Dummerweise habe ich ob deiner Frage den Eindruck, ich müsste nun kritisch antworten.
Allerliebste Lichtgestalt,
"Dummerweise" ist dieser Eindruck völlig unzutreffend, und ein wenig beschleicht mich das Gefühl, dass Du mir bedeuten willst "sei still, davon verstehst du nichts". Fachlich gesehen - wie wahr. Anderseits habe ich in den Jahren 2004-2007 für meine Fakultät das ganze Bolognasystem "implementiert", wie es so schön hieß, und habe daher noch eine bescheidene Vorstellung davon, wie derlei Studiengänge zustandekommen. In meinen Fächern etwa, aber nicht nur in denen, verdanken sie ihre Existenz zum Teil dem nur mühsam verhüllten Wunsch, den Rückgang der Studentenzahlen in alten Kernfächern (hier Lehramt) zu kompensieren, zum Teil der Notwendigkeit, dem politischen Zeitgeist zu willfahren und Studiengänge anzubieten, bei denen man im Vergleich zu einem klassischen Studium wie Jus, Medizin, Philosophie oder sicher auch Musikwissenschaften keine allzu dicken Bretter bohren muss.
Nun, was mir zunächst auffällt ist, dass hier in einem wissenschaftlichen (!) Studiengang der eigentliche wissenschaftliche Anteil (“Profil C”) nur rund ein Drittel ausmacht (41 von 120 ECTS, wenn ich mich nicht verzählt habe), wovon der Löwenanteil von 25 ETCS auf die MA-Arbeit plus Begleitprogramm (Mentoring, Präsentation) entfällt; für das eigentlich wiss. Studium stehen damit 16 ECTS, rund 13% der Studienleistungen, zur Verfügung. Alle übrigen Module machen den Eindruck, dass die Studies sozusagen allseitig ein wenig zartrosa angebraten werden, aber Tiefgang sorgfältig vermieden wird. Und auch bei den Prüfungsleistungen scheint das Ausweichen ins Bequeme Programm zu sein (z.B. “Schreiben über Musik”: neben “Analyse” und “Konzerteinführung” steht da tatsächlich “Programmheft”, und man kann sich ausmalen, wie das vor sich gehen könnte).
Zweitens frage ich mich, welchen Stellenmarkt es für die Absolventen gibt; darüber machen sich die Designer solcher Studiengänge leider oft viel zu wenig Gedanken oder erliegen ihrem Wunschdenken (im “Europastudiengang” meiner Fakultät heißt es u.a. “Verlagstätigkeit”, tja). Wenn sie reine Musiker sind, d.h. ein "musikalischer" BA vorausgeht, werden sie sicher auf MH-Vollabsolventen oder Juristen und Wirtschaftswissenschaftler mit einer ähnlichen, anderweitig erworbenen, Zusatzqualifikation treffen, und dann kommt es wie üblich: die besetzen die Spitzenpositionen, und aus dem stolzen Inhaber:innen eines "Testats in interkultureller Musikpraxis" wird das Fußvolk rekrutiert. *)
Schließlich frage ich mich, welcher Begriff von "Vermittlung" hier zugrundeliegt. Vermitteln kann man ja nur Gegenstände, die man auch hinreichend kennt. Eigentlich müsste ein solcher Studiengang ein abgeschlossenes musikwissenschaftliches oder künstlerisches Studium voraussetzen, möglichst im MA-Umfang. Darüber erfährt man leider nichts, und ich finde es fast schon ein wenig dreist, dass zur Bewerbung eingeladen wird, ohne dass über solche Voraussetzungen informiert wird, und stattdessen lapidar mitgeteilt wird "Die Fachprüfungs- und Studienordnung sowie das Modulhandbuch werden baldmöglichst publiziert"; im Sprichwörterbuch heißt das “die Katz im Sack kaufen”. Und solange diese Informationen nicht vorliegen, ist es vorschnell, diesen Studiengang zu bejubeln, und natürlich auch, ihn zu verdammen. Doch eine leise Skepsis zu unterdrücken, fällt nicht ganz leicht.
*) Nachtrag: Vergleiche die eben von Dir genannte Prof. Barbara Stiller: Musikpädagogikstudium, Studium der allgemeinen Pädagogik, Promotion - nix Master Musikvermittlung.