Könntest du das ausführen? Als konkrete Anweisungen zu inegalen Barocknoten kenne ich nur die Zeilen einiger Barockkomponisten. Wie setzt man diese Informationen um? Ich als Laie stelle den Bezug zu etwas Vertrautem her und probiere es aus. Und wenn es funktioniert, dann spricht einiges dafür, dass man es so machen kann. Vor diesem Hintergrund kann ich mit dem Begriff "Fake News" hier nichts anfangen.
Ich will es versuchen, obwohl dies zugebenermaßen kein einfaches Unterfangen ist. Wenn ich Theoriebücher über den Jazz ansehe, fällt auf, dass alle möglichen Parameter, vor allem die Harmonik, in aller Ausführlichkeit behandelt werden; über Rhythmik findet sich kaum etwas, und wenn, dann in pauschalierender Oberflächlichkeit. Oder die entsprechenden Aussagen sind nicht viel mehr als mystisches Raunen, nach dem Motto " man hat's oder man hats nicht ". In der Art "argumentieren " ausgerechnet viele Jazzmusiker.
Es ist schon richtig, dass jazzmäßige Phrasierung oft oder meistens triolenähnlich ist, wobei dies je nach Zeit- oder Personalstil erheblich variieren kann: Paul Desmond phrasiert bei Take Five sehr "smooth", Nina Simone bei der Klavierbegleitung von " My bay just cares for me (fast) punktiert; beide swingen wie der Teufel. ( Das Tempo spielt natürlich eine erhebliche Rolle; bei 200 bpm ist es nicht einfach, ternär zu phrasieren).
An der schieren Triolenhaftigkeit kann es also nicht liegen.
Im Grunde entsteht der Swing aus dem Gegensatz zwischen objektiver und subjektiver Zeit. Über dem Beat ( oder Puls, wie Freejazzer sagen) liegt ein Geflecht von Akzenten und Gegenakzenten in feinsten mikrorhythmischen Verschiebungen; das kann mal ins Triolenraster passen und mal nicht. Jazz ist essentiell polyrhythmisch, auch wo momentan Polyrhythmen nicht auftreten. Die besten Solisten, auch von Melodieinstrumenten, selbst wenn sie unbegleitet spielen, können dieses Wechselspiel in ihrer Melodiebildung hörbar machen. Auch die Auffassung, dass sich jeder Offbeat mit Betonung gespielt gehört, ist nicht richtig. Damit wären wir spiegelbildlich wieder bei der Starrheit der Phrasierung in der westlichen Konzertmusik ( mir ist schon klar, dass ich hier vereinfache....).
( Interludium: das klassische Rubato ist dem hier besprochenen Phänomen nicht vergleichbar; hierbei kommt nämlich kurz- oder längerfristig das ganze Zeitgefüge ins Rutschen; )wer hat eigentlich die Mär in die Welt gesetzt, dass man geraubte Zeit anschließend wieder hergeben soll?)).
Im Grunde treffen beim Swing afrikanisches und europäisches Zeitgefühl zusammen; meine für mich selbst noch nicht ganz ausformulierbare Idee ist, dass das zirkuläre Zeitempfinden der Afrikaner auf die Auffassung der Europäer : in eine Richtung verlaufender Zeitpfeil , im Zusammentreffen einen Teil des Wesens dieser Musik und des Swing ausmachen; damit zusammenhängend wohl auch der Umstand, dass Afrikaner Rhythmen additiv auffassen ,und die Westler komplexere Rhythmen durch Subdivision entstehend.
Eine improvisierte Melodielinie von John Coltrane oder Eric Dolphy ist rhythmisch nicht notierbar; wenn man es versuchte, sähe sie vermutlich wie ein Elaborat von KH Stockhausen selig aus; spielte man sie nach Noten nach, würde sie wohl swingen wie eine alte Latsche.
Ich finde auch, dass Jacques Loussier nicht wirklich swingt, obwohl es sein Verdienst bleibt, Türen aufgestoßen zu haben; die Bach- Exkursionen von Brad Mehldau , auf die pianochriss66 zu Recht hingewiesen hat, swingen sehr wohl.
(Postludium: wenn es, weitgehend zu Recht, heißt, dass klassische Musiker nicht jazzmäßig spielen können, gilt das in etwas geringerem Maße auch umgekehrt: der wunderbare Jazzpianist Keith Jarrett zeigt, wenn er das Wohltemperierte Klavier spielt, kaum ein Gefühl für den Atem dieser Musik).