Unser lieber Klaviermacher Michael ist zu seiner ewigen Ruhe beigesetzt. Und wir dürfen jetzt, wie es sich für eine »scheene Leich'« nach @Georg und deren Nachgeschichte gehört, Erinnerungen, Anekdoten und Geschichten austauschen, die die heiteren Seiten der Erinnerung an ihn aufrufen. Ich mach mal den Anfang, in Erinnerung an den letzten Besuch Michaels kurz vor Weihnachten, wo er, als ich sein "vorschriftsmäßig" kariertes Hemd lobte, ein wenig lächelte und sagte: »das mit den Karos hast ja du mir aufgehängt«. Da ich mir keiner Schuld bewußt war, ging er an meinen Computer und suchte mir eine Episode aus der »Unendlichen Forumsgeschichte« seligen Angedenkens heraus. Ich kopiere sie einfach mal hierher unter dem Titel
Michaels Hemden oder: Die Mythologisierung des Karos
Während diese Diskussion sich in allerlei inkonklusive Verästelungen verlor, horcht der am Ufer stehende Fischermann auf: "ach, das hab ich mir doch gedacht", sagte er, "daß der nicht weit sein kann."
"Ich ahne es, schon wieder ein verwunschener Wanderer", ätzte der Edle von Peppi. "Ganz recht", versetzte der Fischermann, "wenn auch der Grad seiner Verwunschenheit weniger hoch ist als der meinige. Gleich werdet ihr meinen Freund, den Ewigen Klangkorrektor, kennenlernen."
Und er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein untersetzter Mann auf die Lichtung trat, der mit einer graukarierten Kutte bekleidet war und mit einem "Jo Seervas, griaßts Eich, hobi Eich doch no gfundn", in die Mitte der entgeisterten Wikinger trat. "Hä?", machte der böse Hrolf ratlos. "Na gut, sag Deine Story auf, aber in verständlicher Sprache und wähle die Kurzfassung, denn wir haben schon eine lange Märchenstunde hinter uns." "Jo woits-es denn gar net wissn, worum i do bin?", sagte der Karoträger. "Später, später", fiel Gommi ein, neugierig geworden, "erzähl uns doch erst mal, von woher Du uns zugeflogen bist." "Oiso", hub der Graue an -- und bevor wir seine Rede überliefern, versprechen wir, mit Rücksicht auf die limitierten Sprachkenntnisse unserer nördlich des Moenus siedelnden Leser, sie in neoprussianischer Transskription darzubieten -- "meine Familie stammt aus Pannonien, und mein Urahn war Regimentspfeifer im Heer des Attila, den man in unzivilisierten Gegenden auch Etzel nennt. Mein Vater hat als Trompeter die große Schlacht auf dem Lechfeld vor den Toren von Datschiburg mitgemacht, die wir auch gewonnen hätten, wenn nicht die heimtückischen Bewohner des eben genannten Feldes unseren tapfersten Kriegern mit einer üblen klebrigen Speise, in ihrem Idiom Spätzle genannt, die Gedärme verstopft hätten, sodaß diese sich anderen Mühen als der des Eroberns hingeben mußten.
Und da ereilte mich mein Schicksal. Auf unserem Rückzug fand ich einen zu einem Dreieck gebogenen Draht, den einer unserer Regimentsmusiker verloren hatte. Und als ich mit einem Holz dagegenschlug - wie stach es in meinen Trommelfellen: sämtliche Katzen nahmen Reißaus. Also versenkte ich das anstößige Instrument im Lech, in der Überzeugung, all meinen Mitmenschen einen Gefallen erwiesen zu haben. In der Nacht aber erschien mir im Traum eine Göttin, die sich mir als Trigonia, eine der apokryphen nichtkanonisierten Musen, offenbarte: ich müsse zur Strafe von nun an über die Erde wandern, immer auf der Suche nach dem schiefen Klang, um ihn gerade zu machen."
"Hm, blöder Job", sagte der böse Hrolf mitfühlend, "aber warum hast du denn so komische Karos auf der Kutte?" "Grau, ihr lieben Freunde", erwiderte jener, "ist die Farbe des Büßers, und das Quadrat ist der Gegensatz zum Kreis, dem Symbol des Göttlichen, und bedeutet den Ausschluß aus der Gnade der Götter. Es ist mir jedoch in Aussicht gestellt, daß sich, habe ich dereinst genug Mißklänge bereinigt, die Karos in Streifen verwandeln würden, das Symbol des himmelwärts gewandten Strebens, das mir die Hoffnung auf Versöhnung mit der hl. Trigonia eröffnen wird. Und werden dereinst auch die Streifen verschwunden sein, und die Menschen sehen mich im weißen Hemde der reinen Makellosigkeit, dann wird meine Wanderschaft zu Ende sein. Und deswegen bin ich zu euch gekommen, denn ihr seid den Ohren der Götter ein Anstoß."
"Hehe" knurrte Peppi, hast du etwas gegen unseren Schlachtgesang, Du...?" "Ach, eure metgegerbten Stimmen", versetzte der Ewige Klangkorrektor, "geschenkt, da hört schon lange kein Gott mehr hin. Aber eure Schilde..., hört doch selbst. Und er holte ein Hämmerchen aus seiner kohlenschwarzen Umhängtasche und klopfte sachte gegen des bösen Hrolfs Schild: "klingt wie eine gesprungene Glocke, nicht wahr? Und Deiner", zu Peppi gewandt, verzeih mir, "klingt wie das, was man in den Palästen von Byzanz einen Klodeckel nennt. Und der da schließlich wie ein verbeulter Nachttopf. Kurz, eure Schilde müssen unbedingt gestimmt und reguliert werden!" Und mit allerlei Gerätschaften aus seiner Tasche hämmerte er flink bald da ein wenig, bördelte dort ein bißchen herum, zog da ein Riemchen fest und blies dort den Staub aus den Gehenke. "So, jetzt stellt euch mal in Reihe auf und probiert!", sagte er schließlich zufrieden. Und tatsächlich, Gommis Schild machte hell und klar "Kling!", Peppis eine Terz tiefer "Klang!" und der des bösen Hrolf unterlegte das Ganze mit einem tiefen "Klong!". "Kling! Klang! Klong!, so muß es sein", strahlte der Karierte nicht ohne Selbstzufriedenheit: "hat man Töne, will man schöne!" -- "und das auch für lange Zeit", wisperte es aus dem Laub der Bäume. Wie wir wissen, wurde jenes herrliche Klingklangklong über viele Generationen als die Wikingerharmonik tradiert, bis irgendwann einmal ein dreister russischer Usurpator den unseligen Versuch unternahm, sie den Galliern von Lutetia unter dem kitschigen Namen "Frühlingsopfer" als sein geistiges Eigentum unterzujubeln. Die jedoch, in dankbarer Erinnerung an die vielen Höflichkeitsbesuche der Wikinger, waren verstimmt und stäupten ihn aus der Thingstätte.
"Oiso dann, pfiats eich Buam", schulterte der Graukarierte seine Tasche. "I muaß weiter; baba!" und verschwand im Dunkel des Waldes.
"Baba?" frug Gommi verständnislos. "Des is bannonisch gebabbeld fir Ade", erläuterte der Edle von Peppi weltmännisch.
"Aber was machen wir jetzt mit unseren Weibern?" nahm der böse Hrolf den Faden wieder auf und ....