Musiktheorie im Klavierunterricht

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Liebe Viva la musica,

"Musiktheorie" ist doch nur die Benennung von etwas Gehörtem. Es ist sinnvoll, etwas Gehörtes, einen Klang, eine musikalische Struktur u.ä. mit einem Begriff zu beschreiben, so dass wir darüber reden und reflektieren können.
Hach liebe Chiarina, immer wenn ich deine Beiträge lese, erwacht in mir der dringende Wunsch, sofort in den Großraum Frankfurt umzuziehen und mich und meine Kinder in die jahrelange Warteliste einzuschreiben, die du vermutlich für deine Schüler hast...

Hast du eigentlich mal daran gedacht, Weiterbildungen für Klavierlehrer in Didaktik anzubieten? Die Weiterbildung würde ich meiner KL direkt finanzieren... :super:
 
Man nenne mir auch nur eine Person, die
Cool, wenn du das in der Schule gelernt hast! Bei mir kam das alles NIE vor! Ich erinnere mich an EINE Ex zum Dominantseptakkord in der 6. Klasse, die ich versiebt habe, weil ich überhaupt nichts verstanden habe. Danach war Musiktheorie nie mehr Thema. Wir hatten auch nur jedes zweite Jahr Musik, dazwischen Kunst.
Man nenne mir auch nur eine Person (die nicht sowieso engagiert Klavier gespielt und dort ohnehin diese Sachen gelernt hat), die aus dem Schul-Musikunterricht irgendetwas Theoretisches tatsächlich verstanden, längerfristig "gespeichert" und im weiteren Leben irgendwie nutzbringend angewendet hätte.

Das ist mit der größte Schwachsinn in den Lehrplänen. Besser ist natürlich, wenn Klassenmusizieren gemacht wird und dort die Theorie drankommt, die fürs Musikmachen erforderlich ist.
 
Man nenne mir auch nur eine Person (die nicht sowieso engagiert Klavier gespielt und dort ohnehin diese Sachen gelernt hat), die aus dem Schul-Musikunterricht irgendetwas Theoretisches tatsächlich verstanden, längerfristig "gespeichert" und im weiteren Leben irgendwie nutzbringend angewendet hätte
Bei meinem Sohn in der Schule haben sie in der 5./6. Klasse in Musik allen Schülern zumindest soweit Klavierspielen beigebracht, dass alle sich auf den Tasten mit den Notennamen zurecht gefunden haben und ein Miniliedchen einhändig nach Noten spielen konnten. Auf das Minivorspiel gab's dann eine Note. Da ging es nicht so sehr ums Klavierspielen, sondern ums Notenlesen und verstehen der Klaviertastatur.

Dann haben sie den Schülern anhand der Klaviertastatur angefangen, Tonleitern, Akkorde, Tonarten zu erklären. Das fand ich echt super, weil man das ohne Klaviertastatur wirklich alles kaum versteht (mein Gitarrenlehrer hat mir auf der Gitarre jahrelang vergeblich erklärt, was ich auf der Klaviertastatur in 2 Minuten auf einen Blick verstanden habe...).
 
Ich gehe mal davon aus, daß sich hier im Forum keine kleinen Kinder, sondern (halbwegs) erwachsene Menschen tummeln. Und Erwachsene sollten in der Lage sein, sich zumindest das rudimentäre (musiktheoretische) Rüstzeug anzueignen.

Wie bin ich, damals als Jugendliche, vorgegangen, als ich erkannt hatte, daß mein musikalisches Gehör zu wünschen übrig läßt? 1. Schritt: Intervalle (und später auch längere Tonfolgen) auf dem Klavier spielen und nachsingen. 2. Schritt: Definierte Intervalle singen und am Klavier kontrollieren, wie weit ich daneben lag. 3. Schritt: Umkehrungen erkennen - was zu Zeiten, als es noch keine Handys mit Aufnahmefunktion gab, einigermaßen umständlich war. Ich hatte damals zu Trainingszwecken MusicCassetten mit Akkordfolgen aufgenommen. Wie mir ein Lehrer dabei hätte helfen können, weiß ich nicht.

Ähnlich bin ich mit der Harmonielehre verfahren, als ich mir die Frage stellte, warum manche Klänge mir Gänsehaut verursachen und andere Akkordverbindungen mich zu Tränen rühren konnten (und es auch heute noch tun). Akkorde und die rudimentären Akkordverbindungen (T-S-D-T) sind nun wahrlich kein Hexenwerk. Lustig wird es dann in Eis-Dur, die entsprechenden Akkordtöne ohne allzuviel Nachdenken zu benennen. Richtig spannend wurde Harmonielehre dann, wenn es galt, Choralmelodien zu harmonisieren und abzugleichen mit dem, was Komponisten wie Bach u.a. geschrieben haben. Und hier war ich dann in der Tat (!) auf das Wissen meines Lehrers angewiesen, der mir darlegte, wieso, weshalb, warum mein Tonsatz im Vergleich zu Bach nur suboptimal war, und der mich mit den barocken und romantischen "Gewürzen" (Alterierungen) des Harmoniegefüges vertraut machte.

Formenlehre: Ist es so schwer, (wiederkehrende) Strukturen zu erkennen? Ich gebe allerdings zu, daß meine siebenjährige Nichte mir beim Memory haushoch überlegen ist.

Mein Lehrer beklagt sich immer, daß erwachsene (!) KlavierschülerInnen häufig so wenig neugierig sind - und das, obwohl das meiste musikalische Wissen dank Internet und Wikipedia in greifbarer Nähe ist. Sie spielen Stücke, ohne sich dafür zu interessieren, wer der Komponist ist, geschweige denn, in welcher Zeit er gelebt hat. Was bedeuten eigentlich die ganzen italienischen Begriffe über und in den Noten? Und daß Musik, die zweihundert Jahre alt ist, als eingängiger empfunden wird als zeitgenössische Musik - auch darüber braucht man offensichtlich keinen Gedanken zu verschwenden.

Wie pflegt mein Lehrer immer zu sagen: Wollen ist wie Machen - nur viel bequemer!

(Um es noch einmal klarzustellen: ich stelle die Frage an erwachsene KlavierschülerInnen. Guten "Theorie"-Unterricht mit Kindern zu gestalten ist sicherlich eine andere Herausforderung. Kompliment, wem es so gelingt, wie von @chiarina und @Tastatula beschrieben!)
 
Man nenne mir auch nur eine Person (die nicht sowieso engagiert Klavier gespielt und dort ohnehin diese Sachen gelernt hat), die aus dem Schul-Musikunterricht irgendetwas Theoretisches tatsächlich verstanden, längerfristig "gespeichert" und im weiteren Leben irgendwie nutzbringend angewendet hätte.

Da hatte ich wohl Glück.
Ich habe in der Schule ein richtig gutes Fundament bekommen.

Klavier habe ich da noch nicht gelernt und auch sonst keinen formellen Instrumentalunterricht gehabt. Nur autodidaktisch E-Gitarre.
 
Unser Mathe-Prof sagte mal so schön "Wie das geschulte Auge sofort erkennen kann"
Und ich fürchte, auch in der Musik dauert es einfach, bis man die Strukturen sieht.
Ich habe wirklich ewig gebraucht, bis ich das erste Mal selbst eine Sekundärdominante gesehen habe. Schon allein, bis man Dominante und Subdominante spontan weiß (und nicht abzählen muss), wenn es gerade nicht C-Dur ist, dauert.
Das macht mir Mut! Also einfach dranbleiben!
 
Wie bin ich, damals als Jugendliche, vorgegangen, als ich erkannt hatte, daß mein musikalisches Gehör zu wünschen übrig läßt? 1. Schritt: Intervalle (und später auch längere Tonfolgen) auf dem Klavier spielen und nachsingen. 2. Schritt: Definierte Intervalle singen und am Klavier kontrollieren, wie weit ich daneben lag. 3. Schritt: Umkehrungen erkennen - was zu Zeiten, als es noch keine Handys mit Aufnahmefunktion gab, einigermaßen umständlich war. Ich hatte damals zu Trainingszwecken MusicCassetten mit Akkordfolgen aufgenommen. Wie mir ein Lehrer dabei hätte helfen können, weiß ich nicht.
Das ist eine schöne Anregung!
Choralmelodien zu harmonisieren und abzugleichen mit dem, was Komponisten wie Bach u.a. geschrieben haben.
Das ist wohl noch eine unerreichbare Liga für mich.
Mein Lehrer beklagt sich immer, daß erwachsene (!) KlavierschülerInnen häufig so wenig neugierig sind - und das, obwohl das meiste musikalische Wissen dank Internet und Wikipedia in greifbarer Nähe ist. Sie spielen Stücke, ohne sich dafür zu interessieren, wer der Komponist ist, geschweige denn, in welcher Zeit er gelebt hat.
Meine KL sagt, Sie liebt es erwachsene Schüler zu haben, weil die immer so viel und alles genau wissen wollen.
 
Man nenne mir auch nur eine Person (die nicht sowieso engagiert Klavier gespielt und dort ohnehin diese Sachen gelernt hat), die aus dem Schul-Musikunterricht irgendetwas Theoretisches tatsächlich verstanden, längerfristig "gespeichert" und im weiteren Leben irgendwie nutzbringend angewendet hätte.
Mich.
Ich habe zwar Gitarre und Schlagzeug gespielt aber da war Musiktheorie nie Thema außer "so greift man a moll" und das sind die Tonlängen. Ich hab Gitarre sogar mit Tabulatur statt Noten gespielt und das Niveau war "Jugendheim Band".
Musikunterricht hatte ich bis zur 13 mit Gehörbildung, Analyse von Stücken, Tonsatzübungen und singen. Zugegeben, die meiste Zeit bei einem absoluten Ausnahmelehrer. Der hat es aber geschafft, dass sich alle bis zur 10 (dann konnte man abwählen) vernünftig mit Musik auseinander gesetzt haben. Ich fand Musiktheorie einfach spannend, auch wenn ich damals keinen direkten Nutzen davon hatte.
Das alles bringt mir jetzt enorm viel. Klar, musste ich einiges wiederholen aber die Grundlagen waren eben da.
 
Musik in der Schule. Der Witz ist gut. Unterricht gab es von Klasse 1-4 und der bestand aus singen, klatschen und Liedtexte abschreiben.
 
Musikunterricht hatte ich bis zur 13 mit Gehörbildung, Analyse von Stücken, Tonsatzübungen und singen. Zugegeben, die meiste Zeit bei einem absoluten Ausnahmelehrer.
Musik in der Schule. Der Witz ist gut. Unterricht gab es von Klasse 1-4 und der bestand aus singen, klatschen und Liedtexte abschreiben
Dazwischen dürfte sich das wohl tatsächlich abspielen! Wobei vermutlich das zweite häufiger ist. Dabei ist das Schulmusik-Studium ausgesprochen anspruchsvoll (gewesen?).
 
Dazwischen dürfte sich das wohl tatsächlich abspielen! Wobei vermutlich das zweite häufiger ist. Dabei ist das Schulmusik-Studium ausgesprochen anspruchsvoll (gewesen?).
Ich frage mich ja, ob die Klavierlehrer da nicht am Schulsystem verzweifeln. Zumindest meiner hat in der ersten Stunde kurz abgefragt, was noch da ist und dann ganz selbstverständlich bei null begonnen. War auch gut so.
Selbst das, woran ich mich noch knapp erinnerte, war eher unsicher.
Und nach zwei Jahren Klavierunterricht wusste ich mehr von Musiktheorie, als ich in 10 Jahren Schulunterricht (auch einmal die Woche) je gelernt hatte.

Und ich denke, ich bin nicht die erste Schülerin, die kaum etwas in x Jahren Schulunterricht gelernt hat, zumindest schien mein Lehrer nicht überrascht davon, dass er besser bei null beginnt.
 

@Charly70
Das hängt mit dem Lebensweltbezug des Gelernten und schnell wieder Vergessenen zusammen. Und es betrifft ja auch andere Schulfächer. Wer ist denn außerhalb des beruflichen Kontextes noch sicher in der Beherrschung von z.B. schriftlichem Dividieren, Vierersystemen, Photosynthese, Osmose, textgebundener Erörterung, Dramenanalyse oder Redox-Reaktionen?
 
Ich hatte Musiktheorie in der Schule bis zur 10. Klasse. Hab da aber überhaupt keinen Bezug dazu herstellen können obwohl ich Klavier gespielt hab. Hab mich dann auch nie begeistern können dafür zu lernen, während meine Klassenkameraden, die kein Instrument gespielt hatten, irgendwie Freude dran hatten irgendwo Vorzeichen oder so reinzuschreiben und zig mal mehr davon verstanden haben als ich. Ich hab dann nicht selten 5er in den Arbeiten kassiert und wäre wegen Musik versetzungsgefährdet gewesen, hätte meine damalige Musiklehrerin mich nicht als Ersatzleistung bei sämtlichen Schulfeiern spielen lassen. Dafür gab’s dann Mitarbeitsnoten und die haben mich gerettet. Dann habe ich Musik abgewählt.
 
Ich hatte in der Mittelstufe einen Musikunterricht, der besser nicht hätte sein können. Der Lehrer war ein Vollblutmusiker. Wenn ich mich richtig erinnere, war er vor dem Schuldienst Dirigent an einem Opernhaus. In der Zeit habe ich gefühlt mehr gelernt als ein paar Jahre später im Musik-LK.
 
Zitat von Cheval blanc:
… Choralmelodien zu harmonisieren und abzugleichen mit dem, was Komponisten wie Bach u.a. geschrieben haben …
Das ist wohl noch eine unerreichbare Liga für mich.
Ich gebe zu, auch ich habe ganz „primitiv“ mit Kinderliedern angefangen, und zwar nach dem Prinzip: In welchem der leitereigenen Akkorde kommt der Melodieton vor? Als Grund-, Terz- oder Quintton gibt es ja pro Melodieton immer drei Möglichkeiten. Manche Akkordverbindungen klingen einfach sch…, andere interessant bis extravagant, manche erzeugen Spannungen und Erwartungshaltungen, anderes wiederum klingt banal und langweilig.

Wer wie ich eher bequem ist, merkt recht bald auch, daß die Grundstellung von Dreiklängen nicht immer die kürzeste Verbindung ist.

In der Tat war in dieser Lernphase mein Lehrer hilfreich, weil er mich ermuntert hat, das „emotionale“ Potential der Akkordverbindungen in Worte zu fassen. Irgendwann dann hat er auch die theoretisch-technischen Funktionsbegriffe eingeführt. Hexenwerk? Ich fand es eher spannend, systematisch alle Akkordverbindungen bei dem auswanderungswilligen „Kleinhänschen“ oder beim Gänse stehlenden Fuchs systematisch durchzuprobieren.
 
Ich auch nicht. Kam in Sport und Werken irgendwie nicht vor...

Meine Erfahrung damit ist, dass es vor allem Anleitung braucht, um das auch auf Stücke zu übertragen.
Meine Erfahrung ist, daß eine Klavierstunde pro Woche dafür einfach zu wenig ist. Man kann da nicht alles reinpressen, wenn der eigentliche Klavierunterricht sich nicht auf Hänschen klein beschränken soll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe Schüler, die "flying in a blue dream" von Satriani üben, aber sofort innerlich abschalten sobald ich das Wort "Lydisch" sage. Leider haben viele Schüler gegen Theorie eine innere Abwehrhaltung, die das vernünftige Unterrichten sehr erschwert. Diese Ängste abzubauen und in ein "wissen wollen" umzuwandeln ist meiner Meinung nach die eigentliche Aufgabe des Lehrers.

Nachtrag: eGitarre, Musikrichtung Pop/Rock/Blues
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Ängste abzubauen und in ein "wissen wollen" umzuwandeln ist meiner Meinung nach die eigentliche Aufgabe des Lehrers.
Darüber kann man sehr streiten. Es ist auch eine absolut valide Haltung eines Lehrers, wenn er sagt, dass ein solides "wissen wollen" seitens des Schülers vorausgesetzt wird und er als Lehrer nicht dazu da ist, den Schüler zum Jagen zu tragen.
 
Das kommt darauf an. In der Schule im Pflichtfach sollte der Lehrer schon versuchen, das Interesse der Schüler zu wecken. Im Klavierunterricht, zu dem sich die Schüler aktiv und aus (mehr oder weniger...) eigener Entscheidung anmelden - jedenfalls in einem optionalen Setting, liegt diese Last weniger beim Lehrer.
 

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