Lieber Anton,
schade, dass du nicht da sein konntest, es hätte dich fasziniert!
Ich kannte zwar das Stück und auch schon youtube Aufnahmen mit Barbara Hannigan, aber es live zu sehen, ist echt unglaublich... Wenn du das Stück so magst, dann MUSST du es sehen - ein Video oder erst recht die CD sind kein Vergleich dazu!
Sie hat das Stück von Anfang an mit vollster Hingabe gelebt. Es fing schon damit an, dass sie Richtung Bühne kam, indem sie die Tür zum Backstage laut zuschlug, anstatt einfach ganz normal auf die Bühne zu kommen. Dann lehnte sie sich mit ihrem üblichen schwarzen Leder- und Lackaufzug ans Geländer und schaute erstmal entsetzt ins Publikum und als sie dann die Treppe runter gelaufen und auf der Bühne angekommen war, begann sie noch im Stolpern mit ihrem "Psssst".
Die Aufführung selbst kann man nicht beschreiben, das muss man gesehen haben...
Ich habe mich köstlichst amüsiert und an der Stelle, an der sie den Dirigenten vom Pult schubst und die Parodie auf die Ernsthaftigkeit selbst dirigiert, habe ich mich fast weggeschmissen :D
Als das Stück beendet war, wurde Hannigan 3 mal (oder sogar 4 mal? Ich weiß es nicht mehr) zum Applaus gerufen, es gabe jede Menge Bravorufe, das Publikum war deutlich euphorischer als nach Beethoven und nach Bartók.
Es gab aber auch Leute, die das anders gesehen haben - so z.B. die Dame neben mir, die mir von Anfang an eher recht steif vorkam - da dachte ich mir schon: "Hm, die wird heute abend noch ihr blaues Wunder erleben" ;) So war es dann auch - sie konnte recht offensichtlich nicht nachvollziehen, wieso ich mich so köstlich amüsiere. An der eben angesprochenen Parodiestelle hat sie mich z.B. nur mit jener Ernsthaftigkeit, die gerade parodiert wurde, schief angeschaut und nicht gewusst, warum ich so lache - herrlich :D. Hinterher hat sie nicht einmal geklatscht.
Eine Freundin von mir, die Gesang studiert, war mit mir dort - sie kannte weder das Stück noch Barbara Hannigan - ich hatte ihr heute mittag nur Folgendes gesagt: "Kommst du heute abend mit in die Philharmonie? Es gibt Ligeti - aber eines seiner abgefahrensten Stücke. Vertrau mir, es wird genial." und sie hat es nicht bereut. Sie war begeistert vom Stück und von der Sängerin und sagte, sie hätte heute abend ihr Klangideal gefunden.
In der 2.Hälfte gab es dann Bartók, der war auch gut gespielt (im Gegensatz zu gestern, wie ich von Leuten erfahren habe, die gestern dort waren), aber ich war immer noch high von den Mysteries... Als ich nach Hause kam, bin ich Musikerkollegen über den Weg gelaufen, die gefragt haben, wo ich denn her käme und was ich denn genommen hätte... Als ich daraufhin nur "Ligeti" geantwortet habe, haben sie sich angeschaut und sich wahrscheinlich gefragt, ob mit mir eigentlich alles in Ordnung sei... :D
mysteriöse Grüße,
Partita