Magst du uns mal Beispiele für solche zu internalisierenden Bewegungsfolgen nennen, für die du nicht 100 % Konzentration brauchst?
die Antwort wird dich überraschen: restlos alle! Und dasselbe gilt für das aufrechthalten wie trainieren der Ausdauer (anspruchsvolle Sachen sind auch körperlich anstrengend)
Wenn man z.B. schon längst sehr schnelle Sexten oder Oktaven
kann, dann bedeutet das nicht, dass man sofort schwupps jede Sexten- oder Oktavenstelle prima hinlegen kann. Man hat lediglich den Vorteil, dass man sich keine falschen Bewegungsmuster einbläut. Konzentration wird
vorher benötigt: beim internalisieren & begreifen des Notentextes - also beim herstellen der Situation, dass man restlos alles auswendig hat und überall einsteigen kann, keinen Griff, keine Taste suchen muss, über keine Fingerfolge nachdenken muss*). Das kann mal mehr, mal weniger Zeit verbrauchen. Kurz gesagt: die Vorarbeit, lange bevor irgendeine Stelle in die Nähe des Tempos gebracht wird, verbraucht die meiste Konzentration. Danach kommt sozusagen der "sportliche" Aspekt, und der ist "stumpfsinnig", benötigt keine sonderliche Konzentration, sondern gewöhnt den ohnehin trainierten Bewegungsapparat an die speziell hier geforderte Abfolge - und diese Gewöhnung verbraucht zwar ggf viel Zeit, strengt aber im Oberstübchen überhaupt nicht an: dabei kann man weghören, wegdenken.
Unglücklicherweise gibt es obendrein auch widerborstige Stellen, die man nur mit speziellen Übungen wirklich sicher und "automatisiert" hinkriegt, sofern man sie nicht von allein kann und erst gar nicht üben muss (ich habe noch nie Trillerstellen oder Tremoli geübt) da ist sicher jeder Jeck anders - - diese Übungen sind zugleich hochkonzentriert und stumpfsinnig (ein scheinbares Paradoxon) z.B. die Stationenübung ist so eine (sie trainiert automatische Sicherheit und zugleich trickst sie das hinderlich-langsame kontrollierende Denken aus, also führt in nützliche Automatisierung komplexer widerborstiger Bewegungsabläufe)
Friedrich Gulda hat das mal schön pointiert ausgedrückt:
Jeden Ton, als ginge es um Leben oder Tod - das ist die konzentrierte Vorarbeit
Einfach laufen lassen - das ist das motorische internalisieren und dann aufführen
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*) und natürlich setzt das voraus, dass Grundlagen (Klangbalance, cantabile etc) nicht eigens dabei eingeübt werden müssen!