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Ich habe letztens zwei Konzerte erlebt, in denen die Pianisten klassische Literatur nach Noten gespielt haben.
Eine Bekannte von mir, die ebenfalls ausgebildete Konzertpianistin ist (aber nicht konzertiert), sagte mir, dass der Trend auch bei Pianisten immer mehr dahin geht, in Konzerten die Noten vor sich stehen zu haben, was ja bei anderen Instrumenten schon lange geläufig ist.
Wie sehen das die Konzertpianisten und Konzertpianistinnen hier im Forum?
Wenn ich richtig informiert bin, wurde an der Musikhochschule Würzburg erst kürzlich die Pflicht zum Auswendigspiel in manchen Prüfungen abgeschafft. Tatsächlich finde ich es richtig und gut, den Spielern selbst die freie Wahl zu lassen. Das Auswendiglernen (!) an sich bietet enorme Vorteile, das Auswendigspielen (!) hat Vor- und Nachteile. Es kommt wirklich sehr auf den Musiker an, ob Vor- oder Nachteile überwiegen.
Nachteile des Spielens mit Noten sehe ich wie folgt:
- Man braucht einen Blätterer. Der stört, ist unkalkulierbar und muss mitreisen oder vor Ort organisiert werden.
- Alternativ: Man braucht ein Tablet. Das ist bei regelmäßigem Gebrauch vermutlich praktischer als ein Blätterer. Natürlich muss man eines Kaufen, auch ein Pedal und evtl. eine Powerbank. V.a. muss man sich mit der Technik und mit dem Fußbedal vertraut machen und das Blättern mitüben. Diesen Nachteil sehe ich aber als nicht besonders gravierend an, auch wenn ich es selbst (noch!) nicht probiert habe.
- Man ist von der Technik abhängig - wenn das Tablet schlappmacht, kann man nicht spielen... oder man muss doch Noten mitnehmen oder ein Ersatztablet.
- Man kann das Notenpult nicht (ganz) herunterklappen oder herausnehmen. Das verändert den Klang und die Sicht.
- Man kann nicht ganz so gut dem Genie-Kult frönen, weil doch meistens das einzige Kompliment lautet "...und das alles auch noch auswendig...!"
- Die Angst vor dem Rausfliegen, Black-Outs etc. wird vermutlich erheblich minimiert. Falls es doch passiert, kommt man wieder rein (dazu sollte man natürlich in der Lage sein, aber das ist jeder professionelle Pianist normalerweise)
- Man kann sich auch im Konzert von den Noten immer wieder kurzfristig inspirieren lassen.
- Bei Kammermusik sieht man auch die andere Stimme, das ist schon hilfreich, auch wenn man sie im Kopf / Ohr hat.
- Je nach dem, ob man das Stück komplett auswendiglernen möchte / kann oder eben nicht, spart man auch erhebliche Zeit.