Musiktheorie im Klavierunterricht

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"Menschen bilden bedeutet nicht, ein Gefäß mit Wissen zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen"
soll so oder so ähnlich mal ein alter Grieche gesagt haben.
 
Es ist auch eine absolut valide Haltung eines Lehrers, wenn er sagt, dass ein solides "wissen wollen" seitens des Schülers vorausgesetzt wird und er als Lehrer nicht dazu da ist, den Schüler zum Jagen zu tragen.
Dazu paßt der Spruch meines Lehrers: „Jeder bekommt von mir 100 Prozent, für die er auch bezahlt hat. Wer mehr von mir will, muß erst einmal in Vorleistung treten.“
"Menschen bilden bedeutet nicht, ein Gefäß mit Wissen zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen"
Das sind salbungsvolle Worte. Sie könnten glatt in der Rubrik „Indianerweisheiten“ zu finden sein. Aber wie heißt es so schön bei Brecht im „Ersten Dreigroschenfinale“:
die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht.
Wir wären gut - anstatt so roh,
doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
Der Geist ist nämlich selten so willig, wie die Gutmenschen es uns glauben machen wollen. Da muß ich vielmehr @schmickus Recht geben:
Dann müsste aber auch Material zum Brennen vorhanden sein. Daran mangelt es aber oft.
 
Diese Ängste abzubauen und in ein "wissen wollen" umzuwandeln ist meiner Meinung nach die eigentliche Aufgabe des Lehrers.
Weiß nicht. Ich wollte es immer wissen. Habe aber eher die Erfahrung gemacht, daß die meisten Lehrer über das typische Instrumentalistenwissen nicht hinauskommen. Also das, was sie selbst als Pflichtfach absolvieren mussten.
Theorie nützt so rein gar nix, wenn sie nicht dazu dient die Praxis kreativ zu bereichern. Brav die Funktionen irgendwo drunter schreiben ist a bisserl wenig. Just my 2cent.
Erst mein Letzter Klavierlehrer hatte richtig Ahnung. Und da habe ich auch die Erfahrung gemacht, daß die Klavierstunde dafür einfach nicht reicht.
 
Als Feldwaldwiesenklavierlehrer auf dem flachen Land ( wahrscheinlich ist es überall so) ,kam und kommt es immer wieder mal vor, dass Menschen jeden Alters Abkürzungen hinsichtlich des Erlernens des Klavierspiels nehmen wollen. Da scheint ihnen die Theorie im Weg. Da ist viel Überzeugungsarbeit von Nöten: damit sie verstehen, dass Theorie nützt. Wenn meine verschütteten Griechischkenntnisse nicht trügen, bedeutet Theoria Anschauung. Ohne Anschauung ist man blind.
Ich denke, dass wenige gute Musiker ganz ohne Theoriegebäude auskommen. Es mag z.B. im Jazzbereich Spieler geben, die davon nicht viel brauchen. Eher der Typus Instinktmusiker. Keine Ahnung, ob Charlie Parker immer wusste, was er da tat.
Man muss als Lehrer die Theorie immer mit der lebendigen Musik verbinden, sonst bleibt das nur ein lebloser Baukasten.
 
Ich denke, dass wenige gute Musiker ganz ohne Theoriegebäude auskommen. Es mag z.B. im Jazzbereich Spieler geben, die davon nicht viel brauchen. Eher der Typus Instinktmusiker. Keine Ahnung, ob Charlie Parker immer wusste, was er da tat.
Gerade im Jazz braucht man sehr gute Theoriekenntnisse. Und Charlie Parker wusste ganz genau, was er tat. Ob er aber die etablierten theoretischen Begriffe dafür verwendete, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall muss er ein (evtl. eigenes) Denksystem und ein gutes Gehör gehabt haben, das ihm die Anschauung des von ihm Gespielten ermöglichte.
 
Ich versuche ja schon seit einiger Zeit, in Sachen Musiktheorie selbständig das aufzuholen, was ich in der Schulzeit im Musikunterricht nie verstanden habe.
Es gibt online preisgünstige Kurse in Musiktheorie. Evtl. findest Du auch bei youtube etwas. Das wäre eine gute Ergänzung zum Einzelunterricht.

Schön finde ich es, wenn der Lehrer theoretische oder strukturelle Themen bei bestimmten Stücken zumindest kurz anreißt ("hier geht es in die Dominante, da in die Subdominante.... da beginnt und da endet eine Phrase... hier gibt es eine Haupt- und eine Nebenstimme... hier wiederholt sich das Thema..."), damit man zumindest eine Idee hat, was man alles nicht weiß... , aber meistens fehlt auch dafür die Zeit.

Bei mir hat Musiktheorie im Einzelunterricht nie eine Rolle gespielt (außer vielleicht bei den Bach-Fugen mit den verschiedenen Stimmen und Themen), vermutlich aufgrund von Zeitmangel. In der Schule hingegen wurden im Musikunterricht Sachen wie Dominante, Subdominante, Tonika, der übliche Aufbau von Liedern, Quintenzirkel usw. erläutert, so dass mir dabei alle Lichter aufgingen, denn in der Praxis hatte ich alles schon jahrelang unbewusst angewendet, und bekam die Theorie quasi nachgeliefert. Nicht zuletzt habe ich mein Wissen und Verständnis auch durch das Lesen hier im Forum schon erweitern können.
 

Gerade im Jazz braucht man sehr gute Theoriekenntnisse. Und Charlie Parker wusste ganz genau, was er tat.
Das eine hat mit dem Anderen nicht unbedingt etwas zu tun. Ich kenne einen Jazzpianisten, der der klassische Fall von Nullahnung war.
Wenn er einen interessanten Akkord gehört hat, dann hat er ihn so lange in allen Tonarten geübt, bis er ihn total verinnerlicht hatte.
Dieser Typ war nur auditiv unterwegs. Natürlich kannte er die Grundlagen, aber viel war das nicht... :-)
Trotzdem wusste er immer, was er tat.
Das ist natürlich nur ein Beispiel. Ich kenne auch einen Jazzgitarristen, der so dermaßen verkopft ist, dass es einen schon schüttelt.
Entsprechend clean klingt seine Musik.
 
@Tastatula
Das, was du schreibst, widerspricht ja gar nicht meiner Aussage, denn ich habe mich ja auch auf das Gehör bezogen.
Auf jeden Fall muss er ein (evtl. eigenes) Denksystem und ein gutes Gehör gehabt haben, das ihm die Anschauung des von ihm Gespielten ermöglichte.
Das Gehörte muss nur in irgendeiner Form eingeordnet werden, sodass es als Muster wiedererkannt und angewendet werden kann.
 
Lieber @Demian , ich wollte auch nicht grundsätzlich widersprechen. Lediglich dem Satz, dass man gerade im Jazz sehr gute Theoriekenntnisse braucht. Deshalb habe ich den Satz zitiert. ;-)
 
Bei mir ist es weniger ein Denkmuster als ein Gefühlsmuster. Bei mir lösen Ton- und Akkordbeziehungen Stimmungen und Gefühle aus. Erst im Schulmusikunterricht lernte ich ein paar Bezeichnungen, die auch teilweise nicht für mich gepasst haben. Und mit Fremdworten ging gleich gar nix. Das Wort "Quintenzirkel" (und alles andere auch) hatte für mich nix mit Musik zu tun. Anhand dessen konnte ich auch meine Empfindungen nicht einordnen/erklären. Da hätte es frühzeitig einen deutlich besseren Unterricht gebraucht.

Wenn jemand sagt "ich kann keine Theorie" obwohl er sehr gut spielt, ist oft das Obige der Fall. Man fühlt es einfach (das sagenumwobene "feeling", oder auch Talent) - das Gefühl ist quasi die Theorie, nur eben ohne die Verknüpfung zum musikalischen Vokabular.
 
Erst im Schulmusikunterricht lernte ich ein paar Bezeichnungen, die auch teilweise nicht für mich gepasst haben. Und mit Fremdworten ging gleich gar nix. Das Wort "Quintenzirkel" (und alles andere auch) hatte für mich nix mit Musik zu tun. Anhand dessen konnte ich auch meine Empfindungen nicht einordnen/erklären.
Boah ey, dass sich manche Leute so an Worten/Begriffen aufhängen... Warum kann man sich nicht einfach sagen "so wird das halt allerorten genannt, dann weiß ich das jetzt und merke es mir, peng, aus, fertig", ohne daraus ein Drama mit irgendwelchen Gefühlen zu machen??

Ich sage im Unterricht immer mal wieder so was wie: "Ob das nun die optimale Bezeichnung ist für dieses Phänomen, darüber könnten irgendwelche Nerds sicherlich trefflich streiten; wir aber hier verschwenden unsere Zeit nicht damit, sondern merken uns einfach den üblicherweise gebrauchten Begriff, damit wir möglichst problemlos mit anderen Musikern kommunizieren können." Thema durch.
 
Warum kann man sich nicht einfach sagen "so wird das halt allerorten genannt, dann weiß ich das jetzt und merke es mir, peng, aus, fertig",
Weil das so einigen Menschen eben nicht reicht.
Bei dir scheint das reichen zu müssen, und damit sind diese Menschen bei dir im Unterricht eben einfach nicht gut aufgehoben, denn du scheinst die Tradition eben nicht erklären zu wollen ... ich hoffe, es liegt am Wollen.
 
Du ignorierst die Hälfte des Postings.

Es geht nicht darum, wo die Begriffe herkommen. Das kann man natürlich erklären.
Aber es geht darum, dass manche die üblichen Begriffe ablehnen. Die alternative Benennung von Konzepten in der Musik erschwert die Kommunikation mit anderen Musikern und hat im Standardklavierunterricht nichts zu suchen. Es darf sich natürlich jeder seine eigene Interpretation zurechtzimmern. Aber höchstwahrscheinlich ist diese Version insgesamt schlechter als das existierende System und man kann auch nicht von einem KL erwarten, für jeden Schüler eine eigene "Musiksprache" mit individuellem Vokabular zu lernen.

Und bevor man das existierende System ablehnt, sollte man es erst einmal vollständig durchschauen. Sonst kann man überhaupt nicht einschätzen, ob die eigenen vorgeschlagenen Änderungen eine Verbesserung sind. Von dieser Position sind Klavierschüler in der Regel weit entfernt.
 
Ich verstehe auch überhaupt nicht, warum manche Leute sich immer wieder selber das Leben schwer machen müssen durch Eröffnung irgendwelcher "Nebenkriegsschauplätze". Wenn du denen zeigst "mach es doch einfach so und so, und schon läuft's", dann finden die immer noch ein Gemäkel, weswegen das aber immer noch schwierig ist, blabla.

Man kann trefflich darüber spekulieren, woher in einem spezifischen Fall diese Lust an der Selbstsabotage und am Drama kommt. Es nervt auf jeden Fall ohne Ende.
 
…"Ob das nun die optimale Bezeichnung ist für dieses Phänomen, darüber könnten irgendwelche Nerds sicherlich trefflich streiten; wir aber hier verschwenden unsere Zeit nicht damit, sondern merken uns einfach den üblicherweise gebrauchten Begriff, damit wir möglichst problemlos mit anderen Musikern kommunizieren können." Thema durch.
Ein Konzertgitarrist hat das damals mit mir versucht. Nach 3 Wochen war ich soweit, mit dem Gitarrespielen aufzuhören. So einfach funktionieren Kinder leider nicht. Der sagte damals zu meinem Vater, dass er in der Erziehung versagt hat wenn sein Kind zu dumm ist um einfache Grundlagen zu lernen.
Heute lebe ich recht gut vom Gitarrespielen.
 

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