Flugel Zeitter & Winkelmann 1504

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Michaelbr

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7. Feb. 2019
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Meine lieben Experten,

meine Kollegin hat einen sehr alten Flugel von Zeitter & Winkelmenn aus Braunschweig - Seriennummer 1504.

Sie möchte mehr über den Flugel erfahren. Sie hat es von Ihren Großeltern übernommen. Es befindet sich seit mehreren Generationen im Besitz ihrer Familie und ist für Sie ein äußerst wertvolles Erinnungsstuck. Leider sind die Großeltern gestorben und niemand kann Ihr Auskunft über die Entstehung dieses Wunders geben. Sie würde gerne wissen, in welchem Jahr es produziert wurde und wie viele Stücke dieses Modells produziert wurden. Vielleicht ist jemand interessiert an diesem schönen Instrument. Kann man vielleicht feststellen, wer der erste Käufer war und aus welchem Land kam er? Für jede Information ware Sie sehr dankbar.

Im Allgemeinen ist der Flugel in einem guten Zustand, es spielt, obwohl der Klang völlig anders ist als bei aktuellen Flugeln oder Klavieren - flacher. Das Klavier wurde von ihrem Großvater aus der Tschechoslowakei oder Österreich mit einer Pferdekutsche mitgebracht. Das Instrument stand die ganze Zeit zu Hause. Es ist in einem sehr guten Zustand, auch wenn es nicht restauriert wurde. Obwohl es natürlich Gebrauchsspuren hat. Das Einzige, was ersetzt wurde, war, dass man die Hämmer spürte. Das letzte Mal, als es gestimmt wurde, war vor etwa 30 Jahren. Sie hat als Kind auf diesem Flugel gespielt. Der Flugel ist schrecklich schwer, weil er innen eine Messingplatte hat. Die Schlüssel sind aus Elfenbein. Soweit sie gehört hat, aber es wurde nicht bestätigt - das Klavier sollte 171 Jahre alt sein. Ich weiß nicht, wie lang diese Produktionsserie war und wie viele von ihnen es auf der Welt noch geben kann.
Da es viel Platz einnimmt und niemand es seit vielen Jahren spielt, will Sie es verkaufen.

Vielen Dank fur jeden Hinweiss.

Mit freundlichen Grussen

Michael
 

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Es befindet sich seit mehreren Generationen im Besitz ihrer Familie und ist für Sie ein äußerst wertvolles Erinnungsstuck.

...will Sie es verkaufen.



Michael

Aha … leider ist dieser Flügel für jemand anderen kein äußerst wertvolles Erinnerungsstück und ich denke mal das dieser Flügel eher zu verschenken denn zu verkaufen geht.
 
Lieber Klavierbaumeister,

ich glaube, dass fur die Kollegin viel wichtiger ware die Geschichte.

Sie hat meines Erachtens kein Problem um es zu einem Museum abzugeben.

Es gibt aber leider in Polen keine Person, die sich mit diesen Flugeln gross auskennt. Der Frederick Chopin hat auch bestimmt auf diesem Flugel nicht gespielt.

Ich habe heute bei der Firme Seiler Piano angerufen aber die haben nur ein Archiv von Zeitter und Winkelmann ab 1963 und interessieren sich uberhaupt nicht fur irgendwelche alte Modelle. Die Sekraterin wollte auch keine Fotos von dem Flugel sehen.

Ich habe auch bei Herrn Goht angerufen - einen Experten aus diesem Forum und er meinte auch dass fur einen Klavierbauer dieser Flugel kein Wert ergibt. Er hatte aber gemeint, dass vielleicht das Stadtsarchiv von Braunschweig wurde gern die Fotos bekommen um es zu dokumeniteren. Das mache ich auch in den nachsten Tagen.

Wenn es kein Wert hat, ware es bestimmt das beste es im Familienbesitz zu behalten. Wie mein osterreichischer Kollege sagt, wenn es gar nichts isst und braucht, sollte man es belassen :)

Beste Grusse

Michal
 
Schön ist der Flügel auf jeden Fall, finde ich. Und für Baujahr 1850 hat er sich doch gut gehalten. Bloss drauf spielen,das wird wohl eher schwierig/teuer.
 
Bei so alten Instrumenten habe ich mich schon öfters gefragt ob nicht zumindest die Elfenbein-Auflagen auf den Tasten etwas wert wären. Heute darf das Material neu ja nicht mehr verwendet werden, da stellt sich mir die Frage ob das von alten Instrumenten nicht wiederverwendet werden könnte. Meines Wissens nach wird das allerdings nicht getan, oder täusche ich mich da?
 
Hallo Michael,

Laut https://merz-klaviere.de/service/zeitterwinkelmann.php
wurde der Flügel vor 1875 gebaut.

Wenn Wiki
https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitter_&_Winkelmann
hier recht hat und der Flügel kreuzsaitig (?) ist, also zwischen 1851 und 1875.

Was ich mich noch frage: Will deine Kollegin ihn nun abgeben oder behalten? Ich meine, wenn es doch ein Erbstück ist...?

(Liebhaber-)Wert lässt sich nur vor Ort durch einen Klavierbauer bestimmen, der den Zustand des Instruments bzw den Aufwand für eine Restaurierung begutachtet.
 
Wie alt ist der Flügel?
Die angegebene Nummer 1504 ist rätselhaft.
Der Schriftzug in der Tastenklappe: „Patent-Resonanzboden“ ist nachweisbar durch eine Reklame vom Juli 1891, in der erstmal von dem Legato-System (Patent F. Kaiser) zu lesen ist.
In den Patent-Nachrichten - „Ertheilungen“ erfolgte im Januar 1891 die Eintragung in die Patentenrolle.
Der Flügel ist nach dem Jahre 1891 hergestellt worden.
MfG Dieter
 

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Wenn Wiki
https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitter_&_Winkelmann
hier recht hat und der Flügel kreuzsaitig (?) ist, also zwischen 1851 und 1875.

Auf dem ersten Bild (ZW5.jpg) kann man klar sehen, dass es ein Geradsaiter ist.

Der Flügel ist nach dem Jahre 1891 hergestellt worden.
MfG Dieter

In dem selben Bild sind Längsstreben oberhalb der Saiten zu erkennen. 1891 hat garantiert niemand mehr einen Flügel mit Längsstreben gebaut. Laut des oben genannten Wikipedia-Artikels wurden 1851 auch Eisenrahmen eingeführt.

Ich gehe aufgrund der drei Indizien Seriennummer, Geradsaiter, Stahlstreben davon aus, dass der Flügel vor 1851 gebaut wurde. Der Frontschriftzug scheint dem zu widersprechen, könnte jedoch später ausgetauscht worden sein. So etwas kam durchaus vor.
 
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich wollte mich bei Ihnen ganz herzlich fur die Hilfe bedanken! Es ist wirklich grosssartig das so ein Forum existiert - vor allem wenn man von dem Produzenten selbst keine mehr Infos zu einem Instrument bekommt.

Momentan hat die Kollegin entschieden es in Polen zu behalten und es verkaufen oder zu verschenken.

Der Aufwand um alle Bestatigungen zu bekommen um so ein Antik aus Polen zu bringen ist uns nicht bekannt.

Vielen Dank!

Michal
 

Guten Abend,
vielen Dank für die vielen Beiträge. Ich bin selbst Nachfahre dieser Klavierbauer. Leider fehlen mir auch einige Aufzeichnungen, aber ein paar Gedanken zu dem Instrument / der Firma:
Christian Theodor Winkelmann gründete 1837 einen Klavierbaubetrieb. Etwa zu der selben Zeit machte sich Friedrich Zeitter in London selbstständig, nachdem er jahrelang bei Erard und Broadwood gelernt hatte und dort Werksleiter war. Er hielt mehrere Patente und war mit industriellen Herstellungsverfahren vertraut. Nach seiner Tätigkeit in London ließ er sich in Wien nieder (dort unter dem Mädchennamen seiner Mutter als Dirr). In den Kriegswirren 1848/49 brannte sein Geschäft ab. Über die Vermittlung des Verlegers Litolff kam er schließlich nach Braunschweig, wo er 1851 Teilhaber der Firma Zeitter & Winkelmann wurde. Ab dem Eintritt von Zeitter wurden die ersten aufrechten Pianos gebaut und Z&W war dann eine der ersten deutschen Firmen, die kreuzsaitige Instrumente baute. Insofern könnte das doch alles original sein.
Die mir vorliegende Seriennummernliste (aus irgendeinem Musikbuch) beginnt 1875 bei Instrument 3000. Ich selbst besitze das mir bekannteste älteste Instrument (Tafelklavier) mit der Seriennummer 490, auf dem vermerkt ist "Zeitter aus London und Winkelmann aus Braunschweig" , so dass ich davon ausgehe, dass dieses noch vor ihrer Teilhaberschaft war, mithin also um 1850. Vor Jahren habe ich mal ein Klavier 527 im Internet gesehen, was noch nicht kreuzsaitig war. Tafel-Klavier 702 steht im Museum in Braunschweig, auch dieses hat noch eine Plakette "Zeitter aus London und Winkelmann aus Braunschweig", könnte also aus der Zeit stammen. Die dortige Tafel mit den Daten ("um 1840") ist auch neben dem Datum falsch.

Leider ist es sehr schwierig zu datieren. Widersprüchlich zu meinen Gedanken geht Bettgenhaeuser, R. (1899), S. 171 (-> Google Books) in Die Industrien des Herzogthums Braunschweig von nur 250 Instrumenten bis 1851 aus und dass bis dahin mit 4 bis 5 Mitarbeitern pro Jahr etwa 10-30 Tafelklaviere produziert wurden. Von 1851 bis 1866 seien etwa jährlich 60 bis 80 Instrumente hergestellt worden. Das vorgestellte Instrument 1504 müsste also irgendwann in dieser Zeit entstanden sein. Dieters Aussage, dass das Klavier nach 1891 wegen des Patentresonanzbodens entstanden sein müsste ist nicht richtig: a) Zeitter hielt selbst mehrere Patente und b) erhielt die Firma zahlreiche Preise auf Weltausstellungen, die im Rahmen vermerkt wurden. 1891 hatte das Unternehmen bereits fast 9000 Klaviere produziert. Bis zur Lizenzierung an Seil 1963 waren es fast 50.000.

Herzliche Grüße,
Axel Winkelmann
 

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