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Razo
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Moin!
Das Frustrierende an den meisten mir bekannten technischen Übungsstücken:
daß es sich da in den seltensten Fällen um ernstzunehmende Musik handelt.
Im Gegenteil - musikalisch beleidigt solche Musik die Intelligenz des Spielenden, von seinem Schönheitsempfinden ganz zu schweigen.
Also ich denke, in diesem Fall gibt es auch nicht nur "schwarz" und "weiß" im Hinblick auf die Sachverhaltsbewertung.
Ich habe zum Beispiel gelesen, dass Fanny Hensel, die Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy, mit dessen "Liedern ohne Worte" (komplizierte Begleitfigurationen durch "Umspielen der rechten Hand mit der linken Hand" und daher der Errreichung vollkommener Handunabhängigkeit und manches andere schöne technische "Schmeckerchen") das Klavierspiel erlernte. Und die klingen doch nun wirklich super - sie sind eben keine Qual für´s Ohr. Die LoW erreichen wirklich ein Niveau "in der Nähe virtuoser Konzertetüden" (so heißt es z. B. auch in wikipedia).
Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass ich die LoW absolut liebe. Ich orientiere mich hier am Klang der Stücke (danach entscheide ich, welche Stücke ich zum Spielen auswähle) und übe dann die darin vorkommenden Schwierigkeiten entsprechend, bis ich das nachspielen kann. Man hat das dann pro LoW in der Regel nach zwei bis drei Wochen drauf (so zumindest meine Erkenntnis), wenn man etwa eine Stunde täglich daran übt. Da kommen absolut unterschiedliche Sachen vor (z. B. Mehrstimmigkeit in der 38/1, einige Doppelgriffe in der 67/1, Mehrfachakkorde bei der 62/4, interessante Laufkombinationen in der 85/1 und Vieles mehr). Aber es ist eben total abwechslungsreich und niemals langweilig. Gerade bin ich an der 38/1 (fast abgeschlossen), dann will ich mir 57/1 und anschließend 102/1 erarbeiten. Und abschließend steht noch ein nachgelassenes LoW oO (Nr. 2 in A-Dur) an. Das klingt auch sehr schön.
Und außerdem wird man durch die kompositorische Form der LoW quasi dazu gezwungen, das nicht nur einfach "runterzurattern", sondern bewusst zu spielen. Man lernt nämlich daran die gesangliche Vortragsform (also Atempausen zwischen den einzelnen Phrasierungen).
Das bedeutet natürlich, dass man sich, wenn man ein neues Stück lernt, nicht einfach hinsetzt und losklimpert, sondern sich vorher am Schreibtisch mal die Notengestalten anschaut (wo beginnen und enden Phrasen, welche Modulationen gibt es, usw.)
Das ist sehr interessant und zweifellos wird aus den LoW der Etüdencharakter und damit das "Übemoment" erkennbar, weil die Motive hinsichtlich ihrer Gestaltung "wirklich bis zum Letzten durchgearbeitet" werden. Da ist es eben immer wieder spannend, da Neues zu entdecken. Und vom Klang her wird man jedenfalls absolut belohnt. Also ich sag´s ganz ehrlich (auch laut der Darstellung in wikipedia) - solche Stücke mit Etüdencharakter lasse ich mir sehr gerne gefallen ...
Gruß
Razo!
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