Manifest C. über das Üben
- Man spielt, wie man übt.
- Man muss gar nichts.
- Man soll sich aber auch nicht beschweren.
- Man kann aber.
- Jeder kann.
- Üben wird durch Üben erlernt.
- Sinnvoll üben will gelernt sein, deshalb fängt man am besten gleich damit an.
- Üben heißt „Musik verstehen und umsetzen lernen“. (a))
- Übe so, dass du das, was du spielst, verstehen lernst und wahrnimmst. Die Art des Übens richtet sich nach der Struktur der Musik, nach deinen Fähigkeiten und nach dem, was du lernen willst.
- Denke und höre in Stimmen wie bei einem Orchester. Horizontale Stimmverläufe sind ein wesentlicher Aspekt der musikalischen Struktur. (b)).
- Verstehst du bei mehrstimmigen Stücken das, was du spielst, bei anfänglich beidhändigem Spiel?
- Stimmenweises Üben, bei Anfängern zunächst einzelnes Üben ist zum Verständnis der Stimmverläufe und musikalischen Strukturen, zum Erlernen sinnvollen Übens, zum Vertraut werden mit den zur Umsetzung nötigen Bewegungsabläufen notwendig.
- Übe so, dass du es dir leicht machst. (c))
- Einzelnes Üben ist zunächst leichter.
- Durch Wiederholung wird das Gelernte im besten Fall optimiert und automatisiert, es hat sich „eingeprägt“.
- Falsches prägt sich ebenso ein.
- Falsches wird man schwer wieder los.
- Es ist unökonomisch, länger falsch zu üben.
- Es ist unökonomisch, erst nach der mechanischen Erarbeitung des Stückes mit der Erarbeitung zu beginnen, denn da hat man schon lange falsch gespielt. (d))
- Üben ist auch individuell.
- Wie vereinbare ich meine persönliche Art zu lernen, meinen Zugang zur Musik mit den für alle geltenden Erkenntnissen und Elementen von Übe- und Lernprozessen?
Quellennachweise:
a) „Nicht der von seinen eigenen Gefühlen bestimmte Vortrag des Musikers ist das Ziel, sondern eine Interpretation, die aus dem Werk selbst, aus dem Verstehen seiner Struktur als Ganzem und aus der Kenntnis der Wirkungsweise musikalischer Phrasen und Klänge im Allgemeinen erwächst.“
http://www.swr.de/orchester-und-ens...472/did=10018976/nid=788472/g4jnxh/index.html
b) - „Urbánski: Ich sehe die Noten vor mir, wenn ich dirigiere. Ich erarbeite mir ein Stück, indem ich mich ans Klavier setze und das Stück durchspiele, jede einzelne Note, jede Stimme, da kann man Stunden mit einer Seite verbringen. Dann setze ich mich in meinen Sessel, setze mir Ohropax ein und höre das Stück im Kopf, probiere Dinge aus, als würde ich es auf einem Synthesizer spielen. So entwickle ich meine Interpretation. Die versuche ich dann mit dem Orchester zu wiederholen.“
http://www.concerti.de/de/554/interview-krzysztof-urbanski-ich-bin-nicht-gut-in-kompromissen.html
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http://de.wikipedia.org/wiki/Registerprobe - "Ganz ähnlich funktioniert auch die Phrasierung in der Musik. Dabei ist es sehr sinnvoll, so zu üben, dass man nicht am Ende der Erarbeitung eines Stücks mit der Phrasierung anfängt, sondern die musikalischen Gestaltungsmittel, nicht nur die Phrasierung, nach und nach in die Arbeit und den Übeprozess integriert. Man könnte z.B. eine Melodie eines Stücks erarbeiten und sich (das Erarbeiten der Noten und des Rhythmus' dieser einen Stimme dauert meistens nicht allzu lang) sich dann schon um die Phrasierung Gedanken machen.
Nebenbei: deshalb bin ich der Meinung, dass bei mehrstimmigen Stücken im Regelfall direktes und ausschließliches Zusammenspielen der Hände sehr ungünstig ist, da man die horizontalen Stimmverläufe so nicht hört, herausarbeitet, und oft unmusikalisches Spiel die Folge ist. Stimmenweises Üben hilft da sehr, denn dann kann man sich auf die Phrasierung u.v.a.m. konzentrieren (horizontale Ebenen). Ähnlich einem Orchester, bei dem die einzelnen Stimmen/Instrumente individuell horizontal verlaufen und dabei natürlich (vertikal) zusammenklingen, wobei diese Zusammenklänge/Harmonien wiederum auch einem horizontalen Prozess/Linien folgen.“ https://www.clavio.de/klavierforum/threads/arbeit-an-phrasierungen.18698/#post-343162
c) Gerhard Mantel nennt das das „Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit“ (aus „Einfach Üben“). Die Aufmerksamkeit kann sich beim Üben immer nur auf einen einzigen, maximal zwei Aspekte richten. Also beginnt man erst mal mit den Noten, überlegt sich den Fingersatz, dann kommt der Rhythmus hinzu, dann überlegt man sich Phrasierung, Dynamik, Artikulation ….. . Man setzt sich also bestimmte Ziele. Bei diesem Prinzip ist genügend Kapazität für's Hören, die Körperwahrnehmung etc. frei. Und es macht Spaß, denn man hat Erfolg und fühlt sich nicht überfordert.
d) Das betrifft nicht nur die sich angewöhnte unmusikalische Spielweise mit all den falschen Bewegungen und den falschen Klängen, sondern auch die Bewegungsprogramme selbst: „Um komplizierte Abläufe zu erlernen, beginnt man meist zunächst in langsamem Tempo und steigert die Geschwindigkeit dann nach und nach. Nicht selten gelingt der Übertrag in das schnelle Tempo aber nicht. Die Ursache ist, dass je nach der Natur der zu erlernenden Aufgabe der langsame Bewegungsablauf ein anderes motorisches Programm benötigt als der schnelle. Die betrifft vornehmlich Bewegungen, bei denen tempoabhängig die angreifenden physikalischen Kräfte sehr unterschiedlich sind. Dazu gehören Sprünge, schnelle Unterarmbewegungen, aber auch rasche große Fingerbewegungen. Diese schnellen ballistischen Bewegungsformen sollten daher schon in einem frühen Stadium in schnellem Tempo geübt werden, wobei es dann eventuell nötig ist, den Bewegungsablauf in einzelne überschaubare Teile zu zerlegen. „ (aus „Handbuch des Übens“, „Hirnphysiologische Grundlagen des Übens“ von Eckart Altenmüller)
Anmerkung: stimmenweises Üben ermöglicht es, einzelne Stimmen oder Kombinationen zweier oder mehr Stimmen bereits im Tempo zu spielen, obwohl man das komplette Stück noch nicht im Tempo beherrscht. Zusätzlich hört man auch, wie diese Stimmen zusammenklingen, und gelangt zu klanglicher Differenzierung.
Übt man dazu schon langsam komplette beidhändige Abschnitte aus dem Stück oder auch alles und greift diese Übevarianten immer mal wieder auf, so erfährt man die Musik immer wieder aus einer anderen Perspektive und alles ergänzt sich im besten Fall zu einem lebendigen und klanglich differenzierten Spiel.
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Also, liebe Lara, sei froh, dass du diese Klavierlehrerin hast. :D
Liebe Grüße
chiarina