Lerngeschwindigkeit bei Späteinsteigern - Erfahrungen und Strategien

Dann die Übezeit: Angeblich braucht man ja ca. 10000h, um eine Sache (hier: Klavierspiel) bis zu einem professionellen Level zu erlernen. Kleines Rechenbeispiel: Erwachsener, tägliche Übungszeit 60min, bringt 365h im Jahr, heißt dann etwa 30 Jahre. Vergelich: Schüler, der täglich halt 2h übt: Der hat nach ca. 15 Jahren seine 10000 Stunden "runtergespielt", d.h. mit Anfang 20 kann er dann zur Musik-Hochschule (wenn er denn will, sind ja im Gesamtvergleich doch eher wenige).

Fazit: Spaß nicht verderben lassen - es geht schnell genug !

Gruß
Rubato

Eben! Viele scheinen auch zu vergessen, dass Erwachsene generell ein ganz anderes Leben führen. Es ist nämlich sehr schön nach Hause zu kommen (eventuell 1 Std. zu SCHLAFEN - ist absolut unglaublich was das wirkt) und dann mit frischem Kopf aufzustehen, schön von den Eltern was zum Essen zu bekommen und sich ohne um irgendwelche beknackten Verpflichtungen kümmern zu müssen, sich an das Instrument zu setzen und der Musikalität freien Lauf zu lassen.
Ich glaube, ihr könnt euch nicht so richtig vorstellen, wie SEHR der Job, soziale Kontakte, Kochen, Haushalt etc. einen blockieren und nicht bei der Sache bleiben lassen! Je mehr ich mich in die Musikwelt vertiefe, desto mehr vermisse ich diese herrliche Zeit, als ich Kind war.

Herzliche Grüße
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich glaube, ihr könnt euch nicht so richtig vorstellen, wie SEHR der Job, soziale Kontakte, Kochen, Haushalt etc. einen blockieren und nicht bei der Sache bleiben lassen! Je mehr ich mich in die Musikwelt vertiefe, desto mehr vermisse ich diese herrliche Zeit, als ich Kind war.
wem sagst Du das? Langeweile - HERRLICH!
 
Hallo zusammen,

was die Motorik betrifft, glaube ich nicht, dass es einen Unterschied macht, ob man früh oder spät anfängt. Es ist ja die Frage, ob jene Erwachsene, die nach 5 Jahren am Klavier die Finger und Hände nicht unabhängig voneinander bewegen können, ob sie das als Kinder hätten besser bewerkstelligen können. Wir werden es nie erfahren. Und ganz nebenbei, ich habe auch schon Kinder spielen hören, die einen Fluchtreflex in mir auslösten und es nur der pädagogische Anstand verbot zu denken, zu sagen: der/die lernt das NIE :D ;)
Gravierender als das Bewegungslernen dürfte sich das musikalische Umfeld bemerkbar machen. Wenn Kinder in einem musiziereden Elternhaus aufwachsen und dann in die Musik quasi aktiv ganz natürlich eingebunden werden, dann sind das andere Voraussetzungen, als bei Späteinsteigern, umgeben von Bürohengsten und -stuten, bei denen ein Konzertbesuch der besondere Anlass zum Ausführen der Klamotte ist.

Die übrigen Hemmnisse und Blockaden im Erwachsenenalter hat Musicus schon sehr treffend beschrieben: Also, immer schön locker bleiben, auf Entdeckungsreise gehen - und üben. So seh` ich das.

LG, Sesam
 
Hi,

tolles Thema, tolle Beiträge (besonders Musicus und Hasenbein, volle Zustimmung).
(Auch von fisherman mit Box und Beutel und so ;-) )

Danke und Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Klar, dass man kaum objektive Aussagen treffen kann über die tatsächliche Lerngeschwindigkeit oder Lernzeitvoraussetzung bis zur Beherrschung eines
Stücks.

Und es leuchtet auch ein, dass Kinder anders lernen als Erwachsene. Ist doch ihr Gehirn noch im Aufbau (was die Synapsenbildung angeht) und eben rein biologisch dazu geschaffen, offen für Neues zu sein. Deshalb lernen Kinder ja auch intuitiv und ohne weitgehende Selbstreflexion.

Langsam zweifle ich jedoch daran, die Klavier-Aufnahmeprüfung für den C-Schein im Frühjahr 2012 schaffen zu können. Mir wurde zwar genau dieser Termin nahegelegt, aber von Leuten, die schon seit ihrer Kindheit Klavier spielen.

Ist mir auch inzwischen nicht mehr so wichtig, denn jetzt bedeutet mir das Klavierspielen mehr als die C-Ausbildung. Und wenn ich die eben erst zwei Jahre später (was mir realistischer scheint) angehe, dann ist das ja auch ein Ziel. Schließlich gibt es da keine Altersbegrenzung :D.

Viele Grüße
philomela
 
Schon interessant das Thema, aber irgendwie fühl ich mich nicht angesprochen. Entweder besteht das Problem mit 40 noch nicht, oder ich mach wieder alles falsch.

Als ich anfing dachte ich, nach etwa drei Jahren könnte dann so langsam Anfangen Musik zu machen. Jetzt bin ich, nach weniger als der Hälfte der Zeit, weiter. Solange ich nicht den Fehler mache auf andere zu sehen, und man sieht immer nur die, die schneller lernen, bin ich zufrieden mit mir und glücklich mit meinen Fortschritten.
 
als ich gestern den Faden hier einstellte, hatte ich eigentlich nur eine schwache Hoffnung, dass ich aus den Beiträgen für mich eine Strategie zur Verbesserung meiner Lerngeschwindigkeit ableiten könnte.
Und wenn es ein Jammerfaden nach dem Motto "Alte lernen langsamer" geworden wäre, so wäre es eben ein Trost gewesen.:p

Manchmal schreibe ich unbewusst Dinge, die mir selbst vordergründig gar nicht klar sind.
"Mein größtes Lernproblem ist die Motorik" schreib ich im Eingang.

Mein Lehrer fragt mich ständig: "bist du entspannt?"
Ich entspanne mich dann einen Moment lang und denke dabei: " Mann, bei mir brennt gerade die Hütte und du fragst, ob ich entspannt bin...:D"

Hasenbein hat mir nochmals den Anstoß gegeben mich genau zu beobachten.
Was mache ich, wenn es schwierig wird? Ich spanne mich (un?)bewusst an.
Und bei jeder Wiederholung wird es schlimmer.
Und ich merke es und mache es sogar absichtlich vor Wut.

Die letzten paar Stunden fahre ich folgende Strategie: Bei der geringsten Anspannung sofort Abbrechen und locker nochmal beginnen.

Es funktioniert an einigen bisher unspielbaren Stellen, und das schlimmste ist: Ich kann nicht sagen, ich hätte es nicht gewusst oder nie gesagt bekommen .

danke, für den ultimativen Kick, hasenbein


Lieber Gruß, NewOldie
 
Entspannung ist ein anderes sehr interessantes Thema. Das ich für mich jetzt in Angriff genommen habe. Mit Hilfe einer Physiotherapie baue ich zu schwache Muskeln auf damit andere sich überhaupt entspannen können. Gerade bin ich in einer Phase wo sich die entspannteren Schultermuskeln total falsch anfühlen, dabei sind die eigentlich immer noch verspannt.

Aufgrund meiner derzeitigen Erfahrung kann ich eigentlich nur empfehlen einen Experten zur Hilfe zu holen, wenn Entspannung ein Problem ist. Vor allem, wenn es sich wirklich positiv auf unsere Leidenschaft auswirkt.
 
Hi NewOldie,

klar, (isometrische) Ver- oder Anspannung verhindert die reibungslose Ausführung komplexer Bewegung. Der Titel lautet aber Lerngeschwindigkeit ... .

Das hätte ich dir auch sagen können. ;-)

Wenns um das Spielen schneller Stellen geht, hab' ich hier ein Rezept.

Die Stelle 2 - 3 mal im halben oder langsameren Tempo spielen und dabei darauf achten, dass die Bewegungen möglichst frei und locker ablaufen, eben ohne isometrische Anspannungen (durch das langsam Spielen geht das hierbei gut). Dabei versuchen dieses lockere, freie Spielgefühl sich bewusst zu machen und zu merken. Die Bewegungen sollten auch möglichst den gewünschten schnellen Bewegungen schon ähnlich sein, also möglichst geringe Bewegungshübe.

Dann sofort anschliessend versuchen die Spielbewegung ein- oder zweimal im doppelten schnellen Spieltempo auszuführen. Wahrscheinlich wird das ganze lauter und verspannter. Deswegen dann wieder zurück ins halbe Tempo und von vorne beginnen.

Nach mehreren Durchgängen erreicht man, dass das schnelle Ausführen dem langsamen lockeren Ausführen vom Gefühl her immer ähnlicher wird und immer leichter fällt. Gleichzeitig programmiert man dabei durch das langsam Spielen sozusagen die Motorik. Aber durch die dazwischengeschobenen schnellen Übe-Durchgänge spielt man nicht nur langsam (wer langsam übt, übt ...).

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Jedes Mal fragt mich meine Klrin: "Na, wie gehts?" Herrgottchen, was für ein Frage: "Schrecklich", kann ich darauf nur antworten. "Die Finger, die Finger, wissen Sie, die wollen einfach nicht ..."

Gerstern bekam ich einen Tip, den Notentext nur mit einem Finger zu spielen: zuerst die Melodie und dann die Baßseite. Ich grübelte und grübelte (typisch Erwachsene), was will sie mir damit sagen. "Machen Sie das einfach. Sie werden sehen, daß Sie den Text lesen lernen und mal schnell einen anderen Fingersatz nehmen können, falls Ihnen der eine abhanden kommt." Ich grübelte nicht mehr und mache nun einfach: Invention mit einem Finger rauf und runter, rechts und links, auf den Text schauen und Finger .... Ein Wunder ist geschehen.

Das man die Lockerheit braucht, ist klar für den Kopf, aber das Wissen kommt bei den Fingerspitzen noch nicht ganz und gar an. Sehr hilfreich sind mir aber die Feuchtwanger-Übungen, die ich nur empfehlen kann. Dann denke ich auch oft an Clara Haskil: Immer den Fingersatz nehmen, der am bequemsten, am nächsten für einen Selbst ist. Der entspannt sehr gut, wenn auch die Klrin den Weg mitgeht. Noch ist er/sie ja der Guru.
 
Hi NewOldie,

klar, (isometrische) Ver- oder Anspannung verhindert die reibungslose Ausführung komplexer Bewegung. Der Titel lautet aber Lerngeschwindigkeit ...

Hallo Bachopin,

danke für Rezept. das werde ich morgen mal an ein paar schwierigen Stellen ausprobieren.:p

Zur Lerngeschwindigkeit.
Ich habe das Gefühl, dass meine Motorik meinen Lernfortschritt behindert.
Und wenn Entspannung ein Schlüssel für die Verbesserung der Motorik ist, dann hoffe ich, dass es die Lerngeschwindigkeit erhöht.

Mein anderes Problem ist meine schlechte Konzentration.
Ich über gerade die Intro von "Riders on the Storm" von den Doors.
Den Terzlauf in E-Dorisch über Bass Ostinato Em/A. Kennst du sicher.

Motorisch nicht allzu komplex, eher eine Frage der Konzentration. Da sitze ich nun seit 2 Wochen dran, bekomme das kaum mal fehlerarm hin.
Aber auch hier habe ich das Gefühl, dass mich eine "entspannte Konzentration" weiterbringt.
Also Konzentration und Entspannung sind gar kein Widerspruch.;)

Es gibt viel zu entdecken. Ich freu mich drauf.


Gerstern bekam ich einen Tip, den Notentext nur mit einem Finger zu spielen:

Hallo Kulimanauke,

ich kann mir gut vorstellen, dass man damit seinen Standpunkt verändert und damit das schwierige Stück im anderen Licht sieht.
Ein Problem aus der anderen Perspektive betrachten hilft eigentlich immer.

Ich experimentiere ja gerne... wird auch probiert:p

Lieber Gruß, NewOldie
 
Boah, ganz schön viel Resonanz auf NewOldies Thema!

Ich habe auch nochmal nachgegraben und ein kurzweiliges Video von Prof. Manfred Spitzer wieder aufgespürt:
http://www.br-online.de/br-alpha/ge...d-spitzer-gehirnforschung-ID1224509049050.xml

Nennt sich freundlich "Weise im Alter", aber was die Lerngeschwindigkeit betrifft (z.B. Tastgefühle neu interpretieren nach Nervenschädigung) wird NewOldies Faktor 3 leider bestätigt :cry: . Dafür wird aber auch noch eine interessante (jedoch für uns wenig tröstliche) Begründung geliefert, welchen Sinn diese Langsamkeit im Lernen hat.

Brauchen wir uns also nicht zu grämen, wenn wir uns im Tretroller vorankämpfen und die Kiddies im Ferrari vorbeihuschen: es dauert halt so lange, wie es dauert.

Ich für meinen Teil sehe mich in dem Fazit früherer Frustphasen bestätigt, möglichst nicht verbissen auf ein Ziel zuzusteuern, sondern den Weg als Ziel zu verstehen und mich an aktuellen Lernfortschritten - und an dem, was sie mir musikproduktionstechnisch ermöglichen - zu erfreuen.

Ab und zu gelingt mir das, aber wenn's trotzdem schneller ginge wär ich auch nicht böse :D

Liegrü
Stuemperle
 
Hallo an alle Späteinsteiger,

Habe mir jetzt den Faden noch einmal vorgenommen. Hier eine Aufstellung der Problemfelder, die identifiziert wurden und die dem Späteinsteiger das leben so schwer machen.

Motorik
Konzentrationsfähigkeit
Merkfähigkeit
fehlende Geduld
Verspannung

Angesichts dieser Aufstellung, möchte ich jeden noch einmal ans Herz legen, auch ausserhalb des Klavierspiels nach Lösungsstrategien zu suchen. Eine Lösung könnte das Betreiben eines Ausdauersports sein.

Mit Ausdauersport verbessert man die Motorik, die Konzentrationsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen, die allgemeine Reaktionsschnelligkeit und nicht zuletzt wirkt man damit auch Verspannungen entgegen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass durch regelmäßigen Ausdauersport der Alterungsprozess verlangsamt wird und mehr noch, Leute um die 60, die Ausdauersport betreiben schneiden im Vergleich zu 30jährigen, die das nicht tun, in Tests zu den obengenannten Bereichen besser ab!

Hier noch einmal der Link zu einen Faden, den ich kürzlich gestartet habe. Der darin enthaltene Untersuchung zeigt auf, dass durch Ausdauertraining die Fähigkeiten am Klavier erheblich verbessert werden können.

Ausdauertraining und Klavierspielen

Nun kann es natürlich sein, dass ihr ohnehin schon Ausdauersport betreibt, aber für alle die es nicht tun, halte ich das für die vielversprechendste und nachhaltigste Methode, an der derzeitigen Situation etwas zu ändern.

Und hier noch ein moderater Trainingsplan fürs Laufen, um zu zeigen, dass das gar nicht so einen enorm grossen Aufwand bedeutet:

Laufen - Von 0 auf 5km

LG, PP
 
Hi,

@PianoPuppy: Das sind tolle Hinweise. Das ganze Umfeld und die allgemeine Fitness muss natürlich auch mit einbezogen werden.

Von mir nocheinmal zurück zum Üben:

Es muss einem klar sein, dass so wie man übt, dann auch spielt.

Wenn man verkrampft und mit Stress übt, dann wird man verkrampft und mit Stress die Stücke spielen. Wenn man mechanisch gedankenlos übt, dann wird man genauso auch spielen.

Deswegen muss man genau mit den Qualitäten, die man in seinem Spiel haben will, auch üben. Eine kleine Liste der wichtigen Qualitäten, auf die man achten sollte:

  1. Leichtigkeit, Lockerheit
  2. Ausdrucksstärke
  3. Exaktheit, Genauigkeit
  4. Musikalische Lebendigkeit
  5. Konzentration


Mein anderes Problem ist meine schlechte Konzentration.
Ich über gerade die Intro von "Riders on the Storm" von den Doors.
Den Terzlauf in E-Dorisch über Bass Ostinato Em/A. Kennst du sicher.

Klar, den Terzlauf kenne ich. Ewig her, dass ich den gespielt habe. Ich glaube, dieser Lauf ist ein super Beispiel für mein "Rezept". Wobei ich ihn eventuell noch in Unterabschnitte einteilen würde. Und am Anfang erstmal nur die RH üben und ein Ausführungsplus in der RH erarbeiten, also schneller wie benötigt spielen.
Dann die Koordination mit der LH angehen. Hier genauso nach meinem Rezept vorgehen, aber vielleicht nur sehr kleine Abschnitte angehen. ZB nur das Em-Ostinato mit der RH koordinieren und dann das A-Ostinato und dann beide hintereinander.


Gruß
 
Zur Lerngeschwindigkeit.
Ich habe das Gefühl, dass meine Motorik meinen Lernfortschritt behindert.
Und wenn Entspannung ein Schlüssel für die Verbesserung der Motorik ist, dann hoffe ich, dass es die Lerngeschwindigkeit erhöht.

Mein anderes Problem ist meine schlechte Konzentration.
Ich über gerade die Intro von "Riders on the Storm" von den Doors.
Den Terzlauf in E-Dorisch über Bass Ostinato Em/A. Kennst du sicher.

Motorisch nicht allzu komplex, eher eine Frage der Konzentration. Da sitze ich nun seit 2 Wochen dran, bekomme das kaum mal fehlerarm hin.


Lieber New Oldie,

ich bewundere dich wirklich sehr, wie du dich so intensiv, mit viel Ausdauer, Willen und jeder Menge Kreativität dem Klavierspielen widmest!!! Ich bin von deiner Art, wie du an alles herangehst, wirklich begeistert!!!

Was aber hier die Frage ist, zumindest für mich, ist schon das Thema des Titels. Bei Erwachsenen beobachte ich sehr häufig den unbedingten Ehrgeiz, etwas schnell zu können. "Oh, jetzt sitz ich hier schon so lange dran - das muss doch jetzt endlich mal klappen! Ich stell mich doch sonst auch nicht so blöd an und ich will doch vorwärtskommen." - so ungefähr nach dem Motto.

Die "Lerngeschwindigkeit" wird also ( oft im Gegensatz zu Kindern) unglaublich beachtet und außerdem sehr einseitig wahrgenommen.

Ich habe gestern, als ich übte, zu meinem Mann gesagt "ich wünschte, dass viele so üben wie ich". Mir geht es darum, dass mein Spiel so schön wie möglich klingt, dass ich mich dabei wohl fühle und entspannt bin, denn nur so kann ich mir wirklich zuhören. Dabei habe ich eine Engelsgeduld mit mir ( außer wenn ich für ein Konzert übe oder etwas schnell lernen muss), d.h. obwohl ich etwas schon im Tempo oder womöglich konzertreif kann, übe ich es immer wieder in Stimmen, einzeln, beleuchte es immer wieder in verschiedenen Übeschritten von allen Seiten und achte darauf, dass ich möglichst keine Fehler mache und dabei ganz gelöst bin ( Augen zu kann nicht schaden).

Leider ist diese Einstellung bei Erwachsenen nicht sehr verbreitet. Liegt dies an der Leistungsgesellschaft?

Wozu die Eile???

Muss man sich mit einer schnelleren Lerngeschwindigkeit etwas beweisen?

Ist es nicht viel besser, die Lerngeschwindigkeit eher in der Qualität als in der Quantität zu sehen???

Spricht man dann aber besser nicht von Lerngeschwindigkeit ( du merkst schon, dass ich dieses Wort nicht mag :p ), sondern von Einsicht, Tiefe, (sinnlicher) Erfahrung sprechen. Und geht das schnell???

Hoffentlich nimmst du mir diese Worte nicht übel :kuss: , sie sind alles andere als böse oder superkritisch gemeint, ich hinterfrage damit aber eine verbreitete Einstellung besonders bei Erwachsenen.

Denn wenn du den Lernfortschritt so sehr willst, verwendest du m.M.n. zuviel Energie auf dieses äußere Ziel und wertest dein Klavierspiel und das, was dabei rauskommt permanent. Wenn man sich aber ständig so kritisch beurteilt, ist das nicht hilfreich. Lieber mit Gelassenheit, Geduld, Liebe und einer unbedingten Wertschätzung für die eigene, schon geleistete Arbeit an die Sache herangehen! Dann kannst du dich nämlich auch entspannen, während der unbedingte Wille zum Weiterkommen, auch der unbedingte Wille zur Entspannung der Entspannung selbst konträr gegenübersteht und genau das verhindert!

Wenn du also nur entspannen willst, um den Lernfortschritt zu erhöhen, wird das nicht klappen! :D Entspanne lieber, weil es dann viel schöner klingt und du dich dann wohlfühlst!

Ich glaube auch nicht, dass du dich schlecht konzentrieren kannst, was jetzt diesen Terzlauf angeht, den ich aber nicht kenne. Ich glaube vielmehr, dass du den jetzt schon so lange geübt hast, dass du denkst, jetzt muss es doch endlich klappen. Und aufgrund dieses unbedingten Willens des Lernforschritts bei dieser Stelle nicht mehr so übst, wie du solltest.

Wenn man schnell vorankommen will, wirkt sich das leider auch immer auf das Übeverhalten aus! Es wird zu schnell, nicht mehr stimmenweise oder einzeln geübt etc. etc..

In diesem Fall sagst du, du übst das nun schon zwei Wochen und bekommst das kaum fehlerarm hin. Das bedeutet leider, dass du also seit zwei Wochen wunderbar übst, Fehler zu spielen ! Wenn man immer wieder mit Fehlern übt/spielt, lernt man genau diese Fehler und braucht dreimal so lange, diese Fehler wieder zu verlernen! Das Ziel muss sein, ohne Fehler zu spielen und auch noch so, dass es einem leicht vorkommt, sonst verkrampft man. Es könnte also sein dass du die nächste Woche erst mal in einer Wahnsinnszeitlupe spielen musst ( wenn du den Lauf reinstellst, könnte ich noch mehr dazu sagen).

Und das alles ist nur diesem Ehrgeiz geschuldet, dass man nach so vielen Monaten/Jahren/Jahrzehnten so und so weit kommen muss und so und solche Fortschritte gemacht haben muss. Ich habe schon Leute erlebt, die spielten die Waldsteinsonate und es klang wie "öff,öff"... .:p Das ist doch kein Fortschritt!

Alle, alles Liebe dir - wenn ich falsch liege, bitte unbedingt melden!!!

chiarina

Bitte sei mir nicht böse - gerade weil das vielen m.E. so geht, wollte ich das mal klar sagen. Wenn ich deiner Meinung nach völlig falsch liege, kannst du mir das gerne genauso klar sagen!!!
 
Lieber New Oldie,

ich bewundere dich wirklich sehr, wie du dich so intensiv, mit viel Ausdauer, Willen und jeder Menge Kreativität dem Klavierspielen widmest!!! Ich bin von deiner Art, wie du an alles herangehst, wirklich begeistert!!!

Was aber hier die Frage ist, zumindest für mich, ist schon das Thema des Titels. Bei Erwachsenen beobachte ich sehr häufig den unbedingten Ehrgeiz, etwas schnell zu können. "Oh, jetzt sitz ich hier schon so lange dran - das muss doch jetzt endlich mal klappen! Ich stell mich doch sonst auch nicht so blöd an und ich will doch vorwärtskommen." - so ungefähr nach dem Motto.

Die "Lerngeschwindigkeit" wird also ( oft im Gegensatz zu Kindern) unglaublich beachtet und außerdem sehr einseitig wahrgenommen.

Ich habe gestern, als ich übte, zu meinem Mann gesagt "ich wünschte, dass viele so üben wie ich". Mir geht es darum, dass mein Spiel so schön wie möglich klingt, dass ich mich dabei wohl fühle und entspannt bin, denn nur so kann ich mir wirklich zuhören. Dabei habe ich eine Engelsgeduld mit mir ( außer wenn ich für ein Konzert übe oder etwas schnell lernen muss), d.h. obwohl ich etwas schon im Tempo oder womöglich konzertreif kann, übe ich es immer wieder in Stimmen, einzeln, beleuchte es immer wieder in verschiedenen Übeschritten von allen Seiten und achte darauf, dass ich möglichst keine Fehler mache und dabei ganz gelöst bin ( Augen zu kann nicht schaden).

Leider ist diese Einstellung bei Erwachsenen nicht sehr verbreitet. Liegt dies an der Leistungsgesellschaft?

Wozu die Eile???

Muss man sich mit einer schnelleren Lerngeschwindigkeit etwas beweisen?

Ist es nicht viel besser, die Lerngeschwindigkeit eher in der Qualität als in der Quantität zu sehen???

Spricht man dann aber besser nicht von Lerngeschwindigkeit ( du merkst schon, dass ich dieses Wort nicht mag :p ), sondern von Einsicht, Tiefe, (sinnlicher) Erfahrung sprechen. Und geht das schnell???

Hoffentlich nimmst du mir diese Worte nicht übel :kuss: , sie sind alles andere als böse oder superkritisch gemeint, ich hinterfrage damit aber eine verbreitete Einstellung besonders bei Erwachsenen.

Denn wenn du den Lernfortschritt so sehr willst, verwendest du m.M.n. zuviel Energie auf dieses äußere Ziel und wertest dein Klavierspiel und das, was dabei rauskommt permanent. Wenn man sich aber ständig so kritisch beurteilt, ist das nicht hilfreich. Lieber mit Gelassenheit, Geduld, Liebe und einer unbedingten Wertschätzung für die eigene, schon geleistete Arbeit an die Sache herangehen! Dann kannst du dich nämlich auch entspannen, während der unbedingte Wille zum Weiterkommen, auch der unbedingte Wille zur Entspannung der Entspannung selbst konträr gegenübersteht und genau das verhindert!

Wenn du also nur entspannen willst, um den Lernfortschritt zu erhöhen, wird das nicht klappen! :D Entspanne lieber, weil es dann viel schöner klingt und du dich dann wohlfühlst!

Ich glaube auch nicht, dass du dich schlecht konzentrieren kannst, was jetzt diesen Terzlauf angeht, den ich aber nicht kenne. Ich glaube vielmehr, dass du den jetzt schon so lange geübt hast, dass du denkst, jetzt muss es doch endlich klappen. Und aufgrund dieses unbedingten Willens des Lernforschritts bei dieser Stelle nicht mehr so übst, wie du solltest.

Wenn man schnell vorankommen will, wirkt sich das leider auch immer auf das Übeverhalten aus! Es wird zu schnell, nicht mehr stimmenweise oder einzeln geübt etc. etc..

In diesem Fall sagst du, du übst das nun schon zwei Wochen und bekommst das kaum fehlerarm hin. Das bedeutet leider, dass du also seit zwei Wochen wunderbar übst, Fehler zu spielen ! Wenn man immer wieder mit Fehlern übt/spielt, lernt man genau diese Fehler und braucht dreimal so lange, diese Fehler wieder zu verlernen! Das Ziel muss sein, ohne Fehler zu spielen und auch noch so, dass es einem leicht vorkommt, sonst verkrampft man. Es könnte also sein dass du die nächste Woche erst mal in einer Wahnsinnszeitlupe spielen musst ( wenn du den Lauf reinstellst, könnte ich noch mehr dazu sagen).

Und das alles ist nur diesem Ehrgeiz geschuldet, dass man nach so vielen Monaten/Jahren/Jahrzehnten so und so weit kommen muss und so und solche Fortschritte gemacht haben muss. Ich habe schon Leute erlebt, die spielten die Waldsteinsonate und es klang wie "öff,öff"... .:p Das ist doch kein Fortschritt!

Alle, alles Liebe dir - wenn ich falsch liege, bitte unbedingt melden!!!

chiarina

Bitte sei mir nicht böse - gerade weil das vielen m.E. so geht, wollte ich das mal klar sagen. Wenn ich deiner Meinung nach völlig falsch liege, kannst du mir das gerne genauso klar sagen!!!
Chiarina !!! tirer le châpeau Du sprichst mir aus dem Herzen Dein Erfahrung und Ratschlaege sind goldwert

Cordialement
Destenay
 
Lieber New Oldie,

(.............restlos alles beherzigen!!!..............)

gerne genauso klar sagen!!!

Chiarina: absolut prima veranschaulicht :kuss:
016.gif
 
Chiarina: .... gerade weil das vielen m.E. so geht, wollte ich das mal klar sagen.
Das hast Du, Chiarina

Dieser Faden trifft einen wichtigen kritischen Moment und eine kritsche Phase, in der die Widrigkeiten des Ehrgeizes der Späteinsteiger im Übeprozeß sich einschleichen und ihn, den Prozeß, bremsen. Genau in diese Kerbe hast Du geschlagen. Vielen, vielen Dank für Deine liebe Mühe und für die Zeitinvestition!!! Deine Worte sind Balsam.

Denn wenn du den Lernfortschritt so sehr willst, verwendest du m.M.n. zuviel Energie auf dieses äußere Ziel und wertest dein Klavierspiel und das, was dabei rauskommt permanent. Wenn man sich aber ständig so kritisch beurteilt, ist das nicht hilfreich. Lieber mit Gelassenheit, Geduld, Liebe und einer unbedingten Wertschätzung für die eigene, schon geleistete Arbeit an die Sache herangehen! Dann kannst du dich nämlich auch entspannen, während der unbedingte Wille zum Weiterkommen, auch der unbedingte Wille zur Entspannung der Entspannung selbst konträr gegenübersteht und genau das verhindert!
Des Pudels Kern, sehr gut herausgeschrieben, Chiarina.

Liebe Grüße

Kulimanauke
 

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