Versuch mal alle Töne der Hanon Übungen mit jedem Finger gleich laut und wohlklingend zu spielen. Das allein reicht schon um einen Übungseffekt zu haben. Es macht dich wohlgemerkt allein nicht zu einem vollständigen Musiker, es ist ein kleiner aber sinnvoller Baustein.
Lieber Alex,
schon allein deine Anweisung "gleich laut" zu spielen, ist nicht sinnvoll. In Passagen (Bach, Mozart, Beethoven, Chopin, Liszt ............) werden so gut wie nie zwei Töne gleich laut gespielt und so lernt man bei Hanon etwas, was in Stücken genau nicht erklingen sollte und unmusikalisch ist.
In deinem ersten Post hast du diese Herangehensweise an Hanon empfohlen:
Ich empfehle zuerst in Zeitlupe und fortissimo. Jeden Ton auf Gleich- und Wohlklang prüfen, und in den Körper hören ob alles locker ist. Danach in hohem Tempo. Jede Woche oder so eine neue Übung oder andere Tonart.
Diese Herangehensweise im fortissimo empfiehlst du einem User, der sich als Anfänger ohne Expertenrat, nach meinem Verständnis also ohne Klavierlehrer, bezeichnet.
Das finde ich fatal und absolut tödlich für die anfängliche Beschäftigung mit Musik und dem Klavierspiel. Immerhin zweifelst auch du daran:
Aber für Anfänger ohne Prüfung durch einen Lehrer ist das imho nicht ideal.
Das allererste, was es zu schulen gilt, ist das Gehör! Nur mit einem guten Gehör ist man überhaupt in der Lage, einen harten von einem vollen Ton, einen Wohlklang von einem Unwohlklang zu unterscheiden. Und nur wenn man dies hören kann, kann man seine Technik verbessern.
Bei Karate kann ich mich auch wohl und gelöst fühlen, mit dieser Technik wohl kaum einen schönen Klavierton erzeugen. Als Anfänger muss ich erst lernen, was Gelöstheit und Durchlässigkeit beim Klavierspielen bedeutet, welche Bewegungen sinnvoll sind.
Hanon ist da das Ungünstigste, was man überhaupt machen kann. Lieber Lieder nach Gehör spielen und begleiten, improvisieren, Intervalle und Dreiklänge hören und spielen lernen sowie kleine Stücke, die einen erfreuen. Individuelle, vom Lehrer mit dem Schüler erarbeitete Übungen bringen viel, aber Hanon verführt zum "Tastendrücken" ohne sich zuzuhören. Wenn schon, dann bitte transponieren und in D-Dur spielen etc. - dann ist wenigstens das Ohr und das Hirn dabei. :D
Was Czerny angeht, war er überhaupt kein Freund von solchen Übungen und hat seine Übungen auf Drängen des Verlegers aufgeschrieben. Er war ein Freund des sog. Sätzchenspiels, bei dem man ein Motiv, einen Baustein aus einer Passage oder auch eine Passage selbst mit einem Satz versieht, einer Art Begleitung, und dann damit arbeitet, transponiert, fortspinnt, sequenziert, variiert, improvisiert u.a.. Da ist das Ohr die erste Instanz, das Hirn die zweite und diesen beiden folgen dann fröhlich Arme und Hände. Das ist das, was man auch bei der Arbeit an Stücken braucht und somit sehr sinnvoll.
Liebe Grüße
chiarina