Da du es wohl gelesen hast, solltest du es eigentlich besser wissen!
das begreif´ ich jetzt nicht, aber egal - das dünne Reclam-Heftchen (Puschkin "Mozart und Salieri") empfehle ich Dir trotzdem weiterhin.
ich nehme an, Dein Unmut (?) bezieht sich auf das Thema hier. Angenommen, die Extremposition "das ist angeboren, kann man nicht lernen" wäre tatsächlich 100 % wahr, dann müsste man verzweifeln - aber das muss man nicht, denn sie ist nicht 100%ig wahr! Niemand wird dem Chopinpreisträger Pogorelich unterstellen, ohne Talent zu sein, nur weil er aus seiner Studiumszeit berichtet, dass er für das b-Moll Konzert von Tschaikowski (als er es erstmals lernte!) "wie ein Galeerensklave schuften musste". Denn auch das ist eine Extremposition.
----kleiner Exkurs: die Extremposition (rhetor. Hypertrophie = Übertreibung) "das ist angeboren" bedient Vorstellungen a la Geniekult und dient dazu, sich nicht in die Karten schauen zu lassen // die Extremposition "(sogar ich!...) musste wie ein Galeerensklave schuften" bedient den Hochleistungskult im Sinne von "da mache ich gerade etwas ganz ganz arg fuchtbar schwieriges/virtuoses"; beide Positionen sind im Lauf von über 400 Jahren Klavierspiel immer wieder vertreten worden---
wenn man etwas kann, muss man nicht wissen und gar kontrollieren, wie man es macht (wir denken ja auch nicht übers Gehen nach) - wenn man das aber weitergeben will (also unterrichten), muss man anfangen, genau darüber nachzudenken. gutes Klavierspiel ist immer die Folge von einem Lernprozess (mal ganz allgemein gesprochen) - wie man diesen erlebt und auffasst, ist unterschiedlich.
als Kind musste ich nicht lernen oder gezeigt bekommen, dass und wie man Melodien lauter als Begleitungen spielt (also differenzieren) - ich hatte das gemacht, einfach weil ich wollte, dass es schön klingt. als später die Stücke schwieriger wurden, musste ich nicht lernen, wie man schnelle Oktaven und Akkorde und glitzerige Passagen spielt - aber ich merkte, dass das ermüden kann und dass man dem entgeht, wenn man Ausdauer ganz einfach durch viel Praxis (viel spielen!) erwirbt. ABER ich bin davon überzeugt, dass das, was mir selbstverständlich vorkam, mir durchaus auch beigebracht wurde - ich merkte es nur nicht. Ein Beispiel: wenn mich etwas anstrengte und nicht schnell laufen wollte, wurde ich gefragt, warum ich mich so anstrenge (worauf ich keine sinnvolle Antwort wusste) und mir wurde gezeigt, dass das doch ganz locker geht - da fiel der Groschen: Anstrengung rausnehmen. Ich bin davon überzeugt, dass ich erstklassigen Unterricht hatte (eine russische Pianistin am Anfang als Pivatlehrerin, danach ein paar nicht unbekannte (überwiegend slawische) Pianisten/Professoren im Studium). Da wurden die Stücke natürlich noch größer und schwieriger, und immer mehr - und es zeigte sich, dass die sehr viel Konzentration & Verständnis brauchten, aber auch Training. So war das bei mir.
angeboren? teilweise hört es sich so an (ich habe wirklich erst viel später, als ich auch zu unterrichten anfing, darüber nachgedacht, wie ich z.B. Akkorde, Klangdifferenzieren etc. überhaupt mache) und ich kann nur folgendes dazu sagen: das ist keine "harte Arbeit", sondern eine schöne, eine wunderbare und oft merkt man gar nicht (jedenfalls ich nicht), dass das "Arbeit" ist. Bei einem aktiven Repertoire von fast hundert Stücken kann ich nicht jedes an jedem Tag spielen, geschweige denn üben - aber ich spiele täglich sehr viel, und spiele (oder an wüsten Stellen: trainiere & übe) ich eines, hält das zugleich die anderen "warm". Manche sind besonders schlimm, wenn die gespielt werden müssen, müssen sie sehr viel gespielt/geprobt/geübt/trainiert werden (alles zusammen), z.B. Gaspard, Tannh., Petruschka, h-Moll Sonate (ABER auch das nur partiell, nämlich an den schlimmsten Stellen).
durch das Unterrichten wird mir immer wieder bewusst, dass es nicht leicht ist, alles zu erklären, was beim Klavierspiel passiert - da kann man nur einzelne Aspekte, die beim Schüler/Student problematisch sind, herausnehmen und Lösungen anbieten.
ich hoffe, Dein Unmut legt sich ein wenig!
liebe Grüße, Rolf