berechtigung die "endgültige Fassung" aufzubrechen. Am Ende ist es Geschmacksache, wobei die Zahl der Befürworter der endgültigen Fassung in der Überzahl zu sein scheinen.
 
es gibt halt kaum noch etwas was den Leuten „heilig“ ist (damit will ich nicht an einen anderen Faden anknüpfen). Aber wenn wir diese Komponisten mit ihrem Schaffen in den Olymp setzen, wissen dass sie lebenslang mit sich um ihre Werke gerungen haben, warum meint man dann etwas ergänzen zu müssen zu was der Komponist keine Stellung mehr beziehen kann? Wenn jeder x beliebige Pianist meint er hätte etwas zu ergänzen, dann fällt der Wert des Werks auf das Niveau eines Wühltisches. Die Frage ist, will man das? Zu sagen „es sei sinnvoll“ für den Hörer beides zu kennen wage ich zu bezweifeln. Zuerst weil ich die Qualität von solchen Classic goes impro-mix in Frage stelle, zum andern weil ich daran glaube dass man den Hörer nicht bevormunden muss was „gut für ihn ist“.
 
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es gibt halt kaum noch etwas was den Leuten „heilig“ ist
Nu is aber gut. :-) Musik ist doch kein heiliger Gral.
Ist doch völlig ok, wenn ein Musiker, der sich schon ewig und drei Tage mit einem Werk beschäftigt, daraus auch mal ne Impro entwickelt. Mozart hat sowas bestimmt auch gemacht. Das gehört halt auch zu einer respektvollen Beschäftigung mit dem Werk, das deswegen noch lange nicht auf dem Wühltisch landet. Im Gegenteil. Manche Impros sind gelungen, manche nicht. So what.
 
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Das Problem bei der Version des Ravelkonzertes erscheint mir, dass man, wenn man das Original nicht so genau kennt, nicht genau weiss, was Ravel und was nicht Ravel ist.
Folgende Version des Mozart-Klarinettenkonzertes habe ich vor Jahren mal in einer Aufführung erlebt, da finde ich dieses Changieren zwischen Original und Zutat viel besser gelöst:

 
🙏 genau genau das! Und der Beweggrund „dieses Werk braucht meinen Senf“ sagt viel über den Menschen aus. Nein danke.
Was sagt es denn über den Menschen aus, deiner Meinung nach? Ich dachte eigentlich, dass für Küchenpsychologie hier im Forum andere zuständig sind;-). Und ist diese Form der Darbietung wirklich mit der Intention verbunden, dass er Ravel verbessern möchte, wie es @Alter Tastendrücker geschrieben hat? Ich habe da meine Zweifel, man kann das ja auch als Ausdruck seiner Bewunderung für den Komponisten sehen, sich mit seinem Werk auseinander zu setzen.
Ich finde die Diskussion hier wirklich erfrischend, aber dass er sein Handwerk versteht, das stelle zumindest ich nicht in Frage, aber ich bin auch nur ein Amateur. Ob man ohne Können jedoch so eine Karriere hinlegen kann, das wage ich zu bezweifeln.


Aber mir ging und geht es hier gar nicht so um ihn, sondern generell um eure Meinung bzgl. Werktreue und interpretatorische Freiheit und deren Grenzen in der klassischen Musik.
 
Ob man ohne Können jedoch so eine Karriere hinlegen kann, das wage ich zu bezweifeln.
Ich bestreite selbstverständlich nicht was er kann! Wie käme ich dazu! Aber ich lege Widerspruch ein dass Karriere zwangsläufig ein gewisses Können voraussetzt. Dazu gibts zuviele Gegenbeweise (nicht nur in der Musik). Umgekehrt gibt es so viele fantastische Pianisten von denen man kaum etwas hört die unvergleichliche Einspielungen hinterlassen haben die aber vielleicht ein zu kleines Repertoire haben um eine grosse Konzertkarriere zu haben, die vielleicht die Nerven für die Bühne nicht haben oder lieber Unterrichten. Ich hab unzählige Aufnahmen gehört wo ich mir dachte „ich würde sofort jederzeit Karten kaufen und mir das im Konzert anhören“ aber diese Leute wollen das garnicht. Und es gibt Leute die sensationell gut spielen können, ein Riesen Repertoire haben, verlässlich abliefern und vielleicht in die ein oder andere Marketingnische passen…..aber den Tiefgang von Toastbrot mitbringen.

Ich will es keinem ausreden was er mag! Wem das gefällt was er aus Ravel macht soll es mögen. Aber ich bin dafür sich eine Meinung abseits von Bekanntheitsgrad, Klicks usw zu bilden und auch nicht davor zurück zu schrecken wenn da große Namen reinfallen. und ich werde in dieser Leistung nicht auf Basis des Namens und seiner Karriere Genialität suchen wenn ich sie nicht wahrnehme.
🤷🏼‍♀️

Küchenpsychologie: aber gern 😁 ich finde es immer wieder lustig wie man die Vorliebe für eine Aufnahme am Namen fest macht und wie entrüstet manche sind wenn man „DEN“ Interpreten für xyz nicht mag. Da kommt nicht mehr auf Rückfragen außer „aber er ist DIE Referenz“. Schade eigentlich.
 
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Eigentlich solltest Du als langjähriger Clavio-User wissen, dass diese Meinung breit gefächert ist. Dieser Faden zeigt, dass sich daran nichts geändert hat. :-)
Ja klar, aber irgendwie musste ja mal das Sommerloch hier im Forum gefüllt werden;-). Außerdem habe ich kein bisheriges Thema gefunden, das sich explizit mit der Fragestellung beschäftigt hat. Hier geht es ja nicht um Bearbeitungen oder klassische Werke als Thema für Improvisationen im Jazz.

Ich will es keinem ausreden was er mag! Wem das gefällt was er aus Ravel macht soll es mögen. Aber ich bin dafür sich eine Meinung abseits von Bekanntheitsgrad, Klicks usw zu bilden und auch nicht davor zurück zu schrecken wenn da große Namen reinfallen. und ich werde in dieser Leistung nicht auf Basis des Namens und seiner Karriere Genialität suchen wenn ich sie nicht wahrnehme.
🤷🏼‍♀️

Küchenpsychologie: aber gern 😁 ich finde es immer wieder lustig wie man die Vorliebe für eine Aufnahme am Namen fest macht und wie entrüstet manche sind wenn man „DEN“ Interpreten für xyz nicht mag. Da kommt nicht mehr auf Rückfragen außer „aber er ist DIE Referenz“. Schade eigentlich.
Stimme ich dir zu. Ich habe ja auch deutlich gemacht, dass mich dieses Konzert nicht überzeugt hat. Meine Lieblingsaufnahmen des G-Dur Klavierkonzertes sind übrigens von ABM und Argerich. Aber du sagst ja selber, dass man sich eine eigene Meinung bilden sollte. Dafür sollte man es sich aber wenigstens anhören bevor man sein Urteil fällt, und das kann man ja nicht innerhalb von 5 Minuten nach Erstellung des Themas machen, deshalb hat mich deine schnelle Antwort "Furchtbar..." erstaunt.

Zur "Küchenpsychologie": Ich weiß jetzt immer noch nicht, was das Konzert nach deiner Meinung über den Menschen Ozone aussagt. Ich mache übrigens meine Vorliebe für eine Interpretation nicht am Namen des Musikers fest, das wäre ja ziemlich blöd, nur falls du das denkst:-).
 
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