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chiarina
Guest
Das würde dann bedeuten, dass Kinder oder Jugendliche Klavier spielen lernen wollen, weil sie partout diese Sachen können möchten?
Bei anderen KollegInnen wäre sie wahrscheinlich an die Wand gefahren worden, wie ich leider einige Male erlebt habe - nur mal als Beispiel: Meine kleine "Komponistin" hatte mit ihren neun Jahren so an die 20 kleine Kompositionen verfasst, die ich alle notiert hatte. Irgendwie waren da immer schöne kleine Momente eingefangen. Dann kam der Umzug nach Brüssel. Die dort eingekaufte KL schmiss dieses Mädchen nach 6 Monaten raus mit der Begründung: völlig untalentiert! Mit tat das sehr weh. Wie kann man so den Stab über einen Menschen brechen?!? Nur weil sie nach 3 Jahren Klavierunterricht keinerlei Sinfonias von Bach spielen konnte? Ist "Talent haben" nur damit gleich zu setzen sich auf Noten zu stürzen und diese brav abzuarbeiten? Reicht es nicht, Freude an der Musik zu haben und sich darin zu bewegen?!?
Ich muss sagen, dass ich die Einstellung von Viola hier absolut teile! Deswegen kann ich auch ihre hier im Faden dargestellte Sicht völlig nachvollziehen.
Es gibt Klavierlehrer, die nur sehr begabte Schüler nehmen, oder Fachbereichsleiter von Musikschulen, die auch nur die Begabtesten unterrichten.
Das geht auch an meinem Ansatz vorbei. Natürlich freut man sich sehr über begabte Schüler, aber Musik sollte für alle erreichbar sein, die wollen, die ein Bedürfnis danach haben, unabhängig vom Talent. Da Musik so etwas Wunderschönes und Grundlegendes ist, ist es für mich ein Recht jedes Einzelnen, guten Unterricht zu bekommen.
Das heißt aber auch, dass man neben seinen eigenen didaktisch-methodischen Zielen immer den Schüler mit seinen Wünschen und Bedürfnissen im Auge haben sollte, denn als Klavierlehrer sieht man die Entwicklung des Klavierspiels eng mit der Entwicklung der Persönlichkeit verknüpft (das ist ja bei Musik sowieso nicht zu trennen).
Wenn nun also ein Schüler Tiersen selbsttätig in den Unterricht einbringt und gewaltigen Eifer zeigt, diese Stücke zu lernen, wäre es m.E. völlig verfehlt, den Schüler in seiner Motivation und seinem Lernwillen abzuwürgen. Im Gegenteil versucht man, diesen zu nutzen und zwar so gewinnbringend für Schüler und Lehrer wie möglich. Und dann stellt man fest, dass man doch dabei einiges lernen kann. Schon allein, dass der Schüler merkt, dass er in recht kurzer Zeit eine Menge zustande bringt, kann sein Selbstvertrauen so stärken, dass er sich nun auch an andere, womöglich längere Stücke wagt.
Man kann es einfach nicht pauschalisieren. Es ist m.E. keineswegs so, dass man nach Tiersen auf ewig "verschandelt" ist und der Weg zu anspruchsvollen Stücken auf ewig verbaut ist.
Deshalb, Rolf, glaube ich, dass diese Stücke von Tiersen ein momentanes Bedürfnis der Schüler ausdrücken, was wichtig ist, vom Lehrer ernst genommen zu werden. In diesem Moment scheint also Tiersen genau das zu sein, was die Schüler brauchen, aus was für Gründen auch immer. Sonst hätten sie sie ja nicht von selbst angeschleppt und würden nicht mit solch einer Begeisterung üben. Für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit scheint es also wichtig zu sein. Gibt man solch einem Bedürfnis nicht nach, kann sich das absolut negativ auswirken!
Ich selbst allerdings muss bekennen, dass ich Tiersen überhaupt erst seit einem guten halben Jahr kenne. Und davon auch nur die Comptine, die mal eine Schülerin voller Begeisterung mit in den Unterricht gebracht hatte und die ich selbstverständlich mit ihr erarbeitet habe. Einaudi und Yiruma kenne ich nur dem Namen nach hier aus dem Forum. Das Forum bildet eben :p . Es gibt so viel wunderbare "klassische" Literatur, so dass man m.E. immer etwas für den Schüler Passendes finden kann.
Aber wenn, wie hier bei Viola, Schülerinnen so begeistert von sich aus mit den Stücken in den Unterricht kommen würden, würde ich das genauso wie sie sehen und versuchen, diese Begeisterung zu nutzen. Wobei meine Schüler eher mal Ausflüge in Stücken von Filmmusik machen. Eine hat auch mal Disturbia von Rihanna gespielt und gesungen. Gerade im pubertierenden Alter wollen die auch mal was anderes machen. Als Lehrer lernt man auch was dabei und wenn es nur das ist, dass man endlich mal weiß, wovon hier die Leute eigentlich sprechen, wenn sie von "River flows in you" o.ä. schwärmen. :D
Liebe Grüße
chiarina