La Campanella (Spezialversion)

Diese Betrachtungsweise greift vielleicht etwas zu kurz.

Dieses "Glöckchen" ist vielleicht nicht unbedingt ein Höhepunkt europäischer Kompositionskunst. Es ist musikalisch leicht verdaulich mit eingängigen Teilen. Deswegen ist es aber auch so populär, übrigens genau wie die "Elise". Die ist allerdings vergleichsweise einfach zu spielen.

Wer von den Amateuren die Campanella gut hinkriegt, hat auf jeden Fall gezeigt, dass er ganz gut Klavier spielen kann. Und er hat ein Stück zum Beeindrucken im Repertoire, ist ja auch etwas Schönes.

CW
 
Dem muss ich widersprechen. Ich finde das Stück äußerst abwechslungsreich und jeder Abschnitt hat seine eigenen Reize und technischen Schwierigkeiten. Es ist ja letztendlich auch eine Etüde- und was für eine! Es gibt stellen, die kann man teilweise vom Blatt spielen, andere muss man richtig üben. Ganz wichtig ist aber auf jeden Fall ein gutes Instrument. Ich habe es vor vier Jahren mal auf dem Digi versucht und habe mir wirklich die Hand kaputt gemacht, ich musste ein paar Wochen aussetzen...
 
Ich finde es jetzt aber auch eigenartig, der Campanella quasi nur einen Trivialreiz zuzusprechen. Das ist unfair und einfach nicht wahr. Es ist eine sehr geniale Etude. Auch wenn die Variationen figurativ sind, aber was fuer Figuren! Andererseits ist es eben ein monothematisches Stueck und eine Etude und nicht die h-moll Sonate oder die Sonate op111 von Beethoven. Es waere auch ungerecht, "fuer Elise" mit op 111 zu vergleichen. Trotzdem ist "fuer Elise" ein geniales Stueck. Leider sind vielleicht beide (Campanella und "fuer Elise") kaputtgespielt, v.a. von "unberufenen Haenden".
Jannis
 
Hallo Gomez,
Vielen Dank für Deine ausführliche und detaillierte Antwort.


Bei Debussy "Ce qu'a vue le vent d'Ouest" habe ich in's Prelude reingehört. Aber auch dort sind die einzelnen Klangflächen (basierend auf Ganzton oder Ganzton-Halbtonleitern) zwar mit Pedal gespielt, aber nicht übergebunden. Im späteren Teil des Preludes sind allerdings Stellen die auf Kluster beruhen und die gnadenlos ineinander geschmiert werden. Das meintest Du sehr wahrscheinlich. Danke für den Hör-Tipp.

Aus dem klassischen Leittonvorhalt entwickelte sich der Tonika-Schlußakkord mit hinzugefügtem Leitton als nicht mehr auflösungsbedürftiger Dissonanz (heute noch in der Unterhaltungsmusik sehr beliebt).
Klar hast Du Recht, aber wir wollen doch von Dissonanz sprechen die durch unsachgemäßen Gebrauch des Haltepedals und nicht als Dissonanz innerhalb einer Harmonie auftreten.
 
Trotzdem ist "fuer Elise" ein geniales Stueck. Leider sind vielleicht beide (Campanella und "fuer Elise") kaputtgespielt, v.a. von "unberufenen Haenden".
Jannis

Für die Elise unterschreibe ich das, Campanella nicht. Denn das ist kein Stück, mit dem jeder Lehrer seine Schüler quält, de facto wird es deutlich weniger gespielt und wenn, dann eigentlich zumeist richtig gut
 
Leider finde ich nicht, dass die Campanella immer gut gespielt wird. Die Toene treffen zwar viele, aber die Themenartikulation laeszt auch oft zu wuenschen uebrig. Auszerdem kann ein Stueck auch kaputtgespielt sein, wenn man es staendig hoert, selbst wenn es gut gespielt ist. Aber tendenziell ist es natuerlich richtig, die Elise ist noch "kapuetter". :lol:
Jannis
 
Sicher, das dritte Scherzo ist sehr schwer,
@jannis
Nein!
"sehr schwer" ist Chopins drittes Scherzo nicht (die Oktavgänge sind im Vergleich mit der Etüde op.25,10 harmlos (zu schweigen von Oktavgängen bei Liszt); die Achtelgirlanden im "Choral" liegen allesamt bequem (man muss halt begreifen, wie die funktionieren); die Coda hört sich trotz ihrer linke-Hand-Sprünge schwieriger an, als sie tatsächlich ist) - mag sein, dass das cis-Moll Scherzo rein manuell das schwierigste der vier Chopin-Scherzi ist, aber alle vier Chopin-Scherzi befinden sich im "normalen" Schwierigkeitsbereich von Konzertstücken. Keines der vier Scherzi betritt manuell den extrem virtuosen Bereich, in welchem die Paganini/Liszt-Etüden angesiedelt sind. Fazit (banal gesagt) die gis-Moll Etüde ist deutlich schwieriger als das komplette cis-Moll Scherzo.

Die Liszt-Etüden sind manuell ganz anders aufgebaut, als die Chopinschen: Chopin verarbeitet konsequent ein manuelles Problem (Terzen, Sexten usw) - Liszt integriert in jeder seiner Etüden mehrere. Und ein spezielles Anliegen haben die Lisztschen Paganini-Etüden: exotischerweise spezielle geigerische Techniken auf das Klavier zu übertragen. Hier lohnt sich bzgl. der Campanella ein Blick in Paganinis Violinfiguren, von denen die Lisztschen figuralen Varianten abgeleitet sind. Und Liszt gelingt das Kabinettstück, die geigerische Virtuosität Paganinis im Klaviersatz adäquat wiederzugeben.

La Campanella ist natürlich thematisch-inhaltlich von Paganinis Rondo-Konzertsatz abhängig (und überträgt kongenial all das Fageolett-Geflirre der Violine brillant aufs Klavier) - aber hier ist primär zu konstatieren, dass Paganinis Konzerte keine musikalischen Leichtgewichte sind!! Derart spielfreudige, tänzerische, charmante, überwältigende und klangrauschhafte Musik findet sich unabhängig von Paganini im frühen 19. Jh. kaum! Paganini war quasi der Rossini der Instrumentalmusik (und das ist nichts geringes, man denke nur an Heines Hochschätzung von Rossinis Musik) - überschwenglich virtuos und mit einem Schwung, den die Musik zuvor nicht kannte. Und das alles versteht Liszt und inszeniert es am Klavier. Und hierbei wird der gewohnte konzertante Schwierigkeitsgrad deutlich überschritten. Grob gesagt: wer Chopins erste Ballade oder viertes Scherzo, Schumanns Kreisleriana oder Beethovens Waldsteinsonate wirklich kann, der wird in dieser Etüde zu spüren bekommen, dass es manuell schlimmeres gibt...

Und abgesehen von all dem Klavierklangzauber, den Liszt vor dem piu mosso veranstaltet: das Paganinithema erhält eine betörende gänsehautige Tiefendimension, die man ihm gar nicht zutrauen würde, in der 32stel-Variante... Ich stoppe hier. Qui habet aures audiendi, audiat. Am Ende stürzt Lizt das charmante Thema in einen tragisch-furiosen Kehraus, gespickt mit Oktavrepetitionen und unausweichlicher Moll-Kadenz - all der raffinierte Zauber führt... in ein tragisch-heroisches Ende, welches man dam Paganinithema gar nicht entnehmen kann... Warum?

Die Etüde ist alles andere als ein musikalisches Leichtgewicht

(leider wird zu oft der Tempogegensatz zwischen charmantem allegretto und furiosem piu mosso nivelliert... wird das allegretto zu schnell genommen, gibt es kein deutliches piu mosso mehr (leider machen das die allermeisten - Rubinstein ist eine der wenigen löblichen Ausmahmen))
 
Danke fuer die gute Beschreibung der Campanella. Was Chopins drittes Scherzo betrifft, so dachte ich eigentlich auch, dass weder die Oktaven so extraordinaer schwierig sind, da sie eigentlich ganz gut liegen, noch selbst die Oktavspruenge in der Coda, da sie immer den gleichen Zielpunkt haben. Da sind manche Oktaven bei Liszt viel problematischer. Die Girlanden im Choral sind ja auch recht systematisch, also jetzt nicht undurchschaubar. Trotzdem ist es natuerlich "sehr schwer" im Vergleich zur "Elise", aber ja, ich sehe das auch so, in durchaus voellig "normaler" Konzertstueckschwierigkeit. Eigentlich wollte ich es schon immer irgendwann einmal spielen, hat sich aber nie ergeben.
Bei vielen Campanella-Aufnahmen aergert mich genau das Problem der Nivellierung des Tempounterschiedes, eines oft uebertrieben schnellen Allegrettos am Beginn und die wenig geigerische Phrasierung. Aber genau das bei den manuellen Schwierigkeiten hinzubringen ist eben nicht einfach. Ich bin "klaeglich gescheitert", obwohl ich jetzt z.B. Les Adieux oder Dantesonate im Hauskonzert wiederholt gespielt habe. Naja, vielleicht waere ein "Wiederauflage" moeglich, aber die Campanella waere meiner Einschaetzung nach immer noch extrem viel Arbeit und dann koennte ich sie leider nicht mehr hoeren. :cry:
Jannis
 
Ich wäre dafür, dass die großen Komponisten der letzten Jahrhunderte alle auferstehen und eine eigene Darbietung ihrer Stücke digital einspielen. Dann könnten wir uns anhören was sie eigentlich mit ihren Notierungen gemeint haben.

Anschließend können sie sich alle wieder hinlegen. ;-)
 
Das ist so schön, daß es eine Extra-Hervorhebung braucht:

Und ein spezielles Anliegen haben die Lisztschen Paganini-Etüden: exotischerweise spezielle geigerische Techniken auf das Klavier zu übertragen. Hier lohnt sich bzgl. der Campanella ein Blick in Paganinis Violinfiguren, von denen die Lisztschen figuralen Varianten abgeleitet sind. Und Liszt gelingt das Kabinettstück, die geigerische Virtuosität Paganinis im Klaviersatz adäquat wiederzugeben.
La Campanella ist natürlich thematisch-inhaltlich von Paganinis Rondo-Konzertsatz abhängig (und überträgt kongenial all das Fageolett-Geflirre der Violine brillant aufs Klavier) - aber hier ist primär zu konstatieren, dass Paganinis Konzerte keine musikalischen Leichtgewichte sind!! Derart spielfreudige, tänzerische, charmante, überwältigende und klangrauschhafte Musik findet sich unabhängig von Paganini im frühen 19. Jh. kaum! Paganini war quasi der Rossini der Instrumentalmusik (und das ist nichts geringes, man denke nur an Heines Hochschätzung von Rossinis Musik) - überschwenglich virtuos und mit einem Schwung, den die Musik zuvor nicht kannte.

Ergänzung: Man denke auch an Schopenhauers Wertschätzung der Musik Rossinis.
 

den Rossini hatte auch Heine sehr geschätzt; sogar Beethoven soll Rossini geschätzt haben ([?!] wohl eher lesend denn hörend) ; und der Liszt hatte den Rossini auch sehr geschätzt - - Grund genug, einen Rossini-Faden zu etablieren (immerhin gibt´s genügend Klaviermusik von ihm)

Au ja, aber bitte die Opern nicht vergessen!!! Ganz lieb guck. Abgerundet mit kulinarischen Köstlichkeiten, derer Rossini so schätzte, blutroten Weinen und "L'amour".

Terri
 
Rolf weiß bestimmt, die wievielte Version der La Campanella von Liszt heute gespielt wird, wieviele Jahre Liszt an der endgültigen Fassung gefeilt hat. Meines Wissens arbeitete er sie über 20 Jahre immer wieder um bis sie die heutige Form hatte - mehr als an den anderen Paganini-Etüden. Dem entnehme ich, dass sein Stück nach Paganinis Konzert ihm sehr viel bedeutet hat. Es gibt genügend Stücke aus seiner Feder, die er später einfach liegen ließ - seine offensichtlich hohe Einschätzung dieser Etüde ist nicht mangelnder Selbsteinschätzung zuzuschreiben.

Walter
 
Rolf weiß bestimmt, die wievielte Version der La Campanella von Liszt heute gespielt wird, wieviele Jahre Liszt an der endgültigen Fassung gefeilt hat. Meines Wissens arbeitete er sie über 20 Jahre immer wieder um bis sie die heutige Form hatte - mehr als an den anderen Paganini-Etüden. Dem entnehme ich, dass sein Stück nach Paganinis Konzert ihm sehr viel bedeutet hat. Es gibt genügend Stücke aus seiner Feder, die er später einfach liegen ließ - seine offensichtlich hohe Einschätzung dieser Etüde ist nicht mangelnder Selbsteinschätzung zuzuschreiben.

Walter
Wäre klasse, wenn rolf das uns mitteilen würde, am besten mit einem link zu imslp.

Denn, bei soviel hype, und nachdem ich mich von rolf bzgl. dem Unterschied Waldstein und Campanella persönlich angesprochen gefühlt habe, hab ich mir vorgenommen, diese Etüde in Angriff zu nehmen.
 
Ich werde die meiden wie das Fegefeuer (und das nicht nur wegen meines Unvermögens) :-D

Wünsch Dir aber viel Erfolg und Spaß damit!
 

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