Methodik und Didaktik des Klavierunterrichts

Akkordsymbole sind jedoch heutzutage wesentlich häufiger anzutreffen als bezifferte Bässe.
Aber nur im Jazz und in der Popularmusik. Der große Nachteil der Akkordsymbole ist, dass aus ihnen keine harmonischen Zusammenhänge klar werden - im Gegenteil: die enharmonische Beliebigkeit der Symbole verschleiert sogar diese Zusammenhänge.

Wenn jemand verstehen will, was die Musik im Inneren zusammenhält, ist Generalbass meiner Meinung nach unverzichtbar.
 
Deshalb ist doch das Spielen nach Akkordsymbolen insgesamt wichtiger als Generalbassspiel. Es sei denn, man hat eben die genannten Spezialinteressen.
... und möchte sich z. B. mit Mozart oder Schubert oder Bach etwas näher beschäftigen...

Bei Bartók, Debussy oder Cage ist es dann wieder eher egal, da kommt man mit dem Spielen nach Akkordsymbolen ungefähr gleich weit.
 
Wobei die Beschäftigung mit Generalbass leichter wird, wenn man zuvor bereits über Akkordsymbole die Struktur von Drei- und Vierklängen verstanden hat.

Ein Beispiel:
Wenn man z.B. „C“ liest, ergänzt man Durterz und Quinte und erhält so den C-Dur-Dreiklang.

Wenn man C/E liest, weiß man, dass es ein C-Dur-Dreiklang über e im Bass ist.

Im Generalbass liest man aber ein e mit einer hinzugefügten 6 und muss bereits wissen, dass es die Terz ist (Sextakkord) und dann zum Grundton zurückrechnen, um auf jenes C/E zu kommen.
 
Ok, wie würdest du dann bei „C mit 6“ denken, um auf einen Durdreiklang mit e im Bass zu kommen?

Ich denke da gar nichts. Ich überlege ja auch nicht, was ich greifen muss, wenn ich einen ausnotierten Akkord sehe.

Ein früherer KL von mir sagte, Generalbass sei Spielen wie mit einem Zentimetermaß. Ich finde, das trifft es recht gut.

Sowas sagt nur jemand, der keinerlei Praxis im Generalbassspiel hat.
 
Ich denke da gar nichts. Ich überlege ja auch nicht, was ich greifen muss, wenn ich einen ausnotierten Akkord sehe.
Wie vermittelst du das? Alle Griffe, die möglich sind, auswendig zu lernen, ist aufwendiger als ein Grundprinzip zu verinnerlichen und das dann anzuwenden.

Alternative: geniale Fähigkeiten, die ich bei dir vermute (keine Ironie!).

P.S.: Der KL, der den Satz gesagt hatte, spielte damals übrigens Basso Continuo in einem Ensemble, z.B. Corelli-Triosonaten.
 

Ich vermittle das nicht, weil ich gar nicht unterrichte. Man lernt aber nicht einfach einzelne Akkorde, sondern - und das macht den großen Vorteil des Generalbassspiels aus - exemplarische Akkordfolgen, die in so ziemlich jeder Musik zwischen 1600 und 1850 eine feste Bedeutung haben.

Wenn man Generalbass praktisch übt, dann bekommt man sehr schnell einen intuitiven Blick für alle Arten von Progressionen und Kadenzformeln - so unüberschaubar ist das Gebiet ja nicht, wenn man erst mal eingestiegen ist. Klar, ein paar elementare Dinge wie die Oktavregel, Sopran- und Tenorklausel sollte man theoretisch verstanden und praktisch in den Fingern haben. Aber das ist wahrlich keine Raketenwissenschaft!
 
Erich Wolf

Der Klavierunterricht,
Wiesbaden 1963

Sehr anregungsreich und praxisnah.
(Man kennt vom Autor ja die hervorragenden Musiktheoriebände Die Musikausbildung)
 
Ich empfehle sehr "Zur Psychologie der Klaviertechnik" von Willy Bardas (klein, blau, schnell gelesen, aber etwas umständlich geschrieben - inhaltlich absolut erhellend!!!!)

Eben per Post erhalten: "Klavierspielen - Frühinstrumentalunterricht" von Peter Heilbut (noch nicht gelesen, wurde mir wärmstens empfohlen)

Anselm Ernst "Lernen und Lehren im Instrumentalunterricht" - das ist ein theoretisches Buch, das aber sehr gute Strukturen im Hirn erschafft, die helfen, zu wissen, was man da tut und warum, bzw. warum es funktioniert oder auch nicht. Standardwerk an Musikhochschulen. Empfehlenswert eher für Lehrende als Lernende.
Ich habe gerade das Buch von Heilbut erhalten und mich schon darin vertieft. Es ist wirklich zu empfehlen!
 

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