Im Gedenken an klaviermacher

Ich kann ebenfalls von einer Begebenheit erzählen, bei der Micha die Arbeit eines Kollegen gelobt hat.
Eines Tages fuhren wir nach dem Stimmen meines Flügels noch zum Klavier meines Arbeitsplatzes um dort in Ruhe und ungestört zu spielen.

Michas Kommentar zu dem dortigen Sauter-Pianino: Ui, das ist aber richtig gut, ich dachte immer, du übtest dort auf einem heruntergekommenen Schrott-Pianino! WIE lange ist es nicht gestimmt worden? Ich musste ihm den Laufzettel als Beweis zeigen: 7 Jahre!!! Das Klavier wird zudem mehrmals pro Jahr für Konzerte über holprige Kacheln und dann auf eine Bühne gerollt und steht ansonsten in einem Lagerraum direkt neben einer Heizung.

Micha war voll des Lobes für den Kollegen und hat ihm später einen Auftrag für die Reparatur meines Blüthis übertragen, als es außerhalb der Stimmtour und innerhalb der Garantiezeit Probleme gab. Die Reparatur hat Micha bezahlt, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass ich bis zur nächsten Tour warten könne.
 
Sind das Michaels Papillaren? Dann hast Du eine Signatur von ihm auf Deinem Förster. Solange es nicht stört eine schöne Erinnerung und Anekdote zugleich.
 
Sind das Michaels Papillaren? Dann hast Du eine Signatur von ihm auf Deinem Förster. Solange es nicht stört eine schöne Erinnerung und Anekdote zugleich.

Jaja, war ja sein Finger. Nein, stört nicht. Ich denke bei jedem Spielen auf dem Flügel an ihn. Hab auch einen Fotorahmen mit Fotos von ihm an die Wand neben dem Flügel gehängt. Dort ist er in bester Gesellschaft: Horowitz, Rubinstein, Backhaus, Gieseking, Cortot, Myra Hess...
 
Michael hatte bei seinem allerersten Besuch hier einen gewaltigen Haufen Arbeit. Er war ungemein gespannt gewesen auf den Flügel. Die Mechanik war aber zuvor überhaupt nicht gut gearbeitet worden, viel zu viel Reibung drin - und dann gegenan ausgewogen mit Blei an unmöglichen Stellen, mit Mengen, die alles andere als "gesund" waren.

Kein einziges böses Wort von ihm über den vorigen Klavierbauer. Er ließ nur durchblicken, dass er das längst schon kenne - dass andere Reibung oft nicht erkennen, nicht kompetent beseitigen und dann mit Blei gegenan gehen. Das war ihm wohl schon oft begegnet.

Dann seine Bereitschaft, solche Probleme vor Ort anzugehen. Wieviel angenehmer dies, als die Unart vieler deutscher Klavierbauer, die quasi bei jedem kleinen Pups schon verlangen, dass das Klavier, der Flügel zu ihnen in die Werkstatt müsse.... Tja pfahh, der Kunde zahlt's ja..., weil, Flügel, was soll es auch, die Leute sind eh reich..., sonst hätten sie sich keinen Flügel geleistet... Dann ist einem das Instrument entzogen, die Kontrolle über den Fortgang der Arbeiten auch. Der, der das meiste schreit, wird zuerst serviert. Am Ende folgt Rücktransport und eine dicke Rechnung. .... Und wenn du nicht zahlst (oder Dispute hast um Art, Umfang, Qualität, Veranlassung, Notwendigkeit der Reparaturen, dann bekommst den Flügel nicht wieder. Zurückbehaltungsrecht der Handwerker. ) ... Man ist, mit "Flügel in Werkstatt", auch irgendwie doch ausgeliefert. Selbst wenn der Klavierbauer fair ist und man niemandem etwas Übles unterstellen will. Darf man das noch schreiben, wenn man keinen weiß, der einem kompetente Arbeit im Hause nun erledigen wird? Michael wird sehr sehr vielen von uns noch derbe fehlen. Wartet ab, bis euch der nächste Klavierbauer sagt, dass für Arbeiten das Instrument zu ihm müsse. Dann sehnen wir uns nach den Tagen, als Michael das "anders" handhabte.

Wir haben paar Tische auf der sonnigen Terrasse aufgebaut, ich habe ihm meine Ständerbohrmaschine aus dem Keller geholt, und los ging es mit der Arbeit, über mehr als zwei Tage. Anschließend war die Mechanik nicht wiederzuerkennen. Sein Tagessatz war auch durchaus selbstbewusst, aber ich bin mir sicher, dass das woanders das Dreifache gekostet hätte und mit wochenlanger Wartezeit verbunden gewesen wäre. (Während der Wartezeit kann man ja auch noch einen Leihflügel vermieten...)
 
Ich habe ja auch geschrieben, dass Michael meinen Flügel zwar nie gestimmt hat, er aber den Kollegen von Steinway anerkannte.
 
Sein Tagessatz war auch durchaus selbstbewusst, aber ich bin mir sicher, dass das woanders das Dreifache gekostet hätte und mit wochenlanger Wartezeit verbunden gewesen wäre. (Während der Wartezeit kann man ja auch noch einen Leihflügel vermieten...)
Dann war sein Tagessatz NICHT selbstbewusst!
 
An meinem Flügel (ich hatte ihn neu) hatte zum Glück nur Micha gewirkt.

Das Instrument sollte gestimmt und intoniert werden, aber ich hatte Angst davor, nachdem ich mehrmals gelesen hatte, dass beim intonieren oft mehr kaputt als gut gemacht wird.

Immer wieder las ich im Forum über seine gute Arbeit. So fragte ich Micha vor ca. 4 Jahren ganz leise an, ob ich eventuell in der Schweiz auch eine Chance hätte, dass er meinen Flügel stimmen und intonieren könnte. Ich war dann ganz happy, als er sich gemeldet hatte. Ich wusste ja nicht, dass er schon einige Zeit Kundschaft ganz in der Nähe meines Wohnortes hatte. Ich bin ja nur ein kleiner, alter Klimperer, aber trotzdem höre ich es auch gerne, wenn mein Flügel gut klingt.

Dann kam Micha regelmässig zum stimmen und im letzten Herbst sagte er, dass die Klaviatur einfach zu schwergängig sei. Ob er da etwas machen könnte, fragte ich ihn und die Antwort war ja. Er erklärte mir auch was er machen könnte, aber für mich war das nur chinesisch.

So kam Micha dann an diesem ominösen Freitag um 9 Uhr hierher und werkelte bis um 15 Uhr an meinem Flügel. Das Resultat zu vorher ist nun wie Tag und Nacht. Der Flügel spielt sich nun so leicht und klingt einfach supper.

Das war wohl seine letzte grössere Arbeit und zufrieden, dass er mit seinem Tun wieder jemanden glücklich gemacht hatte fuhr er von mir weg............4 1/2 Stunden später war er tot. Einfach unfassbar!

Nun habe ich ein schönes Andenken an Micha, das ich jeden Tag mit meinen Fingern spüren und geniessen kann.
 
Nun muss ich doch etwas schreiben - obwohl ich Micha gar nicht wirklich kannte. Es ist schon erstaunlich, wie sehr man jemanden ins Herz schließen kann, ja sogar traurig sein kann, dass er nicht mehr da ist, obwohl man nur in einem Forum von ihm gelesen hat und ihn im wirklichen Leben gar nicht kannte. Eure Beschreibungen, die Videos und Bilder, die Erzählungen und Geschichten von ihm lassen einen mitfühlen und einen ziemlich konkreten Eindruck davon gewinnen, was für ein Mensch er war. Immer wieder, wenn's ums Klavier und die Technik geht, muss ich an ihn denken, so wie heute, als mein Stimmer den ganzen Tag hier war. Selten habe ich so viel Anteilnahme gesehen und das ausgerechnet hier in diesem Forum, in dem es mitunter sehr rauhbeinig zugeht. Ich habe ihn nicht gekannt, aber ich bin mir sicher, wir haben einen ganz Großen verloren, und es tut mir unendlich leid, dass ich ihn nicht kennenlernen konnte.
 
Mein wenig bespieltes aber schon 30 Lenze alte Yamaha Klavier, welches ich hier letztes Jahr über den Flohmarkt verkaufen wollte, dieses allerdings von allerhand Clavioten in der Luft zerfetzt wurde, hat er sich kurz angeschaut und kurzerhand zu einem sehr fairen Preis mitgenommen.
Das war Micha.
:pokal:
 
Mein wenig bespieltes aber schon 30 Lenze alte Yamaha Klavier, welches ich hier letztes Jahr über den Flohmarkt verkaufen wollte, dieses allerdings von allerhand Clavioten in der Luft zerfetzt wurde, hat er sich kurz angeschaut und kurzerhand zu einem sehr fairen Preis mitgenommen.
Das war Micha.

Ich erinnere mich... es reiste auf der vorletzten (?) Deutschland-Tour in seinem Werkstattwagen mit, liebevoll abgedeckt. Er sagte mit verschmitztem Lächeln: "Da mach ich noch was Schönes draus."
 
Ich zitiere meinen eigenen Beitrag aus dem Faden "Reparatur- und Stimmtour" und bedanke mich nochmals posthum bei ihm: Lieber Micha, auch wenn ich Dich nicht mehr sehen kann, ich erlebe Dich jeden Tag und ich spüre Deine Aura, die soooooo gut tut. Machs gut, mein Freund! :bye:

Zitat:
"gestern war der Micha bei mir und hat sich meines Flügels angenommen:
Hier ein kleiner Griff, dort ein kleiner Wischer, nochmal ein kleiner Griff, Wechsel des Werkzeugs, wieder ein kleiner Dreher, ein kontrollierender Blick, noch ein kleiner Dreher, alles wieder von vorne usw usw.
Sein Zauberkasten enthält außer Krötenessenz (und auch da bin ich mir nicht ganz sicher) alles, was die Jungs von Oceans Eleven gerne zur Verfügung gehabt hätten, um ihre Streiche zu spielen. Und kaum vergehen vier Stunden, da verwandelt sich ein 08/15 Flügel in einen gefühlten "Faziway" (oder "Steinioli", je nach Gusto:-D) der Spitzenklasse. Sogar mein Holzohr bemerkt, wie angenehm offen, präsent und erwachsen mein Flügel jetzt klingt. Aber ohne auch nur einen Anflug von Aufdringlichkeit.
Ich darf mich dann auch mal hinsetzen und spielen. Hoppla, denke ich, warum hab ich denn auf einmal so viel Kraft im kleinen Finger? Ach so, der Tastenflüsterer hat "nur" alles so perfekt reguliert, dass auch ein Anfänger wie ich mühelos spielen kann. Er setzt der japanischen Mechanik seinen Wiener Charme auf und sagt zur fernöstlichen Imperfektion: "Das gewöhne ich ihm ab." Und tut´s einfach.
Nebenbei bemerkt ist es eine Freude, einfach nur daneben zu sitzen und Micha zuzusehen. Seine Ruhe, Gelassenheit und seine beinahe schon furchteinflößende Souveränität erfüllen den gesamten Raum. Dann zwischendurch ein kleines Grinsen, eine kleine Melodie und es wird klar: Der Typ hat einfach goldene Hände.

Lieber Micha @klaviermacher , ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich für Deine Mühe, die so mühelos rüber kommt.

Alles Gute auf Deiner weiteren Fahrt,
"Servas und baba""
Zitat Ende.
 

Unser lieber Klaviermacher Michael ist zu seiner ewigen Ruhe beigesetzt. Und wir dürfen jetzt, wie es sich für eine »scheene Leich'« nach @Georg und deren Nachgeschichte gehört, Erinnerungen, Anekdoten und Geschichten austauschen, die die heiteren Seiten der Erinnerung an ihn aufrufen. Ich mach mal den Anfang, in Erinnerung an den letzten Besuch Michaels kurz vor Weihnachten, wo er, als ich sein "vorschriftsmäßig" kariertes Hemd lobte, ein wenig lächelte und sagte: »das mit den Karos hast ja du mir aufgehängt«. Da ich mir keiner Schuld bewußt war, ging er an meinen Computer und suchte mir eine Episode aus der »Unendlichen Forumsgeschichte« seligen Angedenkens heraus. Ich kopiere sie einfach mal hierher unter dem Titel

Michaels Hemden oder: Die Mythologisierung des Karos

Während diese Diskussion sich in allerlei inkonklusive Verästelungen verlor, horcht der am Ufer stehende Fischermann auf: "ach, das hab ich mir doch gedacht", sagte er, "daß der nicht weit sein kann."

"Ich ahne es, schon wieder ein verwunschener Wanderer", ätzte der Edle von Peppi. "Ganz recht", versetzte der Fischermann, "wenn auch der Grad seiner Verwunschenheit weniger hoch ist als der meinige. Gleich werdet ihr meinen Freund, den Ewigen Klangkorrektor, kennenlernen."

Und er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein untersetzter Mann auf die Lichtung trat, der mit einer graukarierten Kutte bekleidet war und mit einem "Jo Seervas, griaßts Eich, hobi Eich doch no gfundn", in die Mitte der entgeisterten Wikinger trat. "Hä?", machte der böse Hrolf ratlos. "Na gut, sag Deine Story auf, aber in verständlicher Sprache und wähle die Kurzfassung, denn wir haben schon eine lange Märchenstunde hinter uns." "Jo woits-es denn gar net wissn, worum i do bin?", sagte der Karoträger. "Später, später", fiel Gommi ein, neugierig geworden, "erzähl uns doch erst mal, von woher Du uns zugeflogen bist." "Oiso", hub der Graue an -- und bevor wir seine Rede überliefern, versprechen wir, mit Rücksicht auf die limitierten Sprachkenntnisse unserer nördlich des Moenus siedelnden Leser, sie in neoprussianischer Transskription darzubieten -- "meine Familie stammt aus Pannonien, und mein Urahn war Regimentspfeifer im Heer des Attila, den man in unzivilisierten Gegenden auch Etzel nennt. Mein Vater hat als Trompeter die große Schlacht auf dem Lechfeld vor den Toren von Datschiburg mitgemacht, die wir auch gewonnen hätten, wenn nicht die heimtückischen Bewohner des eben genannten Feldes unseren tapfersten Kriegern mit einer üblen klebrigen Speise, in ihrem Idiom Spätzle genannt, die Gedärme verstopft hätten, sodaß diese sich anderen Mühen als der des Eroberns hingeben mußten.

Und da ereilte mich mein Schicksal. Auf unserem Rückzug fand ich einen zu einem Dreieck gebogenen Draht, den einer unserer Regimentsmusiker verloren hatte. Und als ich mit einem Holz dagegenschlug - wie stach es in meinen Trommelfellen: sämtliche Katzen nahmen Reißaus. Also versenkte ich das anstößige Instrument im Lech, in der Überzeugung, all meinen Mitmenschen einen Gefallen erwiesen zu haben. In der Nacht aber erschien mir im Traum eine Göttin, die sich mir als Trigonia, eine der apokryphen nichtkanonisierten Musen, offenbarte: ich müsse zur Strafe von nun an über die Erde wandern, immer auf der Suche nach dem schiefen Klang, um ihn gerade zu machen."

"Hm, blöder Job", sagte der böse Hrolf mitfühlend, "aber warum hast du denn so komische Karos auf der Kutte?" "Grau, ihr lieben Freunde", erwiderte jener, "ist die Farbe des Büßers, und das Quadrat ist der Gegensatz zum Kreis, dem Symbol des Göttlichen, und bedeutet den Ausschluß aus der Gnade der Götter. Es ist mir jedoch in Aussicht gestellt, daß sich, habe ich dereinst genug Mißklänge bereinigt, die Karos in Streifen verwandeln würden, das Symbol des himmelwärts gewandten Strebens, das mir die Hoffnung auf Versöhnung mit der hl. Trigonia eröffnen wird. Und werden dereinst auch die Streifen verschwunden sein, und die Menschen sehen mich im weißen Hemde der reinen Makellosigkeit, dann wird meine Wanderschaft zu Ende sein. Und deswegen bin ich zu euch gekommen, denn ihr seid den Ohren der Götter ein Anstoß."

"Hehe" knurrte Peppi, hast du etwas gegen unseren Schlachtgesang, Du...?" "Ach, eure metgegerbten Stimmen", versetzte der Ewige Klangkorrektor, "geschenkt, da hört schon lange kein Gott mehr hin. Aber eure Schilde..., hört doch selbst. Und er holte ein Hämmerchen aus seiner kohlenschwarzen Umhängtasche und klopfte sachte gegen des bösen Hrolfs Schild: "klingt wie eine gesprungene Glocke, nicht wahr? Und Deiner", zu Peppi gewandt, verzeih mir, "klingt wie das, was man in den Palästen von Byzanz einen Klodeckel nennt. Und der da schließlich wie ein verbeulter Nachttopf. Kurz, eure Schilde müssen unbedingt gestimmt und reguliert werden!" Und mit allerlei Gerätschaften aus seiner Tasche hämmerte er flink bald da ein wenig, bördelte dort ein bißchen herum, zog da ein Riemchen fest und blies dort den Staub aus den Gehenke. "So, jetzt stellt euch mal in Reihe auf und probiert!", sagte er schließlich zufrieden. Und tatsächlich, Gommis Schild machte hell und klar "Kling!", Peppis eine Terz tiefer "Klang!" und der des bösen Hrolf unterlegte das Ganze mit einem tiefen "Klong!". "Kling! Klang! Klong!, so muß es sein", strahlte der Karierte nicht ohne Selbstzufriedenheit: "hat man Töne, will man schöne!" -- "und das auch für lange Zeit", wisperte es aus dem Laub der Bäume. Wie wir wissen, wurde jenes herrliche Klingklangklong über viele Generationen als die Wikingerharmonik tradiert, bis irgendwann einmal ein dreister russischer Usurpator den unseligen Versuch unternahm, sie den Galliern von Lutetia unter dem kitschigen Namen "Frühlingsopfer" als sein geistiges Eigentum unterzujubeln. Die jedoch, in dankbarer Erinnerung an die vielen Höflichkeitsbesuche der Wikinger, waren verstimmt und stäupten ihn aus der Thingstätte.

"Oiso dann, pfiats eich Buam", schulterte der Graukarierte seine Tasche. "I muaß weiter; baba!" und verschwand im Dunkel des Waldes.

"Baba?" frug Gommi verständnislos. "Des is bannonisch gebabbeld fir Ade", erläuterte der Edle von Peppi weltmännisch.

"Aber was machen wir jetzt mit unseren Weibern?" nahm der böse Hrolf den Faden wieder auf und ....
 
Darf ich euch etwas merkwürdiges erzählen? Ein paar Tage vor Michas Tod fing mein Klavier an komisch zu knacken. Am Mittwoch hab ich ihn angewhatsappt, ob er sich das irgendwie erklären könne. Eigentlich war es klar, so per Fern Diagnose Gitter schon mal gar Nix. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er bei der Frühjahrstour sich das Ganze angeguckt. Dann noch ein bisschen dumm Zeug geschrieben, das war es.

Tatsache ist: das Klavier knackte vor sich hin und knackte vor sich hin. Es knackt es seit dem Mittwoch vor seinem Tode und hat vor ein paar Tagen aufgehört zu knacken. Ich habe nichts anders gemacht. Es klappt einfach nicht mehr, alles ist gut. Es beschleicht mich das Gefühl, dass Micha irgendwas gemacht hat. Als hätte er noch irgend eine Baustelle offen gehabt und musste das noch regulieren, da es ja zugesagt hatte. Irgendwie ist es schön. Ich habe keine Ahnung, ob Micha das war - aber ich glaube irgendwie daran. Was sollte es sonst sein? Danke Micha!
 
Sorry, ich diktiere die Nachrichten über das Handy und da schleichen sich leider einige Fehler ein. Kann ich über Tapatalk auch leider nicht korrigieren, beziehungsweise ich finde nicht heraus, wo und wie ich das machen kann. Ich denke aber man kann es doch halbwegs lesen. Ich entschuldige mich aber dennoch für die Fehler
 
...

"Ich ahne es, schon wieder ein verwunschener Wanderer", ätzte der Edle von Peppi. "Ganz recht", versetzte der Fischermann, "wenn auch der Grad seiner Verwunschenheit weniger hoch ist als der meinige. Gleich werdet ihr meinen Freund, den Ewigen Klangkorrektor, kennenlernen."

Und er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein untersetzter Mann auf die Lichtung trat, der mit einer graukarierten Kutte bekleidet war und mit einem "Jo Seervas, griaßts Eich, hobi Eich doch no gfundn", in die Mitte der entgeisterten Wikinger trat. ....

Da weilten sie beide noch unter uns - Micha und Stephan. :cry:
 
Kurz nachdem ich mich im Forum angemeldet hatte, vor ein paar Jahren, vielleicht 4 oder 5, hatte ich mich, Forencodex / Rangordnung etc. anscheinend nicht gebührend achtend mit fast jedem „hohen Forums-Tier“ angelegt, war schnell und ewiglich in Misskredit gefallen.


Irgendwann zogen viele aus dem Forum resp. Chat vorübergehend ins Skype, so auch „Klaviermacher“.


Seither war er mein „Skypeeinwohner“, in einem Medium was ich so gut wie nie nutze, mit ihm aber öfters mal sprach. Ich neckte ihn immer damit „bei ihm ein Praktikum als Klavierbauer machen zu wollen“. Sein ermutigendes Mitlachen spürte ich bis hier.


Eines sonnigen Tages, ich kam nachmittags nachhaus´ , stand eine ominös bekennzeichnete blaue C-Klasse, tiefergelegt von tausenderlei Werkzeug, Apparaturen und Kram vor der Tür und ein lebensfroher „Fremder“ hatte sein Bündel ausgebreitet, flachste mit meiner Mutter, trank Kaffee und verschwand von Zeit zu Zeit im Bauche der Klaviers.


„Hä? Ach stimmt ich kann mich vage entsinnen, ich erwähnte beiläufig dass ich ein Klavier habe und er erwähnte mal dass er manchmal auf Stimmtour geht“ Und dann war er da. ^^ Kam einfach so reingeschneit, „lag ja auf dem Weg“

Ein Dornbirner in unserem kleinen Ort 600 km nördlicher.

Ich schämte mich ein bisschen für mein altes, abgehalftertes YAMAHA Klavier, den Staub und überhaupt, aber er machte nicht einmal den Anschein als würde er je auf die Idee kommen können dass das überhaupt irgendwen stören könne.


Ich weiß noch, dass er mich bat etwas zu spielen und ich sehr genant war. Im Nachhinein fand ich es gut, dass er mich erst aufforderte und ermutigte, dann mein Unbehagen oder meine unbedarften Versuche sah, und, ich kann gar nicht sagen wie, aber mit einem lieben, wissenden wie: „das macht doch nichts“, mir signalisierte dass es auch so gut war.


Wie wir dann dazu kamen noch weitere Flügel aus der Gegend hier zu begutachten, weiß ich nicht mehr. Wir fuhren aber im Anschluss an mein Klavier noch mit der C-Klasse zu einem verwaisten Flügel, den wir, nachdem wir uns einen Schlüssel besorgt, unter einem angelehnten Stapel alter Turnmatten befreiten. Im Abstellraum, zwischen Barren und Böcken, Bühnen und Bildern vergangener Fasnacht-Saisons, klappten wir ihn auf. Interessiert besah er Hersteller und Fabrikat, wehklagend befand er Mottenfraß an den Polstern und musterte den allgemeinen Zustand. An einem Flügel der uns beiden nicht gehört, der einfach nur da ist als „warum auch immer“, Vereins- vergessenes Prestigeobjekt irgendeiner Erbschaft, versorgte er, ja, liebevoll die Wunden. So notdürftig er es eben tun konnte.


Irgendwann, empfahl er sich, er wolle, ich weiß nicht mehr genau, entweder ins Hotel oder noch zu einer Dame mit Klavier. Könnte die Mainzer Gegend gewesen sein.


Seitdem schrieben wir immer mal wieder im Skype. Er hatte, gefühlt, immer Zeit, antwortete prompt und selbst belanglose Dinge, tat er nicht als solche, und somit nicht beantwortenswürdig. ab.

Meist ersuchte ich ihn um Rat, als eine Art, „persönliches Clavio“ mit allen Vorteilen (Wissen, Erfahrung,) nur ohne Nachteile (Eitelkeit, Unnahbarkeit, Überheblichkeit, Unfreundlichkeit).


Einmal, ich arrangierte grade etwas und hörte einen Klavierpart nicht gut heraus, da schickte ich ihm den Link und er spielte und sang für mich „wie er es heraushörte“ ein. :)


So ging es das Paar Jahre und noch vor kurzem ermutigte er mich auf eine Frage hin ich solle mich doch direkt ans Forum wenden und wieder anmelden, da würde mir binnen wenigen Minuten geholfen. Ich sagte: „binnen weniger Minuten werde ich da samt Frage in der Luft zerissen“, dachte: „ich weiß meine Login Daten doch gar nicht mehr“ , aber prompt und (surreal) freudig schrieb er: „Hey sogar mit deinem richtigen Account“, als er mein Frage im Forum las.

Sein neues Bild kannte ich noch nicht, aber es stand gleich als erste Reaktion unter meiner Frage und, ihr findet es komisch dass ich so etwas hier überhaupt schreibe, aber ihr glaubt nicht welche Kraft und symbolische Wirkmacht diese Geste für mich hatte.


Eine (fast schon) unheimliche Selbstverständlichkeit.


Bei ihm ließ ich mir auch Antwortkommentare „einnorden“ … „ja, „der oder die“ ist in Ordnung“ ( die brauchst du nicht zu fürchten )


Und ich glaube eben dieses „Furcht nehmen“, dieses „auftilgende“, diese unfassbare immense Aura des Friedens, ich glaube das hatte er. Für mich ist er durch und durch echt und tut einfach verdammt gut!


Bis eben wusste ich nichts von dem Ausmaß, dass ich nur „ein winziger Teil“ dessen bin was diese Aura bescheint, so exklusiv und selbstlos nahm er sich deiner an. Das ist beispiellos!


Als ich ihn Mitte Januar bedrohte: „ob er denn schon alles bereitet hätte für seinen Praktikanten, in den Semesterferien komme ich vorbei“, lachte er müdeR.


Auf das wir merken dass das, was uns fehlt wir sind. Das gibst du uns.

Du fehlst :(
 
Jetzt muss ich doch auch hier schreiben.

Michael hat mir hier per PN ganz arg weiterhelfen können als ich recht hysterisch wurde, nachdem ich einen Klavierkauf tätigte. Das erste Mal so viel Geld ausgeben und ich dumme Nuss habe das Klavier nicht vom Fachmann inspizieren lassen... Er konnte mich aus der Ferne sehr gut beraten und vor allem beruhigen.
Vor Ort ließ ich dann jemand anders noch das Klavier inspizieren, der es dann auch bei mir stimmte.
Mir fielen einige Dinge am Klavier auf und mein Stimmer meinte, dass schon alles ok sei damit. Ein glernter Klavierbauer... die ersten Monate waren sehr mühsam, da ich mit dem Anschlag so gar nicht zurechtkam. Der Klang allerdings war immer super. Nach der zweiten Stimmung klirrten direkt danach Töne und schon zwei Wochen später waren viele Töne wieder verstimmt. Ich beschloss, Michael, der eh gerne stimmen wollte, wenige Wochen danach auf seiner Tour abzufangen. Er meinte sofort, dass was mit dem Anschlag nicht stimme und ölte alle Irgendwas. (Dafür hat er die Tasten rausgenommen.) Was für ein Unterschied!! Ich war echt sauer; so wenig Aufwand, und der andere Stimmer hat keine Anstalten gemacht, etwas zu ändern. Ich hätte das ja auch bezahlt. Und ich dachte die ganze Zeit, ich würde alles falsch machen.
Ihm gefiel das Klavier und der Klang, verstand aber sofort, was mir missfiel und meinte, er könne intonieren etc und zeigte es mir an einer Taste. Das wollte ich unbedingt! Beim nächsten Stimmtermin. Erst musste ich sparen für die doch etwas aufwändigere, zeitintensive Einheit und nach zwi Stimmungen innerhalb so kurzer Zeit wollte/konnte ich nicht gleich weitere Summen hinblättern. Und die ersten Behandlungen hatten ja auch schon einen Effekt, daher wollte ich noch damit warten. Im Herbst war das Geld noch nicht locker und ich habe auch nicht so viel gespielt. Dieses Frühjahr sollte es dann gemacht werden und nachdem ich im Winter mehr spielte, fieberte ich der nächsten Tour entgegen; war enttäuscht, dass sie erst so spät beginnen sollte und bin nach der Bekanntgabe seines Todes traurig um ihn und, ich hoffe man verzeiht mir dafür, da ich ihn als Privatperson nicht so kennengelernt habe, wie viele andere hier, traurig um mein Klavier, das möglicherweise nun nie so klingen wird, wie ich das mit Michael ausgemacht habe.
Danke Michael, dass du meine Fragen alle ernst genommen hast und mir so viel erklärt hast, auch wenn ich jetzt doch nicht mehr weiß, was du da geölt hast. Mir hat auch deine Ruhe bei der Arbeit gut gefallen, die einem zeigt, dass du ganz bei dir selbst bist. Ich kann nur leise erahnen, was du bei den vielen Menschen aus dem Forum bewegt hast- und was du ihnen bedeutet hast. Dieser Thread gefällt mir daher sehr gut.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt möchte ich gerne etwas erzählen. Wenn ich an Michael denke, dann kommt mir das Wort Hingabe und Präsenz immer wieder in den Kopf. Ich kannte ihn nur kurz. Eine Stimmung des kleinen Klaviers. Und eine Marathon-Sitzung mit dem Flügel. Hingabe: ihn störte ein seltsamer Klang beim ersten Anschlag des Schimmels. Und legte sich prompt auf auf den Boden. Und robbte eine dreiviertel Stunde mit dem Ohr auf dem Boden, bis er den Übeltäter gefunden hatte (Glas!). Ich stand verblüfft daneben. Er gab nicht auf, rutschte ohrwärts weiter und strahlte dann übers ganze Gesicht, als das Problem gelöst war. Präsenz: er hatte sich die Flügel-Mechanik vorgenommen. Ich schwör's: gefühlte 60 Mal die Mechanik rein raus rein raus rein raus. Knochenarbeit über 8 Stunden. Selten einen Menschen erlebt, der über so lange Zeit so sehr bei der Sache war. Bis er wiederum strahlte, weil der Flügel endlich toll klang und ich wie ne Dohle vor Freude rum hüpfte. Dann Kaffee trinken, Zigarette, Gespräch...ein Mensch im Hier und Jetzt, mit bezaubernder Präzision und schelmischen Charme. Ich hatte mich so aufs nächste Mal gefreut. Manche Menschen kennt man nur kurz, aber man wird sich an ihre Intensität immer und mit großer Zuneigung erinnern. So traurig, dass du nicht nie kommst, Michael. Und danke, dass du hier warst. Karen
 
Ah - Klaviermacher ist gestorben ! Kaum ist man hier mal ein paar Wochen weg, passiert so was ! Das tut mir leid, und ganz besonders für KM, weil er einer derjenigen ist, die immer fair und ausgleichend gewirkt haben, im Forum sicher derjenige, zu dem ich am meisten Vertrauen hatte, dass er einem nicht von hinten einen Dolch reinschiebt ! Sehr gut, aber sein Tod, natürlich: sehr schlecht ! Ich trauere, aber ich denke,
in Raum und Zeit
ists oft nicht weit,
bis zu einem Wiedersehen, oder -fühlen, und ich denke, die Besitzer der Klaviere, die er betreut hat, werden ihn spüren, seine Hände und seine Fertigkeiten sind für immer im gesamten Klangkörper gespeichert, wie in einem Hologramm,
jedes kleine Teil trägt die ganze Information,
des Klaviermachers, ihr wisst es schon !
 

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