Irgendwann hatte ich dieses Forum verlassen.
Nie mehr wollte ich schreiben. Häufig lese ich.
Ich schreibe, inkonsequent, nun doch nochmal.
Für die zwei Menschen, die nie mehr sprechen.
Stephan:
Der hatte keinerlei Scheu, seinerzeit mit mir zu
kommunizieren, obwohl ich „draussen vor“ war.
Er hat mich einmal besucht, bei uns genächtigt.
Wir haben paar Gläschen Wein getrunken , sind
über malerisch blühende Steuobstwiesen spaziert.
Wir haben über das Gedicht „Der Baum spricht“
geredet. Er sagte: „Lass mal Deine Arme ganz frei
runterbaumeln. Ja! Genau so mach´s am Klavier!“
Eine nicht alltägliche Begegnung und Erfahrung,
die für mich zu dem zählt, was ich nie vergesse.
Wir haben offen geredet. So habe ich ihn gefragt,
warum er diese, seine, kryptischen, Sätze textet.
Seine genaue Antwort weiss ich nicht mehr recht.
Ich kann es nur in meinen Worten Flagge ausdrücken:
In einer… für sensible und vernünftige Mitmenschen
entgleisten Welt muss jeder individuell Flagge zeigen:
All die Spiele brav mitspielen. Oder aber quer agieren.
Er war ein wunderbarer Mensch. Und all seine Träume
verliefen im Sand. Grund genug, hin-weg-zu-sterben?
Michael.
Nach zwei dilletantisch-digital-pianistischen Anfängen
erwarb ich irgendwann den ersten Flügel: „J.G.Irmler“
Gebaut 1919. Von einem Klavierbauer als gut befunden.
Michael kam. Durcheilte schnurstraks unsere Wohnung.
Schlug ein paar Tasten an. „OH…. Da ist sehr viel zu tun“
„Aber, ich kann das so nicht“ (Ich war ziemlich irritiert)
„Ich habe eine fürchterliche Migräne. Es geht so nicht!
Kann ich mich bei Euch hinlegen….eine Stunde oder so?“
Ja. Klar. Da drüben. Er holt sein Handtuch und bindet es sich
um die Augen. Ich mache die Tür zu. Und troll mich nach oben.
Eineinhalb Stunden später: Er ist wieder da, präsent, absolut.
Er ist wie ausgewechselt. Und er beginnt. Seinen Job zu tun.
Er schraubt alle Schrauben fest, er schleift Hammerköpfe ab,
er bläst den Staub der Jahrzehnte aus meinem Irmler Flügel.
Er tut dies, tut das, tut jenes. Ich verstehe davon nur wenig.
Halbes Jahr später. Ich reinige meine Basssaiten. Habe mich
zuvor redlich informiert, schlau gemacht. Leider nicht genug:
Alle Basssaiten glänzen nun wunderbar. Aber ihr Klang ist taub.
Michael kommt: „Hast Du sie alle hingemeuchelt?“ „Ja, Leider“
Er stimmt sie alle neu, auch die in tiefer Tiefe (die gemordeten)
Am folgenden Tag ruft er mich an: „Ich habe DEN Flügel für Dich“
Einen Grotrian Steinweg, gebaut 1925. Und der klingt super!“
Ich bin verunsichert. Soll ich. Soll ich nicht? Ja,Nein, oder doch?
Ich sage (halbherzig) JA. Aber da ist er schon weiter, Lippstadt.
Was nun? Was tun? Michael sagt: „Pass auf, ich fahre retour“
„Organisiere noch eine dritte Person, dann schaffen wir das“
Über Freunde finde ich ein Studentchen, schmal, kein SIXPACK.
Michael fährt auf seiner angepeilten Route drei Stunden retour.
Und sagt mir: „Ich möchte das Leuchten in Deinen Augen sehen“
Dann kommt er und das schmalbrüstige Studentchen kommt auch.
Wir schaffen den Grotrian rein in Haus. Michael kennt ja alle Tricks.
Punkt. Ich halte hier inne. Und überlege, warum ich das schreibe.
Ich denke, ich weiss warum. Vor allem für Stephan und Michael.
Vielleicht auch, weil ich dieses Forum sehr wertschätze und liebe.
Weshalb? Weil es ein Abbild unserer Welt ist, eine Spielzeugkiste.
Da tummeln sich viele faszinierende, schräge, individuelle Menschen.
Und das ist doch auch gut so. Wo findet sich im Alltag dieser Reichtum?
Ein wunderbares Papiertheater dieser perversen und verlorenen Welt.
18:53. In ungefähr zwei Minuten möchte ich hier weg sein. Für immer.
Aber nicht ohne zuvor meine gewonnenen Einsichten abzuschütteln:
Bleibt einfach so, wie Ihr halt mal seid. Keiner soll sich extra verbiegen.
Schräge Individualität ist die Stärke dieses Forums, sein Farbenreichtum.
Und stopp. Das sagt mir mein Gefühl. Es fehlt noch meine Altersweisheit:
Hier ist sie: Stephan + Michael sind tot. Wir entscheiden, ob das alles war.
Nein. Das war nicht alles. Da gibt es schon so etwas wie eine „Botschaft“
Vielleicht diese: Bleibt bitte fast so, wir Ihr halt nun mal seid (+sein müsst)
Ein Gebot des Farbenreichtums. Aber: Versucht mal spasseshalber dieses:
Wenn Ihr (ich bin hier raus) die positive Quintessenz von Stephan, Michael
zieht, dann kann es ja auch heissen: Stephan + Michaels positive Impulse
sind zwar weggestorben. Man könnte aber diese (so wie Flüchtlingquoten)
redlich und gerecht verteilen auf sämtlche Mitgleider dieses Clavio-Forums.
Bleibt neunundneunzig prozent all treu all dem, was Ihr halt nun mal seid.
Aber: Respektiert das Gute von Stephan …und vor allem das von Michael:
Wenn jeder von Euch seine zuweilen bösen Wort durch ein mildere ersetzt,
dann kann und wied dieses Forum wohl das bleiben, was es ist: Ein Glücksfall.
So. Ich bin jetzt raus. For ever. Peng. Aus………………………..……………………Uwe