Im Gedenken an klaviermacher

wenn ich spiele, ist Micha immer dabei. Zwischen den Stücken halte ich ab und zu inne und höre seine imaginäre Stimme, seine Kommentare, ich spüre seine Konzentration auf jeden einzelnen Ton mit leicht schief gehaltenem Kopf, wenn er ins Instrument hinein hört. Und ich warte eigentlich darauf, dass er sagt: "Kumm, gemma ane rauchn." Es ist schon komisch, wie sehr ein Mensch präsent sein kann, obwohl er nicht da ist. Stop! Falsch! Er ist ja da, ich kann ihn bloß nicht sehen.
 
Toll und welchem Klaviermacher will ich nun noch blind Vertrauen? Wen kann ich rund um die Uhr mit "dumm Flügel - Dachboden - Fund - Seriennummern" nerven und eine aufrichtige wie ausführliche und gewitzte Antwort erwarten? Wer würde mir ein Schnäppchen warm empfehlen und sich obendrein noch selbst zur Restauration selbstlos und hingabevoll anbieten (und dafür irrsinnig weit fahren?).
Er war der erste und einzige seiner Zunft den ich durch und durch als "echt" empfand und dem ich brüderlich (ich kannte ihn so gut wie überhaupt nicht) alles anvertraut und anvertraut hätte.

Finde ich hier und da wieder einen Aushang. Flügel gefunden ... oder ein "dubioses" ebay Angebot, wen frage ich? Wer hat nicht nur Wissen und Erfahrung sondern selbige Jahrzehnte lang in solch leidenschaftlichem Maße in sich zu, ja zu etwas unbezifferbar Wertvollem angereichert.
Ich glaube er war weit davon entfernt "nur einen Job" zu machen.
Wo findet man das heutzutage? Generell, aber gerade auch in einem so erodierenden und daher hart umkämpften Markt wie der Klavierbauerzunft? (Ich bin mir im Nachhinein nicht sicher ob Michael nicht mehr Spritgeld drauflegte als dass er an meinen Klavieren verdiente.)

Es tut mir leid, wenn ich hier nochmal einen älteren Faden neu aufgreife, aber jeder "potentielle Wunschflügel" macht mich unsagbar traurig. Er sagt mir "da ist niemand mehr der es versteht".

Es fällt mir schwer es in Worte zu fassen. Tut mir leid.
 
... und schon Morgen jährt sich Michaels Todestag.
Es kommt mir alles so zeitnah vor - als wenn er gestern noch bei mir gewesen wäre.
 
Nein, ich kanns nicht glauben.
 

Das habe ich am 1. Januar am Ende eines kurzen Beitrages geschrieben und wurde von Peter und Monika gründlich missverstanden.

Michael, Du hättest gewusst, was ich mit diesen drei Worten aussagen wollte, nämlich:

In drei Wochen ist der Jahrestag, an dem das Schicksal Michael aus unserer Mitte und der seiner Angehörigen gerissen hat. In drei Wochen ist ein Jahr vergangen, das wir ohne sein Lachen, seine Herzlichkeit, ohne das Knuddeln, ohne seine Zuneigung und Freundschaft und ohne seine Ratschläge und sein umfangreiches Wissen verbringen mussten. In drei Wochen ist ein Jahr vergangen, in dem ich ihn oft vermisst habe und mit den Ungerechtigkeiten des Lebens gehadert habe“.


Lieber Michael,

wenn Georg uns drei in meiner Flügelwohnung besucht, dann bin ich immer ein wenig überrascht, weil ich mich noch immer nicht daran gewöhnt habe, dass da kein lächelnder Mann mit Käppi erscheint, dass nicht Du es bist, der kommt. Aber Du hast – als begnadeter Fachmann für allerlei Tasteninstrumente – nicht nur die Klaviere, Flügel und Cembali wundervoll hergerichtet, sondern auch Georg. Wir vertrauen ihm, denn er macht seine Arbeit gut - Dank Deiner umfangreichen und geduldigen Unterweisung und seines Geschicks und der Liebe zu Eurem Handwerk.

Ich weiß nicht, wie lange es noch dauern wird, bis ich nicht mehr einen Mann mit Kappe (und Kaffeemaschine unter dem Arm) erwarte.

Ich vermisse Dich....

Marlene
 
Lieber Micha,

ich möchte jetzt keine rührselige Geschichte schreiben. Das hättest Du nicht gewollt.
Nur ein paar Worte:
Du fehlst, verdammt nochmal.
 
Ich vermisse ihn auch, seinen feinen leisen Schmäh, seine durchaus kritische Sicht auf Verhältnisse und Menschen, die er einem aber nie aufdrängte, weil er - bei allem echten Arbeiter-Bewusstsein - zutief auch ein Gentleman war.

Leben, und leben lassen. Joh die Möhnschn, die sahn eben so. ...

Immer mal wieder erwische ich mich, dass ich in Tagen Abstand "seinen" Klaviermacher-Rag in die Tasten lege, den er soviel besser als ich drauf hatte. Den Saint-Louis-Rag von Tom Turpin. Durch ihn war ich, ewiger Joplin-Jünger, überhaupt erst darauf gekommen, dass außer Joplin auch noch etliche andere Ragtimes geschrieben haben.

Einen Gruß herauf auf die Wolke 17.. In den Klavierunterricht bei Monsieur Frederic, auf den wir uns alle freuen dürfen. Denn er ist nicht weg, niemals, der Michi Klaviermacher. Er ist uns nur voraus.


View: https://www.youtube.com/watch?v=B9Ym69BvLY8
 

Vorgestern von einem Jahr haben wir ihn in Dornbirn zu Grabe getragen. Die Trübe des Vormittags und Georgs leise Musik schufen der Feier ihren melancholischen Rahmen. Möge es ihm wohl ergehen, wie auch immer das sein mag.
 
Vorgestern von einem Jahr haben wir ihn in Dornbirn zu Grabe getragen. Die Trübe des Vormittags und Georgs leise Musik schufen der Feier ihren melancholischen Rahmen. Möge es ihm wohl ergehen, wie auch immer das sein mag.


Ich kann mich noch genau an diesen Tag erinnern . Und wenn ich daran denke ,kommen mir immer noch die Tränen . Täglich schau ich ihn an ,denn er wird für immer auf meinem Flügel stehen , mit dem Teddy den er mir mal geschenkt hat und dem Buch mit all Euren Beiträgen ,welches Georg so schön hat einbinden lassen
 
Liebe Clavio-Freunde,

Im Gedenken an unseren @klaviermacher Micha und für Micha habe ich kurz nach seinem Tod ein kleines Stück über seinen Namen geschrieben - mit den Themen "c h a e" und "mi c h a" (mi = e). Damals habe ich versprochen, das Stück irgendwann zu notieren und die Noten zugänglich zu machen. @GSTLP wollte sie gerne haben, vielleicht ja auch ein paar andere.
Das Stück ist ein Teil einer größeren Komposition geworden, wo es perfekt hineinpasst, und im Zuge dessen habe ich es endlich notiert.

Hier könnt ihr es herunterladen.

Hier könnt ihr das Stück nochmal anhören, so wie ich es damals gespielt habe (auf einem Flügel, der von Micha gestimmt gehört hätte):



An den beiden Stellen wo die Motive jeweils zuerst auftauchen, habe ich sie rot markiert. Zum besseren Verständnis habe ich außerdem ein paar wenige Bögen eingefügt. Manche Stellen sind etwas bequemer, wenn man Teile der rechten Hand in die linke umschichtet und umgekehrt, bzw. die gebrochenen Akkorde auf beide Hände aufteilt - ich habe die jetzige Notation der Übersicht halber so gewählt.
Das Stück ist nicht schwer zu spielen, hört sich vielleicht schwerer an als es ist. @Monique. schau es dir mal an :-)

Das Stück endet auf der Dominante. Warum, dazu kann sich jeder selbst Gedanken machen ;-)
 

Zurück
Top Bottom