@ Hi Rolf,
wahrscheinlich bist Du vom Kerngeschäft eines KL weit weg...
Das beginnt mit dem Anfangsunterricht: Noten erklären, die Finger koordinieren, Unabhängigkeit der Hände usw. Ein Stadium, was gut und gerne 2-5 Jahre dauern kann. Hier schon mit den Sinfonias von Bach zu kommen wäre einfach eine Überforderung. Überhaupt tun sich die meisten mit Polyphonie sehr schwer und nimmt man eine Invention so kann man die Leute damit arg vergraulen. Eine erwachsene Schülerin hat jetzt 8 Jahre Unterricht, spielt das Solfeggietto von C.Ph.E. Bach ganz ok nach 6 Wochen, kann sehr gut Noten lesen zB den kleinen Trauermarsch von Tschaikowsky, wobei sie "die eine" Stelle zwar richtig gespielt hat letztend sich aber fragte, ob sie DAS wirklich richtig gespielt haben könnte, das klang ihr alles zu merkwürdig. Fazit: sie hat diese Stelle (noch) nicht verstanden. Darum braucht sie ja mich. Wenn ihr Ohr diese "merkwürdigen" Akkorde mal in der Zeit HÖRT und ihr denken nicht mit der vertikalen erzeugung der Klangstrucktur beschäftigt ist, DANN kapiert sie die Stelle und hat auch wieder Lust, daran zu üben. Mit Herzblut!
Allerdings: sie versteht nicht, wieso sie das G-Dur Menuett aus dem Notenbuch für AMB jedes mal wieder neu lernen muss, wenn sie es einige Zeit liegen lassen hat! Das regt sie total auf, denn sie findet das im Prinzip gar nicht so schwer. Bei Tiersen kann sie einige Sachen einfach vom Blatt spielen, ihr Mann im Hintergrund macht endlich mal positive Bemerkungen (die bei der Mondscheinsonate 1. Satz natürlich NICHT kommen). Aber nicht alle Stücke von Tiersen sind für sie machbar... da sieht sie noch einige Herausforderungen auf sich zu kommen, insbesondere die schnellen und technisch anspruchsvolleren Werke. Daher finde ich schon, dass dieser Tiersen seinen definitiven Platz im Klavierunterricht hat! Denn mit Czerny, Hanon, Aaron und Heumann kann ich diesen Leuten NICHT kommen. Das ist wirklich stupide.
Ich finde es einfach bewundernswert, dass es Erwachsene gibt, die neben Job, vier Kindern und Haushalt auch noch fast täglich Klavier spielen.
edit: @Wuschelino Danke! Sehe ich auch so!!
edit:
@ rolf
Ich begreife immer noch nicht, welchen definitiven Platz sie hat:
- Viola meint, sie motivieren Schüler mehr zum Noten lesen (lernen) ich frage mich, warum erst hier bzw. warum speziell hier
Wieso sollten sie mit dem Notenlesen lernen denn noch warten? Bei den Erwachsenen oder größeren Kindern erkläre ich die Noten und dann gibts den Tiersen (wenn sie wollen), so nach 6 Wochen. Ist doch egal, bei welcher Litereatur man Noten lesen lernt. Ich verstehe Dein Problem nicht...
Das Spezielle bei Tiersen ist, dass es sich automatisch wiederholt, also brauche ich erst einmal keinerlei Übeabschnitte zu setzen. Man checkt das System, die Patterns und dann muss man aufpassen, wann die Dinger sich leicht verändern! Der Teufel liegt oft im Detail! Im Laufe eines Stückes werden die Ansprüche von Abschnitt zu Abschnitt immer schwieriger, aber wenn man den A-Teil geschafft hat (und sich dort schon eine gewisse Routine erarbeitet hat) so kann man sich ja auch mal an den B-Teil wagen, der große Teile aus dem A-Teil voraussetzt.
noch mal edit: habe ich gerade gefunden:
https://www.clavio.de/forum/183600-post24.html
Tier-will-spielen spielt nach 7,5 Monaten autodidaktisch Tiersen. Hätte er lieber die Sinfonas von Bach wählen sollen, rolf?
und dann noch einmal edit:
http://www.youtube.com/watch?v=P-Zz_bSCsBE
Dieses Stück gibt es in einer schönen Klavierbearbeitung, die ich gerade kennen lernen durfte, weil meine Schülerin das Heft zu Weihnachten geschenkt bekommen hat und mir dieses Stück daraus vorspielte. Sie genießt seit 10 Jahren Unterricht, ist absolut kein Hochtalent, kann wegen ihrer zwei Wohnsitze (Mama/Papa) nur begrenzt üben und macht sehr gerne Musik, wenn sie kann. Das sind die Fälle, auf die ich besonders stolz bin, ihre Lust auf Klavierspiel erhalten und gefördert zu haben. Bei anderen KollegInnen wäre sie wahrscheinlich an die Wand gefahren worden, wie ich leider einige Male erlebt habe - nur mal als Beispiel: Meine kleine "Komponistin" hatte mit ihren neun Jahren so an die 20 kleine Kompositionen verfasst, die ich alle notiert hatte. Irgendwie waren da immer schöne kleine Momente eingefangen. Dann kam der Umzug nach Brüssel. Die dort eingekaufte KL schmiss dieses Mädchen nach 6 Monaten raus mit der Begründung: völlig untalentiert! Mit tat das sehr weh. Wie kann man so den Stab über einen Menschen brechen?!? Nur weil sie nach 3 Jahren Klavierunterricht keinerlei Sinfonias von Bach spielen konnte? Ist "Talent haben" nur damit gleich zu setzen sich auf Noten zu stürzen und diese brav abzuarbeiten? Reicht es nicht, Freude an der Musik zu haben und sich darin zu bewegen?!?