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Sechstes Kapitel: Das Nadelöhr - die ersten Quinten
Hallo nach sechs Wochen...
Inzwischen bin ich schon gefragt worden, wo denn die nächsten Kapitel zu finden sind... nun ja, da sie bislang halt noch nirgends stehen, wird es wohl Zeit, daran zu schreiben. Also geht es nun hier weiter. Übrigens: Demnächst werde ich zu den einzelnen Schritten auch akustische Beispiele einpflegen, sind schon vorbereitet.
Bislang bis du, wenn du dich an deinem Instrument bis zu den Ergebnissen des fünften Kapitels erfolgreich vorgearbeitet hast, immerhin schon in der Lage, einen Kammerton, eine Oktave und ein paar große Terzen sauber nach logischen und gut wahrnehmbaren Referenzkriterien anzusteuern. Nun muss es irgendwie weiter gehen, und das wird etwas knifflig. Denn die komplette Tonpalette besteht ja nicht nur aus einer Große-Terzen-Treppe, sondern es gibt deren vier:
A-Cis-F-A
Ais-D-Fis-Ais
H-Dis-G-H
C-E-Gis-C
Und irgendwie musst du nun den Sprung hinkriegen von der ersten in die weiteren Treppen, um diese dann aufzubauen. Und es führt nun kein Weg daran vorbei, dass du Quinten legen musst. Also diese vertrackten Intervalle, die eine "winzige Nuance", was immer das sein mag, von ihrer absoluten Reinheit abweichen sollen.
Aber du bist, als Kenner und Anwender der ersten Kapitel, klar im Vorteil. Denn die bereits gelegten großen Terzen werden dir helfen. Das hat den folgenden Grund: Für die erste erwähnte große Terz, die von Klein-F nach Klein-A, nannte ich dir noch die Zahl von ca. 6-7 Schwebungen. Die lassen sich nämlich noch gut zählen. Bei der nächsten Terz in der Treppe, der von Klein-A nach Cis-1, geht das Zählen (für ca. 9 Schwebungen) gerade noch so eben. Aber alles, was schneller ist, zählt man nicht mehr wirklich, sondern hört intuitiv und mit Feingespür einfach "schneller" oder "langsamer". Nicht jedem/jeder mag das gelingen. Doch halte ich diese Form des akustischen Feingespürs für viel besser steuerbar als die zuverlässige Wahrnehmung der äußerst langsamen Schwebungen der temperierten Quinten.
Wenn du deine Fähigkeiten entlang den ersten Kaptieln eingehend erprobt hast, dann hast du bereits ein im Ansatz entwickeltes Gespür dafür, welche schnellen Schwebungen nun schneller oder langsamer sind. Genau das ist dein Vorteil. Und damit kannst du jetzt hinlänglich zuverlässig fortfahren:
1) Beim E-1 dämpfst du zwei Saiten ab, vorzugsweise die äußeren. Die verbleibende Saite stimmst du nun so zum bereits gestimmten Klein-A, dass du den deutlichen Eindruck einer ganz sauberen, schwebungsfreien Quinte hast. Dann überprüfst du das Ergebnis, und zwar anhand der kleinen Terz vom (bereits gestimmten) Cis-1 zum E-1. Wie schnell schwebt diese kleine Terz?
Vergleich mal diese neue kleine Terz cis'-e' mit der bereits gelegten großen Terz von Cis-1 nach F-1. Wenn du den deutlichen Eindruck gewinnst, dass beide etwa gleich schnell sind, dann hast du gut gearbeitet. Dann ist deine Quinte wirklich ziemlich rein. Wenn du dagegen den Eindruck gewinnst, dass deine neue kleine Terz cis'-e' langsamer ist als die große Terz cis'-f', dann kannst du getrost annehmen, dass deine frisch gelegte Quinte größer ist als eine reine Quinte. Sichere Bestätigung dafür wäre, wenn deine neue kleine Terz cis'-e' genau so "langsam" schwebt wie die tiefere große Terz a-cis', oder noch langsamer als diese.
Entsprechend, mit diesem Wissen, kannst du nun die temperierte, etwas zu knappe Quinte ansteuern. Versuch jetzt mal, die kleine Terz cis'-e' so zu modifizieren, dass sie genau so schnell schwebt wie die höhere bereits gestimmte Terz, die von F-1 nach A-1. (Wie schon gesagt: "zählen" kann man da nicht, man braucht ein zuverlässiges Hör-Geschwindigkeits-Gespür.) Wenn dir das gelingt, dann bist du im grünen Bereich und hast die erste temperierte Quinte mit brauchbarer Präzision hingekriegt. Gratuliere! Nun kannst du die beiden abgedämpften Saiten des E-1 nachstimmen.
2) Ähnlich, aber in bereits abgekürzter Form, verfährst du nun mit dem D-1. Du steuerst (nach Abdämpfen zweier Saiten), diesmal abwärts vom A-1 aus, eine supersaubere Quinte an. Die dabei entstehende kleine Terz d'-f' muss, wenn du gut gearbeitet hast, deutlich langsamer sein als die soeben zuvor angelegte, nur einen halben Ton tiefer liegende kleine Terz cis'-e'. Anschließend modifizierst du diese neue kleine Terz d'-f' am d' so, dass sie genau so schnell schwebt wie cis'-e'. (Natürlich müsste sie, rein algebraisch, ganz geringfügig schneller sein... aber das Erbsenzählen kommt erst viel später dran.) Hast du's hingekriegt? Wenn ja, dann sollte nun auch deine neue Quinte d'-a' gut klingen, also ein subtiles, gerade noch angenehmes, temperiertes Jaulen aufweisen.
Geschafft? Klasse. Dämpfer raus, Chorsaiten nachstimmen, hinsetzen, auf die Schulter klopfen, ausruhen, Kaffee trinken...
-- Fortsetzung folgt --
Gruß
Martin
PianoCandle
... und aus Schweb wird Quint
Hallo nach sechs Wochen...
Inzwischen bin ich schon gefragt worden, wo denn die nächsten Kapitel zu finden sind... nun ja, da sie bislang halt noch nirgends stehen, wird es wohl Zeit, daran zu schreiben. Also geht es nun hier weiter. Übrigens: Demnächst werde ich zu den einzelnen Schritten auch akustische Beispiele einpflegen, sind schon vorbereitet.
Bislang bis du, wenn du dich an deinem Instrument bis zu den Ergebnissen des fünften Kapitels erfolgreich vorgearbeitet hast, immerhin schon in der Lage, einen Kammerton, eine Oktave und ein paar große Terzen sauber nach logischen und gut wahrnehmbaren Referenzkriterien anzusteuern. Nun muss es irgendwie weiter gehen, und das wird etwas knifflig. Denn die komplette Tonpalette besteht ja nicht nur aus einer Große-Terzen-Treppe, sondern es gibt deren vier:
A-Cis-F-A
Ais-D-Fis-Ais
H-Dis-G-H
C-E-Gis-C
Und irgendwie musst du nun den Sprung hinkriegen von der ersten in die weiteren Treppen, um diese dann aufzubauen. Und es führt nun kein Weg daran vorbei, dass du Quinten legen musst. Also diese vertrackten Intervalle, die eine "winzige Nuance", was immer das sein mag, von ihrer absoluten Reinheit abweichen sollen.
Aber du bist, als Kenner und Anwender der ersten Kapitel, klar im Vorteil. Denn die bereits gelegten großen Terzen werden dir helfen. Das hat den folgenden Grund: Für die erste erwähnte große Terz, die von Klein-F nach Klein-A, nannte ich dir noch die Zahl von ca. 6-7 Schwebungen. Die lassen sich nämlich noch gut zählen. Bei der nächsten Terz in der Treppe, der von Klein-A nach Cis-1, geht das Zählen (für ca. 9 Schwebungen) gerade noch so eben. Aber alles, was schneller ist, zählt man nicht mehr wirklich, sondern hört intuitiv und mit Feingespür einfach "schneller" oder "langsamer". Nicht jedem/jeder mag das gelingen. Doch halte ich diese Form des akustischen Feingespürs für viel besser steuerbar als die zuverlässige Wahrnehmung der äußerst langsamen Schwebungen der temperierten Quinten.
Wenn du deine Fähigkeiten entlang den ersten Kaptieln eingehend erprobt hast, dann hast du bereits ein im Ansatz entwickeltes Gespür dafür, welche schnellen Schwebungen nun schneller oder langsamer sind. Genau das ist dein Vorteil. Und damit kannst du jetzt hinlänglich zuverlässig fortfahren:
1) Beim E-1 dämpfst du zwei Saiten ab, vorzugsweise die äußeren. Die verbleibende Saite stimmst du nun so zum bereits gestimmten Klein-A, dass du den deutlichen Eindruck einer ganz sauberen, schwebungsfreien Quinte hast. Dann überprüfst du das Ergebnis, und zwar anhand der kleinen Terz vom (bereits gestimmten) Cis-1 zum E-1. Wie schnell schwebt diese kleine Terz?
Vergleich mal diese neue kleine Terz cis'-e' mit der bereits gelegten großen Terz von Cis-1 nach F-1. Wenn du den deutlichen Eindruck gewinnst, dass beide etwa gleich schnell sind, dann hast du gut gearbeitet. Dann ist deine Quinte wirklich ziemlich rein. Wenn du dagegen den Eindruck gewinnst, dass deine neue kleine Terz cis'-e' langsamer ist als die große Terz cis'-f', dann kannst du getrost annehmen, dass deine frisch gelegte Quinte größer ist als eine reine Quinte. Sichere Bestätigung dafür wäre, wenn deine neue kleine Terz cis'-e' genau so "langsam" schwebt wie die tiefere große Terz a-cis', oder noch langsamer als diese.
Entsprechend, mit diesem Wissen, kannst du nun die temperierte, etwas zu knappe Quinte ansteuern. Versuch jetzt mal, die kleine Terz cis'-e' so zu modifizieren, dass sie genau so schnell schwebt wie die höhere bereits gestimmte Terz, die von F-1 nach A-1. (Wie schon gesagt: "zählen" kann man da nicht, man braucht ein zuverlässiges Hör-Geschwindigkeits-Gespür.) Wenn dir das gelingt, dann bist du im grünen Bereich und hast die erste temperierte Quinte mit brauchbarer Präzision hingekriegt. Gratuliere! Nun kannst du die beiden abgedämpften Saiten des E-1 nachstimmen.
2) Ähnlich, aber in bereits abgekürzter Form, verfährst du nun mit dem D-1. Du steuerst (nach Abdämpfen zweier Saiten), diesmal abwärts vom A-1 aus, eine supersaubere Quinte an. Die dabei entstehende kleine Terz d'-f' muss, wenn du gut gearbeitet hast, deutlich langsamer sein als die soeben zuvor angelegte, nur einen halben Ton tiefer liegende kleine Terz cis'-e'. Anschließend modifizierst du diese neue kleine Terz d'-f' am d' so, dass sie genau so schnell schwebt wie cis'-e'. (Natürlich müsste sie, rein algebraisch, ganz geringfügig schneller sein... aber das Erbsenzählen kommt erst viel später dran.) Hast du's hingekriegt? Wenn ja, dann sollte nun auch deine neue Quinte d'-a' gut klingen, also ein subtiles, gerade noch angenehmes, temperiertes Jaulen aufweisen.
Geschafft? Klasse. Dämpfer raus, Chorsaiten nachstimmen, hinsetzen, auf die Schulter klopfen, ausruhen, Kaffee trinken...
-- Fortsetzung folgt --
Gruß
Martin
PianoCandle
... und aus Schweb wird Quint