Danke für das Feedback!
Ja, das ist vielleicht eine "Digital-Krankheit". Ich kann schon nuanciert spielen, auf einem echten Klavier ist das aber natürlich ohne Gewöhnung schwieriger. Und auch da: Umso teurer, umso leichter kann man die eigenen Wünsche umsetzen. Derzeit habe ich das Gefühl, diese auf einem guten digitalen besser umsetzen zu können.
Und etwas wovon ich mich trennen muss, was ihr aber sicherlich kennt: Ich traue mich in einem Klaviergeschäft nicht so richtig offen und frei zu spielen, wie ich es für mich machen würde. Irgendwie habe ich ein Gefühl von "das könnte andere stören". Völliger quatsch, ich weiß, und bevor ich Tausende Euros ausgebe mache ich das natürlich auch (ist ja auch ein Unterschied ob man in einer Beratung ist oder frei einfach jedes Klavier anfasst ohne Erlaubnis etc.). Ich habe mich heute aber teilweise auch etwas zurückgehalten, wenn ich alleine zwischen den Klavieren hin und her gewechselt bin.
Sehr interessante Diskussion. Ich befinde mich derzeit ja auch auf der Klaviersuche und kann Deine Überlegungen sehr gut nachvollziehen, auch wenn meine „Bedürfnisleiter“ (Danke für den Begriff,
@Austro-Diesel) eine andere ist; bei mir kann es am Ende alles werden zwischen 5k-Klavier bis zum 50k€-Flügel, Hauptsache das Instrument zieht mich in seinen Bann. Tausende-€-teure Kompromiße möchte ich vermeiden. Glücklicherweise kann ich alles bis zum Halbkonzerter stellen. Aber später schreibe ich in einem anderen Thread mal mehr dazu, wenn ich soweit bin.
Nur jetzt soviel - Message 1: von Deinen Hemmungen im Geschäft frei aufzuspielen musst Du Dich komplett freimachen. Bei mir ist das ja noch sehr viel tragischer: ich hatte lange Jahre bis zum Abitur Klavier gespielt, und danach nicht mehr. Nicht eine einzige Taste berührt, bis ich letztens in einem Klaviergeschäft nach 30 Jahren wieder Tasten unter den Fingern hatte. Ich konnte rein gar nichts mehr aus dem Stehgreif bringen, mein ganzes auswendiges Repertoire von damals war weg. Das einzige, was übrig blieb, waren Akkorde und diverse Laufübungen. Aber ich habe den Verkäufern gleich nach der Begrüßung klargemacht, das ich zu den Wiedereinsteigern gehöre und aktuell mehr alsKklimpern nicht drin ist. Reaktion sinngemäß: „kein Problem, spielen Sie, was Sie können. Wenn Sie genug Vorbildung haben, werden Sie trotzdem ein Gefühl für die Instrumente bekommen.“ Und genauso ist es dann auch gewesen:
Nach viel theoretischer Leserei stand ich nun mit dem daraus gewonnen Eindruck über den großen Sprung der Digitalklaviere nun vor den Instrumenten. Das Klavierhaus hatte zwei Haupteingänge: Eingang 1 alles Digital von 1000€ Digitaleinstiefspiano bis zum 10k€ Hybridflügel. Eingang 2 alles akustisch: 2000€ Gebraucht-Euterpe bis zum fast neuen D282-Bechstein. Ich begann im Digitalbereich und „klimperte“ alle Preisklassen herauf bis zum Hybrid an: jeder Preissprung war fühlbar, vor allem bei der Klaviatur, weniger bei der Akustik. Beeindruckt war ich da von gar nichts, auch nicht von der 3-4k€-Klasse (Kawai CA-901, Yamaha CLP-885). Erst ab den Hybrid kam das Spielgefühl für mich so langsam dem akzeptableren Bereich näher. Aber von der Lautsprecher-Akustik war ich durchgehend enttäuscht. Obwohl ich dann etwas unter Zeitdruck stand, habe ich dann nach Betreten von Eingang 2 etwa 15 Minuten für ein paar akustische Einstiegs-Klaviere spendiert, aber nichts Höherwertiges, keine Konzertklaviere, keine Flügel. Aber das genügte, um eine Entscheidung sofort zu treffen: kein Digitalpiano, nur ein akustisches. Das liegt natürlich auch daran, das ich vorgeprägt bin durch mein jahrelanges Spielen auf dem Steinway-Flügel meines damaligen Klavierlehrers. Wenn man einmal ein solches Instrument verinnerlicht hat, hat dies bleibende Folgen für den eigenen Maßstab an das Instrument hinsichtlich Spielgefühl und akustischer Wiedergabe. Deswegen fiel bei mir der Digitalpiano-Eindruck so mau aus, und das trotz „Klimperns“.
Zur Message 2: wenn Du Dich weiterentwickeln möchtest, und zwar Weiterentwicklung in nennenswertem Umfang und keine Optimierung des „digitalen“ Spiels, dann geht das m.E. nur an einem guten akustischen Klavier. Auch wenn Digitalpianos deutliche Fortschritte gemacht haben, bleibt zur Feinfühligkeit und damit Ausdrucksmöglichkeit als auch zur akustischen Dynamik guter akustischer Klaviere (Flügeln sowieso) immer noch ein beachtlicher Abstand - mein Takeaway aus dem Besuch. Oder anders: (für mich) ist jeder Natur-Klaviersound eines guten Mittelklasseklaviers einem noch so guten CFX-Sample aus dem Einbau-Lautsprecher des Digipianos überlegen. Und für 5k€ sind gute anständige Klaviere verfügbar, vor allem auch im Gebrauchtbereich, denn da kommst Du mit damit schon in die 10k€-Klasse und darüber.
Aber hey, wenn Du an Digis mehr Spaß hast, ist eine Entscheidung pro Digi auch völlig nachvollziehbar. Nur 2 Dinge solltest Du beachten: 1. Dein Klavierspiel wird sich dann ziemlich sicher nur in kleinen Schritten verbessern und in jungen Jahren macht man besser die größeren als die kleineren Schritte. Zu sagen im Alter von 29 hättest Du noch „viel“ Zeit…nein, die ist viel schneller weg als Du Dich umdrehen kannst, vor allem wenn das Job-Familie-Kinder-Haus-Karussell mal so richtig auf Drehzahlen kommt. Das Klavierspielen muss man immer im Hier und Heute Priorität geben, niemals irgendwann in der Zukunft. Ich teile teile hier @Rolleums Sicht aus Post #112 ausdrücklich. 2. Der Wert eines Digitalpianos, vor allem eines teureren, verhält sich ähnlich dem eines neuen Fernsehers oder Mobiltelefons: die regelmäßigen Nachfolgemodelle drücken den Wert des eigenen Altmodells sehr schnell und drastisch. Da akustische Klaviermodelle ausentwickelt sind, ist die Wertverlustentwicklung hier sehr viel langsamer und deutlich stärker am Zustand des Instruments gekoppelt. Von den 5k€ wirst Du bei einem Kauf eines guten akustischen Klaviers später mehr wiedersehen als beim Digi/Hybrid.
Es gibt ja auch noch eine weitere Möglichkeit, die Du allerdings sehr wohl auf etwas später verschieben kannst, was viele hier ja auch machen: akustisch und digital, also das Beste aus beiden Welten zusammen!