Frédéric Chopin, Etüde C-dur, op. 10 Nr. 1

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Liebe Klavierliebhaber,

es geht um folgende Etüde von Chopin:

Kann man diese Etüde überhaupt als Frau mit mittelgroßen Händen spielen? Oder braucht man dafür Riesenhände?
Die Frage ist ernst gemeint.

Vielen Dank für Eure Meinungen :-)
 
Ashkenazy spielt sie auch öffentlich und dessen Hände sind nicht die grössten.
 
Natürlich! Und eine Reihe von Pianistinnen spielen diese Etüde ausgezeichnet. Warum braucht man dafür überhaupt große Hände??
 
Warum braucht man dafür überhaupt große Hände??
Man muss die rechte Hand ganz schon weit spreizen, um die Akkorde greifen zu können. Oder springen die Pianistinnen dann mit ihren Händen?

In meinem Chopin-Etüden-Buch sind auch verschiedene Fingersätze angegeben, für kleine und für große Hände (die sich kaum spreizen müssen), leider nicht für alle Akkordfolgen. Meine eigenen Hände erscheinen mir zu klein für diese Etüde, leider. Ich kriege schon beim langsamen Durchspielen Schmerzen in der rechten Hand.
 
Gehen wir einfach mal die ersten Takte durch, was muss gegriffen werden?
1-2 c-g kein Problem
2-4 g-c kein Problem
4-5 c-e kein Problem
5-1 e-c sehr eng!

So geht es weiter!
Mit wenigen Ausnahmen (dort Anpassung durch FS) sind alle Tonverbindungen bequem.
 
Bei dieser Etüde liegt die Schwierigkeit nicht so sehr in der weiten Spreizung, sondern im schnellen Wechsel von Spreizung und „Zusammenziehen“ der Hand. Wichtig ist, dass der Fokus nicht auf der Fingerarbeit liegt, sondern auf dem Arm, der die große Führung übernimmt.
 
Damit soll nicht gesagt werden, dass die erste Chopin Etüde leicht sei! Sie ist sackschwer!!! Aber nicht weil man große Hände bräuchte, sondern weil die Kombination von laut, schnell und präzise (gerade auf weissen Tasten) so anspruchsvoll ist!
 
muss die rechte Hand ganz schon weit spreizen, um die Akkorde greifen zu können. Oder springen die Pianistinnen dann mit ihren Händen?
Nein, sie bringen ihre rechte Hand immer in die passende Position und verbinden diese Positionen mit einer fließenden zusammenfassenden Bewegung.
Einer meiner Kommilitonen (große und etwas lappige Hände) versuchte tatsächlich die Dezimengriffe zusammen zu greifen und die Etüde so zu üben; der Erfolg war sehr überschaubar.
 
Nein, sie bringen ihre rechte Hand immer in die passende Position und verbinden diese Positionen mit einer fließenden zusammenfassenden Bewegung.
Vielen Dank Alter Tastedrücker, das bringt Licht ins Dunkel! Auf Videos, wo normalhändige Leute diese Etüde spielen, ist mir auch aufgefallen, dass diese ihren rechten Arm ziemlich stark bewegen, wobei ich mir nicht erklären konnte, was die da genau machen. Das scheint dann die von Dir gemeinte zusammenfassende Bewegung zu sein.

Ihr werdet vielleicht lachen, aber die Frage, wie man diese Etüde "schaffen" kann, stellt sich mir schon seit langem. Ich finde sie so kraftvoll und positiv und höre sie mir gerne an, wenn ich eine Portion Mut brauche. Diese Etüde baut mich 100%-ig immer wieder auf. Außerdem kann sie aus einem Klavier so schön den Klang herausholen, quasi aus dem Vollen schöpfen. Deshalb hat mich diese Etüde nie losgelassen.

Ein anderer Punkt ist, dass diese Thematik mit der "Spreizung" von Fingern quasi der Endpunkt meines Klavierunterrichts vor über 30 Jahren war. Ich bin an diesem Punkt nicht weitergekommen, und meine Klavierlehrerin war anscheinend auch ratlos. Dadurch fielen viele Stücke flach, die ich gerne spielen wollte, aber nicht konnte und auch laut ihr nicht spielen durfte. Das wäre nichts für mich. Dass teilweise aber Kinder (wie in Stilblütes Video) mit ganz kleinen Händen komplexe Sachen spielen konnten, vergrößerte das Rätsel für mich. Ich bin also gespannt, wie sich dieses Rätsel (und einige andere technische Rätsel) in der nächsten Zeit vielleicht noch auflösen werden. Das wäre wirklich eine Art hobbypianistischer Befreiung :-) .
 
"gespreizt" werden muss in dieser Etüde gar nichts ("spreizen" ist grundfalsch!)

2 kleine Überlegungen, um zu helfen, dass vielleicht die bequemste Bewegungsweise gefunden wird:

1. c-g-c-e mit 1-2-4-5 wirkt auf alle zuerst wie "buhu ein riesiger Dezimenakkord"
und instinktiv wird versucht, den irgendwie zu spannen, zu spreizen, zu greifen. @Alter Tastendrücker hat schon schön geklärt, dass die einzelnen Intervalle für sich genommen gar nicht problematisch sind - das wird aber gerne übersehen, sowie man zu früh versucht, über 2-3 Oktaven hoch zu laufen.
deswegen ein kleines Experiment:
c-g-c-e-c-g-c-e usw, aber:
rot linker Zeigefinger!!!!
also erstmal
2-2-4-5-2-2-4-5 und sich das genau anschauen:
irgendwie ist die rechte Hand der linken im Weg, sowie die linke zum zweiten c will (!!!)
- was könnte man da tun?
richtig: die r.H./rechter Unterarm könnte sich bissel so "drehen/kippen", dass der Daumen nach oben kommt und der linken Hand Platz macht
=> wenn man das erkannt hat (und das ist nicht schwer!) wird klar, dass man a la Liszts Wagenradmetapher die "Wippfähigkeit" ("Armrollung", "Rotation" - mir genügt "schaukeln") einsetzen kann, um die
Finger ganz natürlich auf ihre Tasten fallen zu lassen.
(daraus ergibt sich eine Wellenbewegung, sowie man rechts allein 1-2-4-5-1-2-4-5 usw spielt: flache Hand bei 1, Seitwärtsbewegung zu 2, Daumen entspannen*) (!!), Handgelenkt leicht aufwärts zu 4 UND Richtung 5 "schaukeln/kippen", 5 spielt und der Daumen fällt von allein auf sein nächstes c -- und so aufwärts immer weiter)
((natürlich minimieren sich die wellenartigen Schaukelbewegungen, aber zum einüben schadet es nicht, sie zu übertreiben beim langsam spielen))


2. weg von der Mißidee "spreizen / Spreizung"
1 hält ein c - 2 tippt dann d-d-d-e-e-e-f-f-f-g-g-g(-a-a-a)
igitt, eine "Fesselübung"?
ja, was lästiges, wenn man´s falsch macht - wenn es aber richtig gemacht wird, dann wird was klar:
a) falsch: (machen die meisten das zunächst) der Zeigefinger wird mehr und mehr gespreizt/gestreckt, die Hand dreht sich nach rechts, je höher die Töne werden - zack der blöde Fehler: der Arm wird nicht seitwärts bewegt
b) wechselt der Zeigefinger vom d zum e, MUSS der komplette (!) Arm ein Stückchen nach rechts, vom e zum f wieder usw - der schlappe entspannte Daumen wird passiv gedehnt (er klebt in seiner Taste, der Arm geht weiter, tja, da wird er dann - ohne Mühe, ohne Anspannung - "lang gezogen")

Damit @chopinfan könntest du dich ein wenig befassen - sehr langsam, elastisch, entspannt/schlapp

evtl ein andermal bissel was zum (leichteren) runterlaufen und zu alternativen Fingersätzen

________
*) ganz wichtig: der bleibt nicht "abgespreizt" bei seinem ersten c, sondern schon während der Zeigefinger spielt "fällt" er entspannt in seine natürliche Position - wegen der Entspannung!
 

Vielen Dank lieber rolf für die tollen Überlegungen und Tipps. Den ersten Tipp habe ich heute schon umgesetzt. Die zweite Idee muss ich noch ausprobieren. Werde beides in meine Übungen integrieren und dann berichten.
 
Mir macht das Spielen von diesem Stück irgendwie mehr Spaß mit zwei Händen durchgehend alternierend, übereinandergreifend.

:musik024:
 
So wie Busoni es für das C-Dur-Präludium (ja, das!) vorschlägt (allerdings unter Preisgabe des Haltens der je zwei Töne in der lH).
 
Mir macht das Spielen von diesem Stück irgendwie mehr Spaß mit zwei Händen durchgehend alternierend, übereinandergreifend.
Das ist ein sehr interessanter Ansatz!

=> wenn man das erkannt hat (und das ist nicht schwer!) wird klar, dass man a la Liszts Wagenradmetapher die "Wippfähigkeit" ("Armrollung", "Rotation" - mir genügt "schaukeln") einsetzen kann, um die Finger ganz natürlich auf ihre Tasten fallen zu lassen.
Ich habe das jetzt ein paarmal ausprobiert bei dieser Chopin-Etüde, und es klappt bei den meisten Arpeggien sehr gut, bei wenigen allerdings noch nicht. Da Chopin bei mir aktuell durch eine Rachmaninoff-Etüde (39, 1) verdrängt wurde, wende ich dieses Prinzip dort an, und es macht voll Spaß, vergleichsweise entspannt und wurstig zu spielen.:super:
 
Gehen wir einfach mal die ersten Takte durch, was muss gegriffen werden?
1-2 c-g kein Problem
2-4 g-c kein Problem
4-5 c-e kein Problem
5-1 e-c sehr eng!

So geht es weiter!
Vielen Dank nochmals für Deine Aufdröselung @Alter Tastendrücker . Dementsprechend bin ich gerade den Anfang des Stücks durchgegangen.
Bereits den ersten F-Dur-Akkord (rechte Hand: 1-2, c-a) kann ich nicht richtig greifen, ohne Hand/Arm dabei zu verspannen. Der Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger ist bei mir dafür zu kurz. Analoges Problem beim G-Dur-Akkord (rechte Hand: 1-2, h-g).

Ich hätte gerne jeweils 1 cm längere Finger und dehnbarere Hände. :022:
Vielleicht findet sich da irgendwann im Live-Unterricht eine schlaue Lösung dafür, aber ich mache mir keine Hoffnungen.

Bei einer Rachmaninoff-Etüde (Op. 39, Nr. 1) habe ich genau das gleiche Problem: Immer in bestimmten Takten mit ganz speziellen "Dehn"-Griffen (zu großer Abstand zwischen zwei Fingern, bei gleichzeitig schnellem Spielen) tut mir die Hand und der Unterarm weh, während die restlichen fünfeinhalb Seiten entspannt spielbar sind.

Mir fällt ein, dass es evtl. eine gute Idee wäre, Beispiele zu sammeln für Takte, bei denen mir die Hand weh tut, damit ich anschließend den gemeinsamen Nenner dieser Beispiele herausdestillieren kann. Mich wundert, dass so wenig andere Klavierspieler dieses Problem zu haben scheinen. Bin ich da wirklich die einzige?
 
Vielen Dank nochmals für Deine Aufdröselung @Alter Tastendrücker . Dementsprechend bin ich gerade den Anfang des Stücks durchgegangen.
Bereits den ersten F-Dur-Akkord (rechte Hand: 1-2, c-a) kann ich nicht richtig greifen, ohne Hand/Arm dabei zu verspannen. Der Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger ist bei mir dafür zu kurz. Analoges Problem beim G-Dur-Akkord (rechte Hand: 1-2, h-g).
Die Sexten muss man auch gar nicht greifen. Wer anfängt, in dieser Etüde Abstände durch das Spreizen irgendwelcher Finger zu überwinden, hat bereits verloren.
 
ersten F-Dur-Akkord (rechte Hand: 1-2, c-a)
Es gibt dafür einige mögliche Lösungsansätze, 2 davon:
FS 1-3-4-5 wobei allerdings die ungewohnte Griffbalance schwierig sein kann, und
FS 1-3-5-2, dann ist allerdings die Abwärtsbewegung mit 4-2-1-2 nicht so angenehm.
Aber ich denke für die Meisten ist 1-2 c-a nur in der kleinen Oktave unangenehm und weiter oben dann bequemer. Dann würde es helfen den Oberkörper viel weiter nach links zu beugen und etwas weiter vom Klavier weg zu sitzen, so dass die kleine Oktave nicht zu direkt vor dem Körper liegt.
 
Eine dritte Möglichkeit hat @mick angedeutet, auch Margulis hat immer mal wieder darauf hingewiesen, dass man eine Einteilung vornehmen sollte, die Spannungen vermeidet: also beim ersten Akkord nicht c-g-c-e, sondern c, g-c-e-c
 
Vielen Dank @Tastendrücker für die detaillierten Hinweise.

also beim ersten Akkord nicht c-g-c-e, sondern c, g-c-e-c
Das scheint bei mir für die Quarten gut zu funktionieren: c, g-c-e / 1, 2-4-5 (für die Sexten (c-a-...) nur im Notfall und nur kurz)

Diesen Fingersatz merke ich mir, der wird woanders eingebaut.

dann ist allerdings die Abwärtsbewegung mit 4-2-1-2 nicht so angenehm.
Das ist ein wunderbar bequemer Fingersatz für einige Abwärtsbewegungen.

Für die die Sexten hat sich jetzt (beim betont wurstigen Spielen) folgender bequemer Spontan-Fingersatz ergeben: c-a-c-f / 1-4-1-2



Mit sehr kreativen Fingersätzen müsste das Stück eigentlich bequem machbar sein. Bei einigen Stellen muss ich noch extrem kreativ nachdenken...

Wenn hier eine Dame mit kleiner rechter Hand (Griffweite maximal eine Oktave) mitliest, die diese Etüde im Repertoire hat, würde ich mich sehr über einen Gedankenaustausch zu den Fingersätzen freuen :-).
 
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